Der eiserne Zitzmann: Das Profilfoto von Stefan Zitzmann auf Xing.

Ich spüre eine Erschütterung der Macht. Der Macht in Darmstadt. Denn Herr Zitzmann will kandidieren. Zur Kommunalwahl am 14. März 2021.

Bevor ich hier nun über meine – unwesentliche – Meinung dazu und die politischen Implikationen dieser Entscheidung schreibe, möchte ich etwas Grundsätzliches vorweg schicken:

Ich finde das gut! Weil unsere Demokratie darauf basiert, dass sich gegensätzliche und streitbare Positionen auch zur Wahl stellen (mehr dazu in meinem Artikel Politik ist….). Und so möchte ich auch diesen Kommentar dazu verstanden wissen: Als eine kritische Auseinandersetzung mit einem Schritt, den ich ganz grundsätzlich begrüße – auch und besonders weil Herr Zitzmann und ich wohl nie politisch einer Meinung sind und sein werden1.

Herr Zitzmann und ich haben Vergangenheit. Mehr als ihm bewußt ist. Diese ist die Basis meiner Grundsatzkritik an seiner Person und an seinen politischen Positionen. Deshalb will ich sie für alle (auch für ihn) offen legen:

1.) Dieser alte Witz meiner Studienzeit ist der Schlüssel zu unserem ersten Kontakt:

Wer nichts wird, wird Wirt. Wer gar nichts wird, wird Volkswirt.

Ich bin Volkswirt. Zitzmann ist Wirt, Gast Wirt.

Hillstreet No. 73
Damals: Das Hillstreet No. 73

In seinem Club „Hillstreet No. 73“ in der Hügelstraße 73 in Darmstadt habe ich ihn das erste Mal (und noch ein paar Mal mehr) getroffen. Anno dazumal. Er wird sich nicht an mich erinnern. Ich gehörte nicht zu den Leuten, mit denen er sich anfreundete.

Coole Location im Gewöbekeller, stylish, hip. Aber auch der Treffpunkt einer Szene, die sich für cooler, für etwas besonderes, für eiltärer, ja überlegen im Vergleich zu den normalen Menschen der Stadt und des Landes hält. Und Alkobhol-gestützt – über die Anderen – ablästert.

Den Hillstreet No. 73 gibt es nicht mehr, Herr Zitzman ist jetzt Berteiber eines anderen Etablissements im/am Martinsviertel. Dieses habe ich noch nie besucht – fühlte mich weder dahin gezogen, noch haben Gelegenheit oder Alkohol-Durst dazu geführt (jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern 😉 ).

2.) Quasi nebenbei hat Herr Zitzmann ein erfolgreiches Online Projet gestartet. Auf einer Social Media Plattform hat er eine „Darmstadt“ Gruppe gegründet2, die heute rund 22.000 Mitglieder hat. Das sind jetzt nicht alle seine Fans (die meisten kennen seinen Namen vermutlich nicht mal) – die Plattform ist grundsätzlich politisch und weltanschaulich offen für alles mögliche.

In dieser Gruppe war Herr Zitzmann als „Moderator“ in Vergangenheit3 sehr schnell darin, Menschen einfach rauszuwerfen, die pointiert Meinungen vertraten, die seiner eigenen zuwieder liefen. Nicht nur bei Verstößen gegen geltendes Recht oder den guten Umgang miteinander – sondern auch in Fällen, in denen der Grund – zumindest für mich als Beobachter – nur durch Ablehnung der Meinung oder der Person erklärbar war. Grundsätzlich ist es natürlich legitim, in dieser Weise das Hausrecht auszuüben. Aber ich fand es (besonders im Vergleich zu ähnlichen Gruppen) schon auffällig – und es zeugt nicht gerade von einer „liberalen“ Haltung.

