Seit etwas mehr als 8,5 Jahren beschäftige ich mich nun – mal mehr, mal weniger intensiv – mit der Blockchain-Technologie und dessen Flagschiff Bitcoin. Damals hatte ich über DAO (digital autonomous organisation) den Einstieg in die Tecnologie gefunden: Ein Artikel in der Zeit vom 26.5.2016: „Die erste Firma ohne Menschen“ weckte mein Interesse und gab mir einigen wenige Tage Zeit mich mit einem Mini-Investment daran zu beteiligen. Damals, so sollte ich kurz darauf lernen, kostete ein Bitcoin etwa 700 Euro – ein Preis, der täglich stark schwankte und der von den Einen als Blase und Betrug, von Anderen nur als ein Auftakt zu viel höheren Preisen bezeichnet wurde.
Heute – 8,5 Jahre später – hat der Bitcoin erstmalig einen Preis von über 100.000 Euro erreicht. Ein Grund, innezuhalten, den Weg zu rekapitulieren und zu schauen, ob ich das habe kommen sehen und ob ich es euch angekündigt habe.
Um letzteres vorweg zu nehmen: Ja ich habe das kommen sehen – aber nicht so schnell. Und ja, ich habe hier und im persönlichen Gespräch immer wieder das riesige Potential der Blockchain Technologie und von Bitcoin als seine (bisher) beste Implementation betont. Aber ich war immer zu vorsichtig, mich auf konkrete Kursziele und Zeitpunkte festzulegen oder eine Anlage-Empfehlung auszusprechen (was ich schon rechlich gar nicht darf).
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Aber eine Faszination für Kryptowährungen hatte ich quasi vom erstem Moment an. Von Bitcoin hatte ich sogar schon vor 2016 flüchtig gelesen – immer mit dem Merker: „Damit mußt du dich mal ausführlicher beschäftigen.“ Und dann doch keine Zeit dafür gefunden – bis ich den Zeit-Artikel las (s.o.). Und mich in zwei Tagen mit der Technik soweit vertraut machte, dass ich dort 100 Euro investieren konnte. Ich war drin. Ich besaß 540 DAO Token und war damit Teilhaber einer digitalen DAO Risikokapitalgesellschaft.
Der Spass war dann aber auch nach 2 Monaten wieder vorbei – ein Hacker hatte eine Sicherheitslücke in der DAO Software gefunden und obwohl die Investitionen gerettet werden konnten, wurde das DAO Experiment abgebrochen und die Investitionen zurückgegeben. Mehr in meinem Protokoll.
Aber auch wenn das Experiment gescheitert war, war ich schon von den ersten Einblicken in die Technologie begeistert. Und begann mich mit Bitcoin zu beschäftigen: Wie funktioniert Bitcoin? (29. Juli 2016) und die Betrachtungen zur Bitcoin-Kursentwicklung (15. Juli 2016) – der den Kursanstieg von 100 Euro/Bitcoin auf fast 900 Euro/Bitcoin im Jahr 2013 sowie den „Crash“ danach zurück auf 200 Euro (2015) sowie den Wiederanstieg auf fast 700 Euro (2016). Damals ein großer Deal, der die (bis heute vorhandene) Volatilität der Bitcoin Kursentwicklung gut illustrierte.
Eine Voltilität, die schon damals und bis heute sowohl Gegner als auch Protagonisten zu großen Behauptungen inspiriert: Während Letztere (jedenfalls die nicht-technischen) gern immer wieder von quasi grenzenlosen Kursexplosionen phantasieren („to the moon“), haben Erstere Bitcoin schon immer als Betrug und Blase bezeichnet und kontinuierlich seinen kurzfristigen Tod angekündigt. Der allerdings seit nun 16 Jahren kontinuierlich ausbleibt und damit zur Schaffung mehrere Webseiten geführt hat, die entsprechende voreilige Nachrufe („Obituaries“) zusammen mit Verfasser, Beruf (viele Journalisten und Finanzanalysten, überraschend wenige Politiker) und dem jeweiligen Tageskurs dokumentieren.
