TOI TOI Toilettenhaus- wg. Corona max 1 Person

Wir haben uns voneinander weg entwickelt. Schon lange. Zu Einzelkämpfern, Scheinselbstständigen, Einzelhöhlenbewohnern, Individualreisenden, Einzelessern, Alleinschläfern, Einzellern. Nicht durch den Coronvirus. Sondern schon lange vorher. Der Weg führte von der Stammesgemeinschaft über die Großfamilie, zur Kleinfamilie, zu DINKs 1, nach der Trennung dann zu 1-Personen-Haushalten oder (wenn mit Kids) zu Alleinerziehenden.

Das war kein Zwang. Und war zwar eine gesellschaftliche Entwicklung, aber eine die sich aus Millionen persönlichen Entscheidungen zusammen setzt. Einzelne wehrten und wehren sich dagegen – in den 60er/70er Jahren in Kommunen, später in Wohngemeinschaften und neuerdings in Wohnprojekten. Aber die Mehrheit ist (motiviert von einer Wirtschaft, die den Individualismus zum eigenen Profit als Traum verkauft) dem Trend Individualismus gefolgt.

Ein Trend der verlockend war und ist. Denn er vermeidet Konflikte, erspart Kompromisse und Rücksichtsnahme, minimiert Pflichten und ungewollte soziale Interaktionen, ermöglicht gewisse Flexibilitäten (schafft aber auch neue Abhängigkeiten) und ist durch unseren enormen Wohlstand möglich (aka käuflich).

Schon vor Corona waren die Risse im Gefüge des Individualismus sichbar. Wenn man wollte. Die meisten Menschen in der individualisierten Gesellschaft waren nicht glücklicher als die Menschen früher.

Einsamkeit ist ein Leiden vieler Menschen, das oft durch legale oder illegale Drogen, Shopping- oder TV- Konsum oder Workohlismus verdeckt wird – aber spätestens im Alter wie ein Hammer zuschlägt, wenn die Zahl der möglichen Ablenkungen sinkt und sinkt.

Adorno

Und nun mit Corona. Denn Corona deckt nun für uns alle auf, dass der Individualismus kein robustes Konzept ist. Wenn wir unserer Ablenkungn beraubt werden und feststellen, dass wir mit uns selbst allein reichlich wenig anzufangen wissen. Und in unsere privaten Höhlen alleine feststecken.

Tägl. Stimmungsbaromenter der Süddeutschen Zeitung
tägl. Stimmungsbaromenter der Süddeutschen Zeitung

Und es muss ja nicht Corona sein: Ein Atomunfall, ein Chemieunfall, ein Krieg, andere Krankheiten, Sonnestürme, der Klimawandel…. es gibt viel, das dazu führen kann, dass wir unser Ablenkungsleben für kürzere oder länger Zeit unterbrechnen müssen – ja vielleicht sogar einmal lange ohne Internet auskommen müssen (stellt euch vor: Corona ohne Internet! Ohne Facebook. Ohne WhatsApp! Ohne Videokonferenzen!).

Wir haben uns in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg daran gewöhnt, dass es immer aufwärts geht und immer besser wird. Dazu haben wir und die Politik einen nicht kleinen Teil beigetragen – aber es war auch viel Glück dabei. Historisch betrachtet erleben wir eine ziemlich einmalige Ausnahmesituation – und es gibt keinerlei Garantie, dass eine solchen Phase noch länger anhält. Aber auch keine Anzeichen, das jetzt alles den Bach runter geht – ich will hier keinesfalls Endzeit-Prophet rüberkommen.

Doch wenn wir etwas lernen wollen aus der Corona Krise, dann, ist das wichtigste vielleicht, dass wir 2 uns vom unserem radikalen Individualismus verabschieden sollten. Um gegen solche Krisen resilient – Resilienz = der Fachbegriff für unser geistiges Immunsystem – zu werden, müssen wir lernen, wieder mehr zusammen zu leben.

Das bedeutet nicht, dass ich hier die Großfamilien promoten und schön reden möchte – es gab und gibt gute Gründe aus solchen Kontroll-, Macht- und Herrschaftsstrukturen auszubrechen. Doch wenn es uns mit dem absoluten Individualismus so schlecht geht – dann müssen wir neue Wege erfinden und ausprobieren, die uns ermöglichen, sowohl im Alltag, als auch in der Krise ein Mindestmaß an Zufriedenheit (gar Glück?) zu ereichen.

Denn der Mensch ist ein soziales Wesen und blüht erst im Kontakt auf – aber er braucht auch die Möglichkeit zum Rückzug ins Private. Diese Waage zu finden – die auch in der Krise robust ist – ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Und die kann für jeden anders sein. Wohngemeinschaft, Kommune, Wohnprojekt, Zweckgemeinschaft, … sind ein paar bekannte Schlagworte. Wenn wir anfangen zu suchen, werden wir mehr Lösungen finden. Und sollten uns dabei nicht von sozialen Normen oder gelernten Regeln aufhalten lassen – brauchen wir wirklich getrennte, individuelle Räume Wohnzimmer, Schlafzimmer, Arbeitszimmer? Braucht jeder eine eigene Küche? usw.

Es gilt für jeden von uns eine Lösung zu finden. Die Jungen wie die Alten. Und Eltern sollten ihren Kindern beibringen (als Vorbilder) wie man mit anderen Zusammenleben kann, statt sich vor Konflikten zurück zu ziehen. Es ist nie zu früh oder zu spät, sich damit auseinender zu setzten – denn die nächste Krise kommt bestimmt.

Und alle, die jetzt sehr unter der Corona-Krise leiden, denen steht – so muss ich befürchten – im Alter eine sehr schwere Zeit bevor. Eine Zeit, die nicht nur Wochen, sondern möglicherweise viele Jahre dauern wird. Es sei denn, sie fangen jetzt an, etwas zu verändern. Denn Einsamkeit ist kein Schicksal – sondern eine Entscheidung.

P.S.: Manche haben in dieser Krise vielleicht auch gelernt, das sie mit der falschen Person zusammen leben. Dann ist damnächst (wenn der Lockdown vorrüber ist) ein guter Zeitpunkt, um das zu ändern. Bevor die nächste Krise kommt.

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  1. Doubble Income no Kids[↩zurück ↩]
  2. also alle, die sich im Lockdown nicht pudelwohl gefühlt haben[↩zurück ↩]