Anfangs wollte ich hier in diesem Blog auch über meine Rolle, Aufgaben und Herausforderungen als Vater schreiben. Irgendwie ist es (von meinen zahlreichen Beiträgen zur Bildungspolitik abgesehen – die ja auch dazu gehören) nie so richtig dazu gekommen.
Das hängt sicher damit zusammen, dass ich da nie echte Probleme sah / hatte. Und damit, dass es beim Schreiben natürlich schwierig ist, die abstrakten Erfahrungen und die Privatsphäre (insbesondere die des Offsprings) zu trennen. Und sicher auch damit, dass es ein großer (und oft gewagter) Schritt ist, von den individuellen – und oft situationsbedingten – Herausforderungen, Entscheidungen und Interaktionen zu allgemeinen Schlüssen und Empfehlungen zu kommen. Wenn aus meinen Statistik Vorlesungen was hängen geblieben ist, dann, dass eine Grundgesamtheit von N=1 keine gute Basis für verallgemeinernde Schlüsse ist (was man der Boulevard-Presse und insbesondere den Publikationen aus dem Hause Springer noch mal näher bringen sollte).
Anyway, der Offspring befindet sich jetzt im Endspurt auf die Volljährigkeit und soweit ich das beurteilen kann, habe ich nicht allzuviel völlig falsch gemacht. Damit wäre das Thema eigentlich (fast) abgeschlossen.
Jetzt bin ich aber über ein paar Videos aus Indien gestolpert, die eigentlich ganz gut das formulieren, was ich in all den Jahren nicht formulieren konnte / wollte / mochte und die ich hier gerne mit euch teilen möchte. Weil ich die Kernaussagen – ohne deshalb jeden einzelnen Satz zu unterschreiben – für wichtig und verbreitenswert halte. Und eben durch meine eigenen Erfahrungen bestätigt sehe.
OK, und die ich auch teilen möchte, weil er echt witzig ist. 🙂 Toller Humor.
Zwei Vorbemerkungen:
1.) Der Sprecher Jaggi “Sadhguru” Vasudev wirkt für westliche Augen erst mal optisch befremdlich (ich hielt das erste Video, das ich sah, zunächst für eine gute Montage) und triggert (bei mir) Vorurteile, in denen das Wort “Sekte” fast unvermeidlich ist. Ich habe jedoch keine Belege für solche Vorurteile gefunden und halte daher die Darstellung der Person aus der Wikipedia erstmal für hilfreich:
Jaggi “Sadhguru” Vasudev (* 3. September 1957 in Mysore, Karnataka, Indien), ist ein indischer Yogi, Mystiker und Bestsellerautor.
Wikipedia: Jaggi Vasudev
Er gründete die Isha Foundation, eine Non-Profit-Organisation, die Yoga-Programme auf der ganzen Welt anbietet und an sozialen Initiativen, Bildung und Umweltinitiativen beteiligt ist.
Er erhielt am 13. April 2017 von der indischen Regierung den Padma Vibhushan (den zweithöchsten indischen zivilen Orden) in Anerkennung seines Beitrags zum menschlichen Fortschritt.
Natürlich bleibt so jemand nicht ohne Kritik (wäre ungewöhnlich). Die Wikipedia-Diskusionsseite nennt zahlreiche Punkte, ein Blogpost setzt sich mit seinen Ansichten zu Wissenschaft auseinander. Was aber für mich keine Gründe lieferte, seine Ansichten zur Erziehung von Kindern und Teenagern nicht anzuhören.
2.) Sadhguru Ansichten decken sich über weite Strecken mit einem theoretischen (westlichen) Konzept, mit dem ich mich in meiner Jugend beschäftigt habe. Dazu werde ich im Anschluss an die Videos noch etwas schreiben.
The Truth About Raising Teenagers
How Do You Handle Teenagers?
Parenting: Raise Yourself Before You Raise Your Kids
Why Do Parents Worry So Much About Their Children?
Wenn man versucht, diese Videos in den Kontext westlicher Erziehungskonzepte einzuordnen, könnte manchen dazu verleiten, ihn in die – in Verruf gekommene – Ecke “antiautoritäre Erziehung” einzuordnen. Ich denke eher, dass er mit seinen Ausführungen dem Konzept “Anti-Pädagogik” nahe steht. Hier mal grob die Unterschiede illustriert:
Grundhaltung | Situation: Rutsche ist nass, Kind möchte rutschen | Ergebnis | |
Normale Erziehung | Ich weiss, was für das Kind am besten ist Rebellion dagegen ist normal und meist unvermeidlich | Ich verbiete dem Kind zu rustschen mit der Begründung: Dann wirtst du krank und das ist schlecht für dich. | Das Kind rutscht nicht, fühlt sich aber ggf. bevormundet -> Rebellion ist mögliche Reaktion |
Anti-Autoritäre Erziehung | Das Kind darf machen was es will – es muss seine eigenen Erfahrungen sammeln | Ich lasse das Kind rutschen. | Das Kind rutscht und wird (vielleicht) krank. |
Anti-Pädagogik | Meine Interessen stehen neben den Interessen des Kindes – die Auseinandersetzung darüber ist ein Lernprozess | Ich verbiete dem Kind zu rustschen mit der Begründung: Dann wirtst du krank und das ist schlecht für mich (weil ich dann mitleide / weil ich dann nicht arbeiten gehen kann). | Das Kind rutscht nicht, kann aber (potentiell) den Interessenskonflikt erkennen (weil transparent). |
Wer das Thema vertiefen möchte – besonders als Eltern – kann sich zumindest an dem Begriff Anti-Pädagogik orientieren und wird sicher viele interessante Bücher, Artikel und Web-Seiten zum Thema Anti-Pädagogik (verlinkt: meine vor ein paar Jahren begonnene, aber aus Zeitgründen nicht weiter gepfegte Sammlung) finden.
Wenn ich die Zeit finde, werde ich dazu noch mal etwas mehr schreiben.
#1 by Ulrich Starke on 27. Dezember 2020 - 2:33
Moin,
von hinten : Ich würde die Rutsche irgendwie trocknen (unter Einbeziehung des Kindes entsprechend seiner Entwicklung) und den Zwerg rutschen lassen.
Das Kalb lernt dabei, dass Wünsche zur Erfüllung Umwege evtl. brauchen.
Erfordert etwas Suche, die sich aber wg. der Nebenentdeckungen lohnt: Gurdjieff, der große Mystiker vor Sadhguru.
Was mich nach über 30 Jahren Lehramt umgehauen hat : André Stern .
Der schafft es aus allem etwas Positives, Liebevolles undLleichtes zu ziehen.
Wie Sorbas Tanz : ohne Choreographie und voller Hingabe.