Eines der Dinge, die ich in der Schule gelernt habe, ist, das die United States of America (USA) nicht gleich Amerika sind.
Das mag banal klingen. Ist es aber nicht. Denn nicht nur umgangssprachlich ist es gang und gebe, dass, wenn die USA gemeint sind, leider oft gleich der gesamte Kontinent (von dem die USA nur ein kleiner Teil sind) genannt wird.
Das hier ist Amerika:
Früher haben wir gelacht, wenn US-Amerikaner BRD und DDR nicht auseinander halten konnten – oder schlimmer: Nicht einmal wußten, dass Deutschland in zwei Teile geteilt war. Die Unfähigkeit (bzw. der Unwille) zwischen den USA und Amerika zu unterscheiden, bewegt sich in etwa auf gleichem Niveau.
Neben der Tatsache, dass die Gleichsetzung von USA und Amerika einfach sachlich völlig falsch ist, hat sie noch eine weitere Komponente: Die USA haben den Rest des amerikanischen Kontinents immer gern als ihr Eigentum betrachtet. Das drückte sich nicht nur in Sprache und gelebter Arroganz aus, sondern durchaus in (Völkerrechts-widrigen) Militär-Interventionen, Korruption, Installation und Unterstützung von ihnen gewogenen Diktatoren und Militär-Putschen, Morden an US-Kritikern, Folter, Versklavung von Arbeitern von US Unternehmen, u.s.w.
Die USA als “Amerika” zu bezeichnen ist daher nicht nur eine Beleidigung der Mexikaner, Brasilianer, Argentinier, Chilenen, Nicaraguaner, Kanadier, Kubaner, Equadorianer, Uruguayo, Belizen, Guatemalteken, Salvadorianer, Kolumbianer, Hondurianer, Venezolaner, Peruaner, Bolivianer, Paraguayaner, Ticos/as, Panamaer, Guyanianer, Bahamaer, Jamaikaner, Haitianer, Dominikaner, Antiguaner, Surinamianer, Barbudarianer, Barbadorianer, Grenadianer, Puerto Ricaner, Anguillaner, Sabarianer sowie natürlich auch der Bewohner der Turks- und Caicosinseln, Jungferninseln, St. Martin, Sint Eustatius, Saint-Barthélemy, Guadeloupe, Martinique, St. Kitts und Nevis, St. Lucia und St. Vincent1 – sondern auch eine Ignoranz gegenüber den Konflikten der Vergangenheit und Gegenwart auf dem Kontinent.
Einer solchen Ignoranz (und Beleidigung) hat sich jetzt ausgerechnet das Hausblatt des deutschen Großbürgertums schuldig gemacht, welches das dreigliedrige Schulsystem, alte Rechtschreibung und Hochkultur (und das Großkapital) entschiedener mit Feder & Druckerschwärze verteidigt, als Demokratie und Menschenrechte. Da greife ich natürlich sofort zum Rotstift:
Völlig unjournalistisch diese Überschrift (US-amerikanisch: Headline) – auch weil sie natürlich eine echte Falschmeldung verbreitet. Denn in Amerika (also dem richtigen) gibt es längst weit über 4 Mio Corona-Fälle.
Natürlich könnte ich auch noch rummäkeln, dass ein Land eh nichts “melden” kann. Sondern nur eine Person oder eine Organisation. Und das die Überschrift journalistisch fahrläßig den Eindruck erweckt, dass es offizielle Zahlen sind. Dabei ist die Quelle der Information lediglich eine einzige Universität, die niemand zum Sprecher der USA ernannt hat. Aber geschenkt – denn man darf ja vom deutschen Qualitätsjournalismus nicht zu viel verlangen.
Aber das die Profi-Journalisten der FAZ an den Unterschied zwischen USA und Amerika kennen und die Begriffe korrekt verwenden, das würde ich schon als Mindeststandard voraussetzen. Dem Provinzblatt Darmstädter Echo würde ich das vielleicht durchgehen lassen – aber das lese ich deshalb ja auch nicht als Quelle für wichtige (weltpolitische) Informationen.
Natürlich habe ich versucht, die FAZ auf diesen Fehler aufmerksam zu machen – aber ich habe weder eine Reaktion erhalten, noch hat man in der Online-Ausgabe den Fehler korrigiert. Was ja ganz einfach wäre – und keine Minute dauern würde.
Aber diese Ignoranz der sog. “Qualitätspresse” sich mit ihren Leser:innen gar nicht auseinander zu sezten und auch nachgewiesene Fehler unkorrigiert weiter zu verbreiten, kenne ich ja bereits von meiner Demontage eines Artikels der “Welt”. Dagegen ist dieser “Patzer” der FAZ natürlich eine Kleinigkeit – und einige werden sagen: “Was regeste dich denn bloß so auf” – aber für mich (als Ex-Journalist) ist dass einfach ziemlich unprofessionell. Guter Journalismus fängt für mich bei den kleinen Dingen an. Wie kann ich einem Medium mit großen Themen trauen (die ich in der Regel nicht selbst überprüfen kann), wenn es schon bei den kleinen Dingen schlampt?
Deshalb dieser Beitrag zur Allgemeinbildung und Journalistenausbildung.
P.S.: Und natürlich passieren Fehler (das ist menschlich) – aber dann zeigt man sich wenigstens offen für Kritik und korrigiert. Auch ich mache Fehler. Hier sogar recht viele (Rechtschreib-und Tippfeher vor allem). Aber ich werde für meine Schreiberei hier a) nicht bezahlt und b) verlange von meinen Leser:innen auch kein Geld (b.z.w. von Werbekunden). Und wenn mich jemand auf Fehler hinweist, dann bin ich dafür dankbar und korrigiere sie. Und bedanke mich für den Hinweis.
Siehe auch:
16 für 2016 – meine Wünsche an JournalistInnen
Weitere Einträge in der Rubrik Journalismus
Journalismus: Die Zuckerberg-Blamage
Die Welt: Wie man aus heißer Luft eine Story für den rechten Zeitgeist macht
ein furchtbares Beispiel, wie sich die Bild-Hetze im Alltag n Deutschland auswirkt
Kritik an der Kritik an der Ideologie vom totalen Buchmarkt
Plädoyer für die Einführung von “Medienkunde” in allen Alterstufen und Schulformen
- Es gibt weitere Inseln und Inselgruppen, die manchmal zu Amerika gezählt werden – wieweit sie sich aber selbst dazu zählen, kann ich nicht beurteilen und will es daher bei dieser Aufzählung belassen.[↩zurück ↩]
#1 by Miller on 9. Juli 2020 - 22:53
“Und wenn mich jemand auf Fehler hinweist, dann bin ich dafür dankbar und korrigiere sie.”
Okay, eine Frage in diesem Zusammenhang: ist es Absicht, daß da oben jede Menge Einwohner aufgelistet sind (Dominikaner, Antiguaner, Surinamianer, ..) und mitten drin “Puerto Rico” steht – und nicht “Puerto-Ricaner”?
Aber allgemein meine volle Zustimmung für diesen Artikel!
#2 by neunmalsechs on 10. Juli 2020 - 0:17
Einfach ein Feher. Danke, korrigiere ich.