3.) Im Rahmen dieser Gruppe haben Herr Zitzmann und ich vor ein paar Jahren auch direkt ein paar Diskussionen geführt. Ich diskutiere ja gern und habe durchaus Spass daran, die Argumente auch mal zuzuspitzen – wie Herr Zitzmann es auch gerne tut. Dabei habe ich jedoch die leidige Erfahrung gemacht, dass er gar nicht verträgt, wenn jemand mit gleicher Härte und Schärfe wie er diskutiert und sich schnell, ja sehr schnell beleidigt fühlt. Das kann man Arroganz nennen – oder fehlende Selbstreflexion. Ich hab mich dann immer entschuldigt – und nach ein paar Mal dann gar nicht mehr mit ihm diskutiert. Macht keinen Spass mit so jemandem. Und führt nicht zu Erkenntnissgewinn.

Zitzmann will für Darmstädter CDU antreten
Darmstädter Echo: Kostenpflichtiger Artikel

Soweit zu meinen persönlichen Erfahrungen mit Herrn Zitzmann. Damit ist wohl klar, dass ich ihn nicht besonders mag (obwohl ich ihn gelegentlich durchaus unterhaltsam finde). Er mich vermutlich auch nicht. Was ihn noch nicht per se zu einem schlechten Kandidaten macht (fast jedenfalls). Ich will hier aber darlegen, warum ich seine Kandidatur auch aus politischen Gründen nicht unterstütze / für unterstützenswert halte:

Den ersten Grund hat er selbst geliefert: Arroganz.

Laut Presse will er antreten: „Gegen die Arroganz der […] Macht“. Das ist aus meiner Erfahrung mit ihm (siehe oben) erstens lustig, weil „Arrogant“ wohl das eine Wort wäre, mit dem ich ihn beschrieben hätte, wenn ich ihn mit einem Wort hätte beschreiben müssen. Irgendwie kann ich mir ihn beim besten Willen nicht als den toleranten, nach allen Seiten offenen OB vorstellen. Aber das mag an meiner begrenzten Fantasie liegen. Oder an seinem Profil-Banner auf Gesichtsbuch:

Zitzmann's Motto:: Go Fuck yourself
Zitzmanns Botschaft: „Go fuck yourself!“

In „Gegen die Arroganz der Macht“ liegt aber noch ein zweiter selbstironischer Aspekt: Denn die „Macht“ in Darmstadt haben primär zwei Parteien: Die Grünen und die CDU. Gemeinsam. Aber Herr Zitzmann will ausgerechnet für eine dieser beiden Macht-habenden kandidieren. Nämlich die CDU (siehe auch Jörg Helénes lakonische Feststellung der Absurdität dieses Statements und der Kandidatur).

Wahlergebnis 2016
Quelle: Stadt Darmstadt

Nun ist diese CDU… – nein, das ist falsch… Richtig ist, dass die arroganteste Maßnahmen des Magistrats von Darmstadt (die von Gerichten klar als Grundgesetzwiedrig abgeurteilt wurde und btw. der Stadt und damit den Steuerzahler:innen Darmstadts einen ordentlichen Haufen Geld gekostet hat) nun ausgerechnet von einem Referenten der CDU aus ging: Rafael Reißers selbstherrlichem Stadtverbot für Fans der Eintracht Frankfurt. Will Zitzmann also „die Arroganz der Macht“ von innen heraus bekämpfen?

Nein, denn seine Motivation ist eine andere. Es ist der Anti-Grüne Reflex eines alten, weißen Konservativen, der Veränderung ablehnt, die ihm (persönlich) unangenehm ist. Vor allem in der Verkehrspolitik (wo er z.B. mit den GegnerInnen der Lichtwiesenbahn sympatisiert – und nix gegen Radfahrer hat, solange man sie nicht vor agressiven AutofahrernInnen und SUVs schützem will). Und diese grüne Politik – obwohl von einem klaren politischen Mandat getragen – als Arroganz auslegt. Weil sie seine persönlichen Ansichten nicht berücksichtigt. Die von Einem, der fest glaubt, zur Elite zu gehören und jetzt feststellen muß, dass das die Menschen in Darmstadt nicht mal interessiert.

