Schon sehr lange fotografiere ich. Landschaften, Reisen, Objekte, Stilleben, Absurditäten, Mikrokosmen – und auch Menschen. Aber fast immer aus der Rolle des Beobachters, der nur dokumentiert, was auch ohne sein Zutun geschieht. Meine Ausstellung „anders sein, anders sehen“ von 2013 beruhte auf solchen Bildern von Menschen.
Portrait-Fotographie und Model-Fotographie dagegen erfordern eine Interaktion mit der fotografierten Person. Ich muss dabei nicht nur Licht, Hintergrund, Kamera-Èinstellungen und den richtigen Moment zum Auslösen im Auge behalten, sondern gleichzeitig auch mit der fotogafierten Person interagieren, sie bei Laune halten, anleiten, positionieren und motivieren. Ich bin dabei mehr Regisseur als nur Beobachter und bisher hat sich (von einer Ausnahme abgesehen) nie die Gelegenheit, Zeit und Energie ergeben, das mal richtig auszuprobieren, obwohl es mich schon lange reizt.
Dieses Jahr aber hat sich die Idee dann doch zu einem realen Projekt entwickelt. Die Darmstädter Künstlerin Olia Kolesnyk hatte Interesse an einem Shooting gezeigt und wir haben den Ausflug zu einer (Tango-) Veranstaltung in Schmitten zu einem entspannten Test- und Ideen-Entwicklungs-Shooting auf dem Großen Feldberg genutzt.
Obwohl ich den Termin eigentlich nutzen wollte, um mich mit Methode und Vorgehen vertraut zu machen und die Dynamik der Interaktion zu erkunden und Ideen für ein ernsthaftes Shooting zu entwickeln, hat sich nicht nur ein echter Foto-Flow ergeben, sondern es sind daraus auch Bilder entstanden, auf die ich echt verdammt stolz bin. Nicht weil ich einschätzen kann, was ein Profi-Fotograf dazu sagen würde, sondern weil ich das Gefühl habe, extrem viele unterschiedliche Aspekte von Olias Persönlichkeit in einer einzigen (spontanen) Session eingefangen zu haben. Ohne großen Plan oder Konzeption. Aus dem Moment heraus.
Wie präsentiere ich eine solche Vielzahl von Eindrücken? Einzelen Fotos werden dem kaum gerecht, eine Slideshow schon eher – aber warum dann nicht gleich Medium Video (mit dem ich schon länger ein wenig experimentiere) nutzen? Also hab ich die Bilder in ein Video importiert und eine Story geschaffen (nicht identisch mit der realen Reihenfolge der Aufnahmen).
Doch was ist ein Video ohne Sound? Also habe ich in meiner umfangreichen Musiksammlung gesucht und nichts gefunden, was meinen Vorstellungen entsprach. Auch nicht auf YouTube mit den Kriterien die die Suche dort erlaubt. Ich wolle Musik, die upbeat ist, mit einer Sängerin und einem Text, der Olia entsprach. Und fand nichts. Also hab ich das Projekt erstmal zurückgestellt.
Dann kam der NeoTangoRave in Bremen. Dort habe ich (vor allem während meiner TJ sets) ein wenig mit dem Handy gefilmt. Und wollte das gern verbreiten – aber wie, ohne Sound? Ich habe keine Rechte, die gespielten Songs auch per Video zu nutzen, auch wenn ich als TJ fürs Auflegen an die Gema zahle. Aber wir leben im Zeitalter von KI – und es soll doch KIs geben, die Musik erzeugen, dachte ich mir. Also ausprobieren (geht über studieren) dacht ich mir und gleich die erste war ein Volltreffer: Suno (obwohl ich nicht sicher bin, ob das wirklich ne KI ist, könnte einfaches Machine Learning (ML) oder sogar nur eine Mustererkennung mit Mustererzeugung sein).
Schon nach zwei Prompts hatte ich für das NTR Video zwei Songs, die gut genug waren, um das Video damit zu hinterlegen (hier zu hören). Keine musikalischen Meisterwerke, keine besonders originelle Musik zum Tanzen, aber perfekt, um die Stimmung zu vermitteln, die ich für das Video wollte.
Damit hatte ich auch einen Weg gefunden, um Musik für die Portraits von Olia zu erzeugen. Ich brauchte ein paar mehr Anläufe und ein bisschen Hintergrund-Recherche für einen passenden Text (ca. 1h Arbeit all in all), dann hatte ich , was sich wollte (viel besser als erwartet). Lange Vorgeschichte, aber ich dokumentiere das hier mehr für mich, als für euch. Hier nun meine Portraits von Olia – der Titel entstand, weil es unser erstes Shooting (von potentiell mehreren) war:
Side project: Undecided
Bevor wir begannen, hatte ich Olia noch gefragt, ob es etwas gibt, was sie in den Fotos vielleicht gern herausgearbeitet haben will. Sie erwähnte ihre Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen (die ich kannte). Und auch wenn ich vorher keine Idee hatte, wie ich das mit Bildern darstellen sollte, hat mir mein Model das Material für dieses Nebenprojekt einfach geliefert. Manchmal muss man nur wissen, wonach man sucht. Daher hier auch die Video zum Thema „Undecided“ (1:25min):
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