Seit langem beobachte ich, dass die Schlagzeilen und “Artikel” der Bild maßgeblich dazu beitragen, Vorurteile zu verfestigen und weiter zu verbreiten, die Völkerverständigung zu unterlaufen und Hass und Gewalt in die deutsche Gesellschaft zu tragen. Mit Journalismus jedenfalls hat dieses Blatt nichts, aber auch gar nichts zu tun. Dabei ist keineswegs beruhigend, dass die Hetze der Redakteure dieses Blattes täglich “nur noch” von 2 Mio Menschen gekauft (und von vielen mehr gelesen) wird.
Angesichts der derzeitigen Eskalation von Brandanschlägen, rechter Gewalt und Propaganda gegen Flüchtlinge habe ich mich entschlossen, nicht länger tatenlos zuzusehen, wie Hass verbreitet wird. Ich halte die Bild für eine wesentliche Ursache davon (jedenfalls deutlich einflussreicher als zum Beispiel NPD oder AfD).
Deshalb habe ich mich einer Initiative angeschlossen, die dort ansetzt, wo für die Verantwortlichen der Schmerz beginnt: Bei den Profiten. Bild würde nie erscheinen, wenn der Springer Verlag nicht mit Werbung riesige Profite machen würde. Bild gäbe es nicht ohne die Anzeigen großer deutscher Lebensmittelkonzerne.
Hauptanzeigenkunde ist schon seit einer Weile die Rewe Gruppe – vor allem für ihren Discounter “Penny”. Für diesen wird fast jeden zweiten Tag eine Anzeige auf der Titelseite der Bild geschaltet. Finanziert wird diese Werbung aus den Umsätzen, die die Kunden in den Läden der Rewe Gruppe mit ihren Einkäufen generieren.
Folgenden offen Brief habe ich deshalb gestern für die #Bildboykott-Gruppe an den Rewe Konzern geschrieben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
es gibt in Deutschland eine Publikation, die – wie keine Andere – pauschal gegen Minderheiten und ganze Völker (zur Zeit bevorzugt: „Die Griechen“) hetzt, Vorurteile verbreitet und pflegt, für rechtsradikale Bewegungen als Stichwortgeber dient, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien verhöhnt, die Menschenwürde mit Füßen tritt und die Völkerverständigung sabotiert. Und nicht davor zurückschreckt, zu diesem Zweck auch Falschmeldungen und Lügen zu verbreiten*.
Diese Publikation wird maßgeblich von Ihrem Unternehmen finanziert. Nahezu jeden zweiten Tag schalten Sie für die Penny-Supermärkte eine Anzeige an der prominentesten (und teuersten) Platzierung auf der Titelseite der Bild. Ohne Ihr Engagement könnte die Bild ihr Gift kaum verbreiten. Und dass, obwohl täglich nicht wenige von dieser Hetze betroffenen Menschen in Ihren Supermärkten arbeiten oder einkaufen.
Wir verstehen nicht, wie Sie Ihr Engagement für diese Publikation mit Ihrer persönlichen und unternehmerischen Verantwortung in Einklang bringen können. Deshalb nehmen wir Sie in die Verantwortung.
Da wir nicht annehmen, dass Sie direkten Einfluss auf die Inhalte der BILD haben, fordern wir Sie auf, Ihre Werbung in der BILD einzustellen.
Wir geben Ihnen dazu bis zum 1.10.2015 Zeit. Wenn Sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich oder uns gegenüber erklärt haben, dass Sie keine Werbung mehr in der Bild schalten werden, werden wir alles tun, um in der Öffentlichkeit Ihre Verstrickung mit der Hetze der Bild bekannt zu machen, damit Ihre Kunden die Möglichkeit haben, aktiv zu entscheiden, welche Art von Kommunikation sie mit ihren Einkäufen finanzieren.
Wir werden dazu Pressemitteilung, Videos, Prominenten-Statements, Protestaktionen vor Ihren Märkten, Zeitungsanzeigen, Web-Seiten, Blogs, Social Media-Statements, Aufklebern, T-Shirts, usw. vorbereiten. Und werden unsere Aktivitäten erst beenden, wenn Sie unserer Forderung nachkommen – selbst wenn das Jahre dauern sollte. Denn jede weitere Hetze der Bild wird unseren Protest befeuern und dem Ansehen Ihres Unternehmens schaden.