Meine politische Kritik an Herrn Zitzmann geht jedoch noch weiter: Denn in all den Jahren flüchtiger Bekanntschaft habe ich von ihm keinen einzigen konstruktiven Vorschlag im Gedächtnis, kein Vision, nicht mal eine Idee wie oder wohin sich Darmstadt entwicklen soll. Auch die Ankündigung seiner Kandidatur im Echo enthält – auch beim sorgfältigem Lesen – keinen einzigen Hinweis, wofür sich Herr Zitzmann einsetzen will. Oder wie (und welche) der konkreten Probleme der Darmstädter BürgerInnen er lösen will. Es bedarf wenig Scharfsinn, um zu verstehen, dass seine Kandidatur vor allem von einem negativem, ablehnendem Impuls getrieben wird.

Siztverteilung im Rat der Stadt Darmstadt nach der Kommunalwahl 2016
Quelle: Wikipedia

Ob sich die Idee von Paul-Georg Wandrey, dem „jungen“ CDU-Kreisvorsitzenden, Zitzmann anzuwerben, also für die CDU lohnt, bleibt abzuwarten. Schon vor der letzten Kommunalwahl 2016 kochte die Stimmung der Lautsprecher in Zitzmanns Social Media-Gruppe massiv gegen die Grünen – nur um diese dann von den WählerInnen erneut deutlich als stärkste Fraktion gewählt zu sehen (2016: 29,7% 21 Sitze). Zitzmann dürfte der CDU (2016: 18,2% 13 Sitze) also kaum neue WählerInnnen bringen. Schon gar keine jüngeren (die die CDU dringend bräuchte).

Und wie lange Herr Zitzmann („der Geist, der stets verneint“) der CDU treu bleibt, bleibt abzuwarten. Denn Kommunalpolitik ist ein eher mühsames Feld, dass dauerhaftes Engagement erfordert – ohne dass damit viel Ruhm verbunden ist.

Was ich aber – bei aller inhaltlicher und stilistischer Kritik – an Herrn Zitzmann, gut finde: Seine klare Abgrenzung zu allen Rechts-Populisten und Rechtsradikalen. Er mag konservativ sein, er mag rechts sein, er mag negativ sein – aber er kennt und hält (soweit ich das bisher beurteilen konnte) bewußt und aktiv sowohl die inhaltliche als auch persönliche Distanz zu allen Nazis und irr(ational)en Verschwörungstheoretikern.

Mit seinem emotionalen Austeilen gegen die Grünen und ihre Politik wird er es wohl sogar schaffen, ein paar Stimmen von der AfD (2016: 9,2%, 7 Sitze) zurück zu gewinnen – aber für CDU-Mehrheiten reicht das in Darmstadt nun lange nicht.


Was natürlich auch die Frage auslöst, wie ich mich zur Kommunalwahl positioniere. 2016 habe ich noch (in langen Nacht-Sessions) Fragebögen erstellt, an alle KandidatInnen verschickt und die Rückläufer ausgewertet. Die dazu nötige Distanz (schon damals grenzwertig) fehlt mir inzwischen. Ich habe – damals und danach bei ganz verschiedenen Anlässen – unterschiedlichste Personen aus der Lokalpolitik kennen gelernt und mir Meinungen gebildet, die zu differenziert und persönlich sind, um jetzt wieder – für meine persönliche Meinungsbildung – auf ein solches Mittel zurück fallen zu können. Und das (mir gegenüber geäußerte) öffentliche Interesse an einem solchen Hilfsmittel war zwar da, aber nicht groß genug, um den Aufwand noch einmal allein zu stemmen4.

Was nicht heißt, dass ich nicht aktiv werden werde. Ich habe einige Ideen und auch schon ein paar Gespräche geführt. Und zwei Domains reserviert. Mehr demnächst hier.

  1. Ausnahmen würden diese Regel nur bestätigen.[↩zurück ↩]
  2. keine nähere Info, weil ich es mir zum Prinzip gemacht habe, geschlossene Plattformen hier nach Möglichkeit nicht zu bewerben[↩zurück ↩]
  3. Heute moderiert ein Team die Gruppe, sodass Herr Zitzmann und seine Ansichten eine geringere Rolle spielen[↩zurück ↩]
  4. Mitmachen und unterstützen würde ich sowas aber auf jeden Fall[↩zurück ↩]