Am Sonntag ist Europawahl.
Erinnerung: Vor sieben Jahren hab ich mich bei den #Piraten engagiert. Dann haben Egomanen (die sie nicht loswerden konnten) die Partei zerstört.
Zuletzt waren sie auf dem Wege der Besserung – aber dann haben sie einem weiteren Egomanen (und Frauenbelästiger) die Kandidatur zur EU Wahl ermöglich.
Daher kann ich ihre Liste zum EU-Parlament nicht wählen – auch wenn ich weiter denke, dass es eine Partei wie die Piraten dringend braucht und ich hoffe, sie in Zukunft wieder unterstützen zu können.
Also muss eine andere Wahl her.
Hier meine Kriterien:
- Pro-Europäisch
- Kapitalismus-kritisch
- Ökologisch
- EU-Reform-orientiert
- Anti-Nationalistisch
Leider kann ich hier keine vollumfängliche Analyse mehr erstellen (reicht die Zeit gerade nicht), warum welche Partei diese Kriterien (nicht) erfüllt. Aber ich will auf den letzten Metern zumindest meine bisherigen Erkenntnisse und Ideen mit euch teilen.
Meine bisherige Shortlist:
- Ich war die letzten fünf Jahre durchaus angetan von der Arbeit von Martin Sonneborn (Die PARTEI) sowohl im EU Parlament als auch in der Öffentlichkeit, durch die er es immer wieder geschafft hat, die Aufmerksamkeit auf wichtige Themen (u.a. die obigen) zu lenken, Nationalisten zu enttarnen und (obwohl Macht-mäßig unbedeutend) Akzente zu setzen. Hatte ich der Satire-Partei so nicht zugetraut. Ich würde mir wünschen, dass Sonneborn weiter im EU Parlament vertreten ist. Aber nach den derzeitigen Umfragen brauchen die mich nicht unbedingt.
- Eine Bekannte “bedrängt” mich freundlich, eine Stimmabgabe für “Volt” zu erwägen. Deren Programm paßt in vielen Punkten zu meine obigen Kriterien und ihre (erfolgreiche) Klage gegen den Wahl-o-Mat hatte meine volle inhaltliche Unterstützung. Andererseits habe ich keine Lust eine weitere Neo-Liberale Gruppe zu unterstützen, die nicht mal wagt, an der Macht der Konzerne zu kratzen. Denn Kapitalismus-Kritik finde ich bei ihnen im Programm nicht – im Gegenteil: Sie scheinen weiter der Wachstums- und Wettbewerbs- Ideologie verhaftet. Und: Sie wollen die Europäische Zentralbank (eine Institution ohne demokratische Kontrolle) mit politischen Zielen (und Kompetenzen) versehen. Ein No-Go für mich.
- Ich neige derzeit zu: Demokratie in Europa – DiEM25 mit dem Spitzenkandidaten Ioannis Varoufakis, Wirtschaftswissenschaftler, Berlin. Ich mag Varoufakis als Charakter, seit er auf der europäischen Bühne aufgetaucht ist (erinnert mich oft an Jürgen Trittin), ihr Programm erfüllt alle meine Kriterien und sie haben einige prominente Mitglieder (nicht-Politiker), die ich aus ganz unterschiedlichen Gründen sehr schätze – darunter den von mir schon lange fachlich geschätzten Ökonomen James K. Galbraith und von Noam Chomsky, den ich (aus meiner absolut eingeschränkten Perspektive) seit dem Tod von Stephen Hawking für den wichtigsten lebendigen Querdenker weltweit halte (ohne deswegen gleich alle seine Ansichten zu teilen).
Soweit der Zwischenstand meiner Meinungsbildung. Meine Recherchen laufen aber noch. Updates hier sind bis Sonntag möglich.
Was mir jedoch viel wichtiger ist: Geht wählen am Sonntag! Wenn ihr echt schräg drauf seid, auch die CDU oder sogar die FDP. Oder einfach die PARTEI, wenn ihr Politik Scheiße findet. Hauptsache keine Nazis (aka “AfD”).
Warum das wichtig ist? Steht hier: Politik ist….
Weitere Infos:
Wahl-o-Mat (nach außergerichtlicher Einigung mit Volt wieder online)
U18 Wahlen: So würde die Europawahl ausgehen, wenn nur Minderjährige abstimmen (Business Insider) – gute Aussichten für die Grünen, ganz schlechte für die CDU
Rezo: Die Zerstörung der CDU – YouTuber rechnet mit der CDU ab – mehr als 7 Mio Views (Stand 24.5.) – erklärt auch das U18 Wahlergebnis. Lesenswert auch der Spiegel-Faktencheck zu dem Video. Ergebnis: Im Prinzip liegt Rezo richtig, im Detail manchmal falsch, manchmal ist es komplizierter als von ihm dargestellt.
Deutschlandfunk: Partei „Demokratie in Europa“ – Die Rückkehr des Rebellen Varoufakis
#1 by Jörg on 25. Mai 2019 - 10:32
Ich weiß nicht, Varoufakis ist mir suspekt, aber ein Freund von mir schwankt auch noch zwischen DiEM, den Piraten und der Partei. Mich spricht er aber irgendwie gar nicht an. Ich finde nicht, dass er für moderne linke Politik steht, sondern für das “gescheiterte Links”. Andererseits, beim jetzt ja wieder erlaubten Wahl-O-Mat liegt DiEM bei mir zusammen mit den Grünen an der Spitze, noch vor der PARTEI.