Auch diese Vorbereitungen werden bereits öffentlich stattfinden und dem Ansehen Ihres Unternehmens möglicherweise nicht förderlich sein. Falls Sie sich daher bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu einer Beendigung ihrer Unterstützung der Bild entschließen können, würden wir Ihnen und uns dieses gern ersparen.
Wir bedauern, dass Sie bisher keine Probleme mit der Werbung in der Bild sahen und wir diesen Weg wählen müssen, um Sie an Ihre Verantwortung zu erinnern. Wir hoffen jedoch– auch im Interesse Ihrer Kunden und Mitarbeiter – auf Ihr Verständnis
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Buchholz
P.S.: Das oben gesagte gilt natürlich auch für alle anderen Unternehmungen der Rewe-Gruppe
* Das ist offiziell dokumentiert: Die Bild erhält seit Jahren rund 10-mal so viele Rügen des Deutschen Presserates wie jede andere Publikation in Deutschland!
Ziel ist es, dem Springer Verlag zu zeigen, dass er mit der Bild zukünftig keine Profite mehr machen wird, wenn mit ihr weiter Hetze verbreitet und politische Kampangnen betrieben werden. Ich würde mich freuen, wenn auch Du unsere Initiative unterstützen würdest. Zum Beispiel, in dem du selbst einen E-Mail oder einen Brief an die Rewe Gruppe schreibst (eine Vorlage und die Adressen dafür) und vielleicht auch deine Freunde ermutigst, das zu tun.
Darüber hinaus sucht die #Bildboykott- Initiative weitere Unterstützer für Öffentlichkeitsarbeit, Recherche, Grafik, Texten, Videos, Werbung. Mehr Infos hier:
#Bildboykott – gegen Springers Hetzblatt
Siehe auch: Weitere Einträge in der Rubrik Journalismus
Die Welt: Wie man aus heißer Luft eine Story für den rechten Zeitgeist macht
ein furchtbares Beispiel, wie sich die Bild-Hetze im Alltag n Deutschland auswirkt
Kritik an der Kritik an der Ideologie vom totalen Buchmarkt
Schlafende Kulturhauptstadt Darmstadt
Plädoyer für die Einführung von “Medienkunde” in allen Alterstufen und Schulformen
Keinen Neun-mal-Sechs Beitrag mehr verpassen: Das E-Mail Abo nutzen.
#1 by Carola on 3. August 2015 - 12:40
Tolle Aktion! Da mache ich mit.
Danke dafür!
Caro
#2 by Carsten on 4. August 2015 - 11:48
Toll! Noch jemand?
#3 by Daniele on 11. August 2015 - 17:02
Hallo Carsten,
ich finde die Idee im Grunde nicht schlecht. Allerdings ist der Brief meiner Meinung nach weniger gut gelungen. Die ersten vier Abschnitte sind noch ganz okay (bis auf z.B. ein paar unwichtige Detail, wie, dass es zurzeit (nach deinem Eindruck) die Griechen sind, die von der Bild in Verruf gebracht werden).
Die “Drohung” mit der Frist bis zum 01.10. wirkt aber lächerlich und wird, wie ich glaube, von keinem Entscheidungsträger der Rewe Group ernstgenommen werden. Zum einen ist die Frist sehr kurz – es ist fraglich, ob bis zu diesem Zeitpunkt genug Leute diesen Brief überhaupt versandt haben werden. Zum anderen ist der Erfolg der Durchführung der angedrohten Konsequenzen zweifelhaft. Es gibt schon einige Aktionen gegen die Bild und das Risiko, dass eine kleine Gruppe von Leuten (die max. Anzahl an Kommentaren in den neueren Posts der verlinkten Seite war drei) eine kritische Masse mit ihrer Werbeaktion erreicht, ist gering.