Bevor wir allerdings hier weiter die Entwicklung von Bitcoin als Spekulations- und Geldanlageinstrument analysieren, sei in Erinnerung gerufen, dass Bitcoin als Lösung für ein konkretes Problem geschaffen wurde (ich werde am Ende darauf zurück kommen): Ein bis heute unbekannter Autor namens Satoshi Nakamoto hat am 1. November 2008 in einer Mail in einr Cryptographie Mailing List ein 8-seitiges Whitepaper mit dem schlichten Titel „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“ (Satoshi Nakamoto: „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“ (PDF)). Es dürfte nur wenige Schriftstücke des 21. Jahrhunderts geben, die mit so wenig Seiten einen so großen Einfluss hatten wie diese Bitcoin-Whitepaper. Es beschreibt – aus einem gleichermaßen großen Misstrauen gegenüber staatlichen Finanzinstitutionen wie gegenüber privaten Unternehmen und Banken heraus – den Entwurf einer elektronischen Währung, die in Internet als sicheres Zahlungsmittel und als sichere persönliche (Geld-)Wertaufbewahrung eingesetzt werden kann. Und der Autor (wahrscheinlicher: die Author:inn:en) läßt (lassen) am 3. Januar 2009 der Theorie die Praxis folgen: Die Bitcoin Blockchain startet. Und funktioniert seither komplett dezentral, voll-transparent, unterbrechungsfrei und ungehackt. Am 3. Januar 2025 dann seit 16 Jahren.
Damals wurden Bitcoins nur zwischen Privatpersonen („Peer-to-Peer“) ausgetauscht. Am 22. Mai 2010 folgte dann die erste (dokumentierte) kommerzielle Bitcoin Transaktion: Ein Mann aus Florida namens Laszlo tauschte 10.000 Bitcoins gegen zwei große Pizzen von Papa John’s. Zu diesem Zeitpunkt lag der Wert dieser 10.000 Bitcoins bei etwa 41 US-Dollar. 2011 wurde dann der erste Wechselkurs für 1 Bitcoin mit 0,07 US-Dollar auf Basis der Herstelungskosten kalkuliert. Doch bereits im selben Jahr wurde der Bitcoin auf verschiedenen Plattformen für Kurse im einstelligen Dollarbereich gehandelt. Für den 18. April 2013 dokumentiert CoinGecko (Kurs-Sammelplattform) dann schon einen Kurs von 103,19 Euro (erster Eintrag dort). Seither lassen sich nicht nur einelne Handelskurse, sondern das gesamte Auf- und Ab analyserien. Als ich endlich Einstieg, mich mit dem Themawar also schon einiges passiert.
Nachdem ich mich dann 2016 mit technischen Grundlagen beschäftigt hatte, habe ich mich (als Volkswirt) erst mal auf eine finanzwissenschaftliche Analyse gestürzt: Ist Bitcoin ein reines Spekulationsobjekt? (Dez. 2016) und Bitcoin als Investition? (September 2017):
Würde ich in Bitcoin investieren? Ja, ich sehe Bitcoin weiterhin als eine interessante Werterhaltung-Anlage. Angesichts der niedrigen Zinsen und der weltwirtschaftlich eher durchmischen Perspektiven halte ich Bitcoin nicht nur für eine potentielles Investment, sondern auch für eine interessantere Risiko-Diversifikation als z.B. Gold (schon wegen der unattraktiven Depot-Kosten).
und:
Die Investition in Bitcoin ist eine Wette; genau wie viele andere Geld-Anlagen, beispielsweise der Kauf von gängigen Fremdwährungen. Aber es ist die begründete Wette darauf, dass die Zukunft der Währungen Kryptowährungen sind und dass die Blockchaintechnologie das Finanz-und Bankwesen ähnlich verändern wird wie das Internet die Kommunikation und den Zugang zu Informationen.
