Corona-Positionen

Update 6.12.2021: Eine Studie des ax Planck Institute for Dynamics and Self-Organisation in Göttingen bestätigt die Wirksamkeit von Masken und zeigt, dass sie sogar höher ist, als bisher angenommen.

Die Wirksamkeit von Gesichtsmasken als Mittel um die Ausbreitung des Cornona-Virus zu verringern war eine Weile umstritten – bis sich eigentlich fast alle ernst zu nehmenden Quellen auf diese Sicht einigten:

  • Das korrekte Tragen einer Gesichtsmaske verringert die Wahrscheinlichkeit, das der Maskenträger einen anderen Menschen infiziert deutlich, denn die Aerosol-Ausstoß (Träger des Virus) wird nicht nur reduziert, sondern auch abgebremst und in mehrere Richtungen verteilt. Sie bietet aber keine 100%ige Sicherheit und als weitere Faktor ist der Abstand zwischen den Personen weiter wichtig.
  • Es verringert auch die Warscheinlichkeit, das der Maskenträger selbst angesteckt wird – allerdings ist die Wirksamkeit hier deutlich geringer, als wenn die infizierte Person eine Maske trägt.
  • Tragen beide eine Maske, addieren sich die Wahrscheinlichkeiten.

Siehe auch: 3-D Animation der Süddeutschen über die Wirkung von Abstand und Masken

Trotzdem haben in Deutschland vor dem 27.4.2020 (so meine Beobachtung) höchstens 15% der Menschen in Einkaufssituationen eine Maske getragen – also ein sehr geringer %-Satz. Mögliche Gründe:

  • Eine Maske schützt den Träger selbst erst mal nur gering. Eine Maske zu tragen ist erst (in der direkten Wirkung) mal ein uneigennütziger (altruistischer) Akt.
  • Selbst dazu beizutragen, die Verbreitung des Virus zu reduzieren und damit die Dauer der Krise zu reduzieren und möglichst schnell weitere Lockerungen zu erreichen, ist eine mittel- bis langfristige Wirkung (kein Instant-Reward) die bei vielen Menschen (leider) nicht ausreichend Motivation erzeugt.
  • Das Tragen von Gesichts-Masken wird als lästig, umständlich und unerfreulich (im Umgang mit anderen) angesehen – es erforderte eine Änderung von Verhalten und Gewohnheiten.
Recht vs. Links - wie die Polizei reagiert

Das Hauptargument gegen eine Pflicht zum Tragen von Gesichtsmasken war, dass die Menschen sich dann wohlmöglich unvorsichtiger (als vorher) Verhalten und (wichtigere) Sicherheits- und Hygienemaßnahmen vernachlässigen – deswegen war ich persönlich auch gegen eine Maskenpflicht und dafür, auf Freiwilligkeit zu setzen. Daneben gibt noch das Argument, dass es einen (verfassusngsrechtlichen) Eingriff in unsere Freiheitsrechte darstelle (wobei ich das immer ironisch fand, weil dieses Argument vor allem von Menschen kam, die sonst keinerlei Probleme damit haben, Anderen Vorschriften bezüglich Kleidung und Verhalten zu machen). Um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu beurteilen – ist die Angemessenheit der Maßnahme in Bezug auf das Problem und seine Lösung zu betrachten (siehe meine Ausführungen zur Verfassungsrechtlichkeit von Lockdown Regeln und einer Impf-Plicht).

Dann kam am 27.4.2020 die Maskenpflicht.

Nachdem nun die Inkubationszeit- und mögliche Meldeverzögerungen vorbei sind, ist es an der Zeit, zu beurteilen, ob die obigen Argumente gegen eine Maskenpflicht stichhaltig sind.

Vor der Maskenpflicht und nach den ersten Lockerungen sank die Zahl der täglichen Neuinfektionen in Deutschland im Mittel um ca. 20 pro Tag. Wenn eine Pflicht (also Erhöhung der Zahl der Maskenträger von 15% auf 95%) sinnvoll war, dann muss sich das Signifikant in der Veringerung der Zahl der Neuinfektionen wiederspiegeln. Ich hatte am 8.5. sehr strikte Kriterien definiert, anhand derer ich mich von der Sinnhaftigkeit einer Maskenpflicht überzeugen ließe:

Wenn die Zahl der Neuinfektionen pro Tag dagegen weiter nur um rund 20 oder 30 gesunken wären, hätte ich mit Sicherheit festgestellt, dass eine Maskenpflicht nichts gebracht hat. Dazwischen gibt es einen Graubereich, in dem ich keine definitive Aussage getroffen hätte, sondern nur eine Tendenz (je nach tatsächlicher Senkung) festgestellt hätte.

Hier nun die absoluten Zahlen der vergangenen Tage:

Wochentag,
Datum
SZRKI
Dienstag, 19.5.2020681513
Montag, 18.5.2020713342
Sonntag, 17.5.2020726583
Samstag, 16.5.2020728620
Freitag, 15.5.2020790913
Donnerstag, 14.5.2020866933
Mittwoch, 13.5.2020903798
Dienstag, 12.5.2020912933
Montag, 11.5.2020909357
Sonntag, 10.5.2020958667

Man kann erst mal leicht feststellen, dass meine Kriterienen nicht erfüllt sind, auch wenn die Senkung der Neuinfektionen wohl klar über den vorher beobachteten 20 pro Tag liegt.

