Jutta Ditfurth ist eine Person des öffentlichen Lebens, deren Werdegang ich seit meiner Jugend so aus dem Augenwinkel verfolge. Damals eine Flügelkämpferin bei den Grünen hat sie sich u.a. dagegen gestemmt, dass die Grünen eine Partei des Kapitalismus werden. Sie hat später die Grünen verlassen, statt sich in der Hoffnung auf einen Ministerinnenposten anzupassen. Seither hörte ich immer mal wieder etwas von ihr – sei es als streitbare Publizistin, sei es über ihre Kleinpartei ÖkoLinX – Antirassistische Liste.
Man muss nicht ihre Positionen teilen, um Achtung vor der Konsequenz ihres Lebenswerkes zu haben.
Zuletzt tauchte sie wieder häufiger in meiner Wahrnehmung auf. Weil sie sich kritisch zur Klima-Schutz Bewegung „Exstiction Rebellion“ geäußert hatte – der ich hier im Blog auch schon einen – positvien, aber wenig inhaltlichen – Beitrag gewidmet hatte. Ich nahm die Überschrift (s.rechts) wahr (in dem Augenblick hatte ich keine Zeit, den Artikel zu lesen) und speicherte ab: Vielleicht muss man die „Exstiction Rebellion“ Bewegung doch etwas krtischer sehen, als mir die positiven Presse-Artikel, die ich bis dahin gelesen hatte, nahelegten (hier ihre Kritik in der Frankfurter Rundschau). Denn ich schätze Jutta Dithfurt als kritische Denkerin – ohne deshalb gleich ihre Positonen zu teilen.
Bevor ich mich jedoch näher mit der „Exstiction Rebellion“ beschäftigen konnte, tauchte die Überschrift immer wieder auf – im Gesichtsbuch. Ungewöhnlich oft, und ungewöhnlich lange. Normalerweise rauschen die Headlines so durch, manchmal von ein paar Freunden erneut gepostet, aber dann verschwinden sie im digitalen Heuhaufen und wenn ich sie später dann doch brauche, muss ich die Suchmaschinen bemühen.
Nicht so hier – Jutta sah ich plötzlich fast jeden Tag. Über Wochen. Das fand ich dann doch etwas verdächtig und ich schaute näher hin. Und tatsächlich – jemand bezahlte dafür, dass mir Jutta immer wieder begegnete. Der Sceenshot oben ist eine Anzeige, die die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schaltete. Die allerdings das Gegenteil von dem erreichte, was beabsichtigt war.
Ich las weder den Artikel (ich lasse mich ja nicht manipulieren) noch abonierte ich die FAZ. Sondern ich wunderte mich, warum eine Zeitung, die politisch ehr rechts steht und definitiv „das Kapital“ repräsentiert – ausgerechnet mit dem Interview mit einer konsequent linken, strikt anti-kapitalistischen Frau wirbt.
Erste Hypothese: Sie wollen sich neue Lesergruppen erschließen.
Anti-These: Jutta ist in der deutschen Bevölkerung nur noch einer kleinen Gruppe von älteren Menschen wirklich ein Begriff. Und der größte Teil dieser Fossilien – zu denen ich gehöre – steht Juttas Positionen eher kritisch bis ablehnend gegenüber (und ihre potentiellen Abos haben keine so lange Laufzeit mehr). Meinem Nachwuchs ist Jutta z.B. gar kein Begriff mehr. Bessere Werbung ließe sich sicher mit Personen wie Carola Rakete, Habbeck oder Precht machen – die kommen in allen Generationen gut an.
Synthese: Vielleicht hat das Gesichtsbuch durch die Analyse meines Profils darauf geschlossen, dass ich – z.B. von meinem Alter, meinen Kontakten und meinen Postings her – aufgeschlossener für eine Werbebotschaft von Jutta sei als von den anderen oben genannten SympathieträgerInnen und hat mich deshalb gezielt an die FAZ verkauft. Richtig ist das nicht. Aber auszuschließen auch nicht.
Etwas schlüssiger scheint mir jedoch folgende Überlegung:
Zweite Hypothese: Der FAZ (als Zeitung des Kapitals mit entsprechend denkender Belegschaft) findet den Einfluss der Klimaschutzbewegung bedenklich und für die Interessen des Großkapitals schädlich. Das Interview mit Jutta ist Teil eines Versuches, die Spaltung der Bewegung zu betreiben – ein Keil zwischen die politischen und naiven Teile der Bewegung. Und wer kann das glaubwürdiger tun, als eine etablierte Linke.