Letzeres hier ausführlicher begründet.
In beiden Artikel ist jedoch eine Fehlannahme enthalten: Das Bitcoin als gängiges Zahlungsmittel funktionieren könne (ein Fehler, der auch im o.g. Nakamoto Whitepaper enthalten ist – insofern muss mir das nicht peinlich sein). Denn während dieses technisch weiterhin möglich ist, hat sich diese Annahme aufgrund der hohen Volatiltät (vor allem nach oben) als Illusion erwiesen. Aufgrund der absichtlich begrenzten Menge an vorhandenen Bitcoin (als Maßnahme gegen Geldentwertung) ist jemand, der einmal Bitcoin besitzt nicht sehr geneigt, es wieder für Alltägliches auszugeben.
Ich hätte jedenfalls mit einem deutlich langsameren Kurswachstum gerechnet – im Juli 2016 schrieb ich noch:
Mittelfristig sehe ich aber ein (vorsichtig kalkuliertes) Kurs-Potential von 1.000- 2.000 €/Bitcoin (derzeit: ca. 600 €/Bitcoin).
Mit „mittelfristig“ meinte ich damals 2-4 Jahre. Aber im Dezember des gleichen Jahres war der Kurs dann schon bei 900 Euro und ich mußte zum ersten Mal sagen: „Damals hatte ich jedoch nicht erwartet, das der Kurs sich dem so schnell nähert.“ (Mein Jahr mit der Blockchain, 16. Dezember 2016). Aber es sollte wilder kommen:
Der folgende Anstieg der Kurses auf rund 10.000 Euro und die Kursexplosion im November 2017 auf 17.000 Euro veranlaßte mich dann im Januar 2018 zum Verfassen meiner Kleinen Blasologie, in der ich über Finanz-Blasen und ihre Unterarten – und Bitcoin spekuliere.
Bevor ich entscheiden kann, wie ich das derzeitige Kurshoch von Bitcoin (& Co.) (gar öffentlich) bewerte, sollte ich wenigstens folgende Fragen beantworten:
- Habe ich wirklich verstanden, was technisch und gesellschaftlich hinter Bitcoin & Co. steckt?
- Sind Bitcoin (& Co.) ein technologischer Sprung? Oder eine irrationale Mode?
- Um was für eine Art von Blase (in welchem Stadium) handelt es sich? Oder ist vielleicht ein Wachstum wie der Kurs von Google?
- Wie langfristig betrachte ich den Kursverlauf?
Erst danach machen Empfehlungen Sinn und ein angemessenes Handeln ist möglich
Danach „normalisierte“ sich der Kurs wieder durch einen Absturz in einstellige Tausender-Werte (Anfang 2016 bis Sommer 2020), um dann bis November 2021 mit großen Schwankungen auf 58.000 Euro anzusteigen. Und 1 Jahr (2022) später bei 15.000 Euro zu stehen.
Im November 2020 (2020er Bitcoin-Kursexplosion: Eine neue Blase?) hatte ich die 2021er Explosion nicht vorhergesehen, aber den 2022 Stand relativ gut vorher gesehen:
Ansonsten dürfte auf das derzeitige Hoch auch wieder eine Abkühlung folgen und der Kurs nach Süden sinken (evtl. sogar unter 10.000 Euro).
Im November 2023 girff ich das Thema wieder auf (Cryptos are back … and here to stay) Und ich sah ein Muster:
Blase | Crash | |
2013 | 900 | 200 |
2017 | 17.000 | |
2018 | 3.000 | |
2021 | 56.000 | |
2022 | 16.000 |
Damals war der Kurs bereits wieder am steigen und mir schien eine neue Blase am kommen:
Ich fürchte aber (und hoffe 😉 ), dass die menschliche Gier uns die Muster von 2013, 2017 und 2021 wiederholen lassen wird.
Wie gesagt, in 1-2 Jahren. Was wir derzeit sehen, entspricht dem Zwischenhoch, nach dem es üblicherweise erst mal wieder abwärts geht.