Jedoch gab es praktisch mit Anfang der Beobachtungen einen Sonder-Effekt, der mir meine einfach Datenlage versaute und den ich fairerweise herausrechnen muss: In Schlachthäusern (b.z.w. in den Massenunterkünften der dort Arbeitenden) wurden Masseninfektionen festgestellt und denen wurde mit Massentests der dort Arbeitenden begegnet. Deshalb habe ich versucht, diese Zahlen ebenfalls zu erfassen, um sie heraus zu rechnen:

Meldung (Stichwort, Datum, letzte Quelle*)AnzahlBundesland
Ulm (alle Artikel mit Zahlen bisher hinter Bezahl-Schranken)Bayern
Landkreis Osnabrück, 18.5.92Niedersachsen
Wiesenhof, Landkreis Straubing-Bogen, 16.5.77Bayern
Husum, Kreis Nordfreisland, 15.5. (Tests laufen noch)3SWH
Emsland, 11.5. (Tests laufen noch)3Niedersachsen
EG Schlachthof Bochum, 10.5.22NRW
Kellinghusen (Kreis Steinburg) 10.5.118Hamburg
Westfleisch in Coesfeld, 10.5.260NRW
Westfleisch in Hamm, 10.5.0NRW
Vion Schlachthof in Bad Bramstedt (Kreis Segeberg),13.5.137SWH
fleischverarbeitenden Betrieb in Oer-Erkenschwick (Kreis Recklinghausen), 8.5.33NRW
Müller-Fleisch in Birkenfeld 12.5.310BaWü
Wearing Face Masks right

Stand Freitag, 15.5. (da habe ich die Zahlen ausgewertet): Mindestens 963 Neuinfektionen (die Medien berichten leider nicht vollständig und konsequent darüber – daher ist die wirkliche Zahl vermutlich deutlich höher), die zusätzlich zu den normalen Neuinfektionen hinzukommen (Massentests erhöhen immer die Zahl der gefundenen Fälle). Dazu kommen 611 (SZ) bzw. 1485 (RKI) Neuinfektionen, die (trotzdem) tatsächlich vermieden wurden. Dagegen stehen 1.800 Neuinfektionen, die (nach meinen Kriterien) hätten vermieden werden müssen. Der SZ Wert (ein Mittelwert, der die Vergangenheit immer stärker einbezieht) ist nahe dran, der RKI Wert (2.448) deutlich drüber.

Und inzwischen kommt die Zahl der Neuinfektionen (obwohl fast jeden Tag Fälle in einem neuen Schlachthof entdeckt werden) in die Region, die ich gefordert hatte.

Natürlich ist das eine sehr grobe „über den Daumen gepeilte“ Rechnung (kein wissenschaftlicher Beweis) man kann die Methode (und meine Annahmen) natürlich auseinander pflücken – und wird genug daran kritisieren können. Aber ich glaube nicht, dass eine saubere statistische Datenanalyse (wie sie zum Beispiel hier zur Bewertung der Lockdown-Maßnahmen in Deutschland durchgeführt wurde: Inferring change points in the spread of COVID-19 reveals the effectiveness of interventions) zu grundsätzlich anderen Ergebnissen kommen würde.

Freiheit einschränkende Dinge

Daher komme ich zu dem Schluss, dass die Maskenpflicht (und entgegen meiner ursprünglichen Überzeugung) tatsächlich einen signifikanten Effekt auf die Verringerung der Zahl der Neuinfektionen hatte und hat. Die Zahl der Unvorsichtigen (die uns mit Maske zu sicher glauben) und der Unwilligen ist geringer als die, die erst ein Gesetz (und die Drohung mit Strafe?) brauchten, um zu tun, was sinnvoll ist.

Der Effekt ist nicht ganz so groß wie die Kontaktbeschränkungen und Geschäftsschließungen vom Mitte März, aber groß genug, um die Wirkung der Lockerungen vom 20.4. mehr als auszugleichen. Und es ist – so unbequem das Tragen von Masken auch sein mag – ein geringer Preis dafür, dass wir uns erlauben können, das Wirtschafts- und Geschäftsleben wieder aufzunehmen und damit die wirtschaftlichen Kosten der Krise zu begrenzen.

Spannend wird es ab in ca. 5 Tagen, wenn sich zeigt, wie die nächste Welle von Lockerungen (ab 9.5.) ihre Wirkung auf die Neuinfektionszahlen zeigen wird. Wenn diese dann (mittelfristig – da die Regeln ja Schrittweise in Kraft treten) nicht wieder ansteigen, sondern zumindest gleich bleiben, dann hat sich die Maskenpflicht auf jeden Fall gelohnt (und ja, auch dieses halte ich inzwischen für möglich).

Was das jedoch für meine Überzeugung bedeutet, dass glaube es wäre besser, die Menschen durch Überzeugung als durch Zwang zum richtigen zu bewegen, muss ich noch überlegen. In einem anderen Artikel hier.

Siehe auch: 3-D Animation der Süddeutschen über die Wirkung von Abstand und Masken

Update 21.5.2020: Bei Hamstern wurde die Wirkung von Gesichtsmasken gegen den Corona-Virus nachgewiesen.

In der Studie sank das Infektionsrisiko gesunder Hamster um 75 Prozent, wenn die Käfige infizierter Artgenossen mit dem Stoff einfacher OP-Masken versehen waren. Bestand nur bei den gesunden Tieren ein Maskenschutz, halbierte es sich immerhin.

Quelle: Spiegel.de

Da Hamster nicht dafür bekannt sind, Hygiene-Regeln (Hände 60 sec. mit Seife waschen, Abstand halten, in die Armbeuge niesen, sich nicht ins Gesicht fassen) einzuhalten, dürfte das auch für die ignorantesten Menschen funktionieren (und bei allen anderen dürfte die Wirkung noch stärker sein).