Allerdings, weil du bei der PARTEI schreibst: “nach den derzeitigen Umfragen brauchen die mich nicht unbedingt.” Die Beeinflussung durch die Dauerumfragen im Halbwochentakt halte ich für eine große Gefahr für die Demokratie. Wir alle behaupten, wir lassen uns von Umfragen nicht beeinflussen, aber natürlich tun wir das. Ich habe die Piraten bei der Landtagswahl nicht gewählt, weil klar war, dass ich wegen der Sperrklausel meine Stimme wegwerfen würde.
Die Sperrklausel, ein durch und durch undemokratisches Instrument, abgesegnet durch unsere Verfassung, an der jetzt zum Jahrestag alle nur des Lobes sind, obwohl wir immer noch ein Wahlsystem haben, das – wie wir am Sonntag ohne Sperrklausel sehen werden – mehr als 10% der Wähler falsch repräsentiert. Und alles begründet mit den Weimarer Verhältnissen, also der historisch falschen Interpretation, dass zu viel Demokratie die Demokratie kaputt gemacht hat.
Die Dauerumfragen sorgen dafür, dass das weniger auffällt, weil dadurch Stimmen zu den größeren Parteien abwandern. Das ist einer der Gründe, warum die “Sonstigen” viel mehr Stimmen bei der Europawahl bekommen als bei anderen Wahlen.
Und wenn wir jetzt noch von der direkten politischen Einflussnahme der Institute sprechen, INSA, bei denen die AfD meist besser prognostiziert wird als bei den anderen, oder Forsa, die unmittelbar nach Kühnerts Thesen Schlagzeilen machten mit der Behauptung, die SPD würde dadurch massiv an Stimmen verlieren. Die anderen Institute haben das nicht bestätigen können, aber Güllner wusste, woran der massive Zustimmungsverlust, der faktisch gar nicht da war, gelegen hat. Das ist wirklich ein großes Problem, weil es sowohl Wähler als auch Politiker massiv in ihren Entscheidungen beeinflusst.
Aber um auf den Punkt zu kommen: woher weist du denn so sicher, dass die PARTEI deine Stimme nicht braucht? Aus Umfragen, die der Partei 2-3% der Stimmen vorhersagen – bei (meist zu tief angesetzten) Fehlertoleranzen von 1,5 bis 2,5%.
#2 by neunmalsechs on 28. Mai 2019 - 0:53
Varoufakis ist definitiv ein Charakter, an dem sich die Meinungen reiben können. Ich mag solche Typen – weil sie für Klarheit sorgen. Vertrauen würde ich ihm nicht (aber auch keinem /r anderen Spitzenkandidaten / in). Was ich bei ihm “spüre” – ohne es belegen zu können – ist ein Engagenment für ein soziales Europa ohne ideolgisch verbelndet zu sein. Er hat einen Job als Finanzminister für seine Überzeugungen riskiert. Seine inhaltliche Kritik an der damaligen EU Politik teilte ich. Das er mit James K. Galbraith zusammen gekommen ist, spricht für seine writschaftliche Kompetenz – das Chomsky (als Anarchist) dabei ist, für die freiheitliche Gesinnung.
Klar hatte ich bei meiner Einschätzung zur PARTEI keine Gewissheit, sondern nur ein Einschätzung (“Gedanken”). Hatte Glück damit, die haben sogar zwei (wie der Spiegel voreilig verbreitet hatte fast: drei) Sitze bekommen.
Meinungsumfragen sind Fluch und Segen zu gleich. Was du über sie sagst, ist richtig. Und doch ist es besser Quellen mit gewissen methodischen Standards zu haben, als ohne völlig beliebigen Behauptungen ausgesetzt zu sein. Auf “Facebook Darmstadt” zum Beispiel sind laut der dortigen Schreihälse die Grünen seit Jahren völlig unbeliebt in ganzen der Stadt. Ohne halbwegs fundierte Basis sind solche Lautsprecher durchaus in der Lage, ohne jedes Fundament eine ähnliche Stimmung zu erzeugen.
Wenn jemand wie Güllner / Forsa / INSA ihre Meinungs-Macht für politische Zwecke missbrauchen, dann ist das schlimm. Aber angesichts der anderen Institute gibt es zumindest einen Korrekturmechanismus. Bedauerlich ist natürlich der Kropsgeist der Wissenschaften / Institutiuonen, der dazu führt, dass solcher Missbrauch von den Experten nur zögerlich (wenn überhaupt) öffentlich kritisiert wird.
Immerhin stimmte ich mit DIiEM25 gegen solches Mainstreaming. Aufgrund einer Einschätzung, zu der ich ohne Wahl-O-Mat (der ja auch nicht objektiv sein kann) gekommen bin. Bin so frei. Und so fehlbar. Meine 5 cent. Mehr nicht.
Oder um es mit Emma Goldmann zu sagen: „Wenn ich nicht tanzen kann, ist es nicht meine Revolution“. 😉
Zur Sperrklausel sind wir derselben Meinung. Ein undemokratischer Scheiß, weg damit!
#3 by Jörg on 28. Mai 2019 - 13:14
“Auf “Facebook Darmstadt” zum Beispiel sind laut der dortigen Schreihälse die Grünen seit Jahren völlig unbeliebt in ganzen der Stadt”
Stimmt ja auch, die Grünen sind seit Jahren völlig unbeliebt bei den Facebook-Schreihälsen der Stadt 😉
#4 by neunmalsechs on 29. Mai 2019 - 7:44
🙂 – gut formuliert!
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