Alles in allem wirkt der Brief unseriös und grenzt schon fast ein bisschen an eine Hasstirade. Rechtschreibfehler (z.B. “möglicher Weise”) und die Wortwahl an einigen Stellen (z.B. “das Gift”) unterstützen den unseriösen Eindruck noch. Das Unterstellen einer “Verstrickung mit der Hetze der Bild” ist auch nicht angemessen und stimmt wohl weniger mit der Realität überein, ist doch eher vom strikten Verfolgen finanzieller Interressen bei beiden Unternehmen auszugehen.
Kurz: Ich glaube nicht, dass dieser Brief den Rewe-Vorstand beeindrucken wird. Eine einfache Bitte mit dem Verweis auf die unternemerische Gesellschaftsverantwortung fände ich besser.
#4 by Carsten on 12. August 2015 - 20:43
Hallo Daniele,
danke für dein ausführliches Feedback (und auch den Hinweis auf Rechtschreibfehler).
Dass jedeR meine Formulierungen teilt, hatte ich nicht erwartet – es ist explizit ein persönlicher Brief, der meine Sicht wieder gibt. Und ja, für mich ist das ein emotionales Thema und das kann (und will) ich nicht ausblenden. Ich weiß, dass andere Menschen andere Briefe geschrieben haben. Es ist trotzdem gut zu wissen, wie er so ankommt. Werde ich sicher daraus lernen und es das nächste Mal vielleicht besser machen (es ist meine erste Aktion dieser Art).
Zum Termin: Für mich ist es nur fair, Rewe wissen zu lassen, wann wir uns an eine breitere Öffentlichkeit wenden werden und wie lange sie Zeit haben, zu reagieren.
Ob wir es tatsächlich schaffen, all diese Maßnahmen auf die Beine zu stellen, ist natürlich ungewiss. Aber ein paar davon sind schon in der Vorbereitung und andere werden dann nach und nach folgen. Lass dich nicht von der Anzahl der Kommentare täuschen. Unsere Generation ist berufstätig (und hat meist Familie) und kommentiert daher in Blogs nicht so viel wie die jüngeren Menschen.
Auch wenn du meinen Brief so nicht unterschreiben würdest – vielleicht schickst du deinen eigenen Brief an Rewe? Hier die Kontaktdaten:
REWE-Zentral-Aktiengesellschaft
Domstraße 20
50668 Köln
E-Mail:
info@rewe-group.com
Oder wir machen einen kleinen Wettbewerb: Du nimmst einen anderen Werbekunden der Bild und versuchst ihn mit deinen Methoden dazu zu bringen, keine Werbung mehr in der Bild zu schalten. Was hältst du davon? Dann sehen wir, wer schneller erfolgreich ist.
Gruss
Carsten
#5 by upsi on 12. August 2015 - 21:56
dieser brief dürfte, da er doch stark in richtung erpressung geht, rechtswiedrig sein und (wenn er rewe überhaupt juckt) polizeiliche ermittlungen nach sich ziehn. bei solchen schreiben sollte man vorher einen anwalt zu rate ziehn. lieber ne petition bei fb oder so starten, das erreicht wahrscheinlich mehr menschen und ist rechtlich unbedenklich gestaltbar.
#6 by Carsten on 12. August 2015 - 23:30
Natürlich habe ich mich vorher informiert und die Rechtslage ist eindeutig: “Erpressung” ist, wenn jemand “sich selbst oder Dritte rechtswidrig durch Gewalt oder durch Androhung eines empfindlichen Übels zu Lasten eines anderen zu bereichern” versucht.
In diesem Fall sind weder die Mittel rechtswidrig, noch geht es darum, jemanden zu bereichern.
Ne Petiton allein wird Rewe völlig egal sein.
#7 by Benno on 13. August 2015 - 0:08
Die beste Aktion zu dem Thema, die ich bisher gesehen habe. Könnte tatsächlich ein Erfolg werden. Bin dabei und drücke euch die Daumen!
#8 by Carsten on 13. August 2015 - 0:09
Danke!
#9 by Mark on 28. Oktober 2018 - 6:26
Hat denn REWE jemals auf dieses Schreiben reagiert?
Wäre interessant, das zu erfahren.
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