Anti-These 1: Auch hier greift das Argument, dass Jutta für die Akteure der Klimaschutzbewegung nicht unbedingt relevant ist. Und das Gesichtsbuch ist gar nicht unbedingt das Medium dieser Generation.
Synthese: Artikel und Werbung zielen auf die Generation der Eltern ab, über die Einfluss auf die Jugendlichen (mein Nachwuchs macht nächstes Jahr Abi) genommen werden soll. Und bei der der Begriff „Sekte“ tatsächlich Ängste auslöst. Psychologisch geschickt. Und wieder wurde ich gezielt vom Gesichtsbuch an die FAZ verkauft.
Bis gestern war ich unentschlossen, welche der beiden Theorien ich glaubwürdiger finden sollte. Dann fand ich dann diese Meldung hier:
Wie Jutta Ditfurth darf auch Peter Gauland (AfD) in der FAZ zu Wort kommen. Öfter als Jutta. Das passt zu politischen Grundausrichtung der FAZ, die eben eher das große Geld bedient als die Arbeiterinnen.
Auch wenn ich es als Demokrat ablehne, Anti-Demokraten einen solchen Platz zur Selbstdaststellung zu geben – als Ex-Journalist könnte ich zumindest nachvollziehen (ohne es gut zu heißen), dass eine Presseorgan seinen Lesern auch die Gegner der Pressefreiheit vorstellen und erklären will.
Aber es ist nun ganz offensichtlich, dass das nicht die Motivation der FAZ ist. Denn es ist ein Ding, solche Positionen zu Wort kommen zu lassen, aber etwas anderes, sie zur eigenen Geburtstagsfeier einzuladen.
Zum Geburtstag (insbesondere, wenn er in einem Restaurant und nicht in einer Halle gefeiert wird) lädt man Freunde ein – und damit ist Gaulands Anwesenheit bei der Geburtstagsfeier der FAZ ein klares politisches Statement. Jemand wie Gauland wird nicht aus Versehen eingeladen. Da muss ich auch der taz wiedersprechen, die das zumindest für möglich hält. Und Jutta war natürlich nicht dort eingeladen.
Halten wir also fest: Die Zeitung des Kapitals umarmt die neuen Rechtsradikalen freundlich. Und nutzt eine alte Linke, um die junge Umweltbewegung zu spalten.
Klingt dir das nach zu viel Verschwöringstheorie? Dann empfehle ich das (alte, aber immer noch relevante) Buch „Manufactoring Consent – The Political Economy of the Mass Media“ von Noam Chomsky und Edward Herman.
Aber vielleicht man muss gar nicht soweit zurück gehen. Im August 2019 erschien Jutta Dittfurths neues Buch:
»Haltung und Widerstand – in ihrem neuen Buch fordert Jutta Ditfurth genau diese Tugenden ein im Kampf gegen die fortschreitende Rechtsverschiebung unserer Gesellschaft.
(Osburg Verlag)
Eine ebenso klarsichtige wie faktenreiche Streitschrift wider die dumpfe Renaissance gefährlicher politischer Ideen, gegen Rassismus, Antisemitismus und völkisches Denken.
Eine leidenschaftliche Analyse der Wurzeln der neuen Rechten, ihrer Strategien und ihrer Wirkung bis in die bürgerliche Mitte hinein.
Historisch fundiert, brisant und hochaktuell.«
Nun, die FAZ ist definitiv infiziert. Das Kapital nutzt die Nazis, um die Linke zu bekämpfen. Und Jutta Ditfurth.
Und um das noch einmal klar zu stellen: Das Problem ist nicht, dass Jutta Ditfurth die „Exstinction Rebellion“ kritisiert (das mus sund soll möglich sein) – sondern, dass eine Zeitung der bürgerlichen Mitte und des Finanzkapitals das benutzt. Und gleichzeitig mit der AfD Partys feiert.
Und um noch mal klar zu stellen, welche Partei die FAZ zur Party einlädt:
Siehe auch:
The big, fat, fake AfD Swindle: Anti-Euro-Partei mit Identitätsdiebstahl und Urheberrechtsverletzung
Hajo Funke und die Verschwörung der V-Nazis
Über Überraschungen: Der MAD & die Bundeswehr-Nazi-Terroristen
AfD Darmstadt aktiv gegen Meinungsfreiheit
Pingback: Hand in Hand: Das Großkapital & die Nazis | Neun Mal Sechs