Wieder einmal war ich zu vorsichtig – hatte aber auch die (im Januar 2024 folgende) Zulassung von Bitcoin EFTs als Finanzprodukt in den USA nicht auf dem Schirm (hielt sie für unwahrscheinlich). Und nun hat der Trump-Wahlsieg (der sich zuletzt begeistert von Krypto-Währungen zeigte) die Krypto-Phantasien massiv angeregt. 100.000 Euro… und noch ist der Schwung nicht raus. Aber nach jeder Allzeithoch (AZH/ATH) folgt der Absturz. Bin gespannt wo wir dieses Mal landen werden:
Blase | Crash | |
2013 | 900 | 200 |
2017 | 17.000 | |
2018 | | 3.000 |
2021 | 56.000 | |
2022 | | 16.000 |
2024 | 100.000 ? | |
2025 | | ??? |
Habe ich es vorhergesagt? Hinsichtlich von Kurszielen und Zeitpunkten bin ich offensichtlich ein schlechter Finanzanalyst (aber zum Glück:) Zu vorsichtig. Aber die langfristige Entwicklung von Bitcoin habe ich – im Gegensatz zu den Kritikern – bisher ziemlich gut vorher gesehen. Bitcoin ist eine solide „neue“ Technologie, die nicht wieder verschwinden wird. Selbst wenn der aktuelle Kursausschlag natürlich wieder massiv übertrieben ist. Der bisher mit jedem Crash (Anti-Blase) steigende Grundkurs ist jedoch ein guter Beleg für seine Beständigkeit.
Als Zahlungsmittel ist Bitcoin derzeit nicht und auch auf absehbare Zeit sinnvoll nicht zu gebrauchen – zu sehr wurde beim Design des Protokolls auf Inflationssischerheit Wert gelegt und damit der Grundstein für die massive Volatilität bei der Kursausschlägen gelegt. Aber als langfristige Wertanlage und Sicherung gegen Inflation wird Bitcoin weiter an Bedeutung gewinnen. Und damit wird der Preis insgesamt (vermutlich immer mit irrationalen Ausschlägen) weiter steigen. Anlegen sollte man jedoch nur Geld, dass man nicht plötzlich brauchen könnte – denn die Crash-Phasen dauern bei Bitcoin in der Regel länger an als die Blasen.
Spannender ist jedoch ob sich endlich jemand findet, der es schafft, eine Krypto-Währung als dezentrales Zahlungsmittel zu etablieren. Die Blockchain-Technologie ist da und erprobt. Alles was gebraucht wird, ist eine Protokoll-Implementation, die einen Mechanismus zur Sicherung von Geldwertstabilität enthält. Und einen Anreiz, es als Zahlungsmittel zu akzeptieren.
P.S.: Eine relativ aktuelle Analyse von Business Insider ist ähnlich konservativ (und liegt ähnlich falsch) wie ich:
Durch sein bereits etabliertes Ökosystem gehen Analysten davon aus, dass Bitcoin einer der ersten Kryptowährungen sein wird, die sich wieder von den hohen Kursverlusten im Jahre 2024 erholen wird. Sie gehen jedoch nicht davon aus, dass die Kryptowährung in diesem Jahr ihr Allzeithoch erreichen wird, rechnen aber doch mit moderaten Kurssteigerungen.
Andere so:
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(nicht seriös)
Disclaimer: Was hier über Bitcoin & Blockchain veröffentlicht wird, bedeutet weder Zustimmung zu oder Ablehnung von diesen Technologien. Ich betrachte sie wie das Rad, den Buchdruck, die Elektrizität und das Internet: Innovationen, mit denen wir umgehen müssen – persönlich, politisch und gesellschaftlich. Und dazu müssen wir sie verstehen.
Disclaimer 2: Der Autor hat in die in diesem Artikeln genannten Kryptowährungen investiert und profitiert daher von einem Kursanstieg.