Artikel getaggt mit Grün-Schwarz

Selbstanzeige wegen Schwarzfahren in Berlin

Berlin

Ich bin schwarz gefahren. In Berlin. Ich habe die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) um 2,40 € betrogen. Dieses ist meine Selbstanzeige.

Es war nicht meine Absicht. Ich war als Tourist in Berlin unterwegs. Ich wollte zu einer Verabredung. Ich wollte den ÖPNV der Stadt nutzen, statt die Luft der Stadt mit Autoabgasen zu verpesten. Zumal in Berlin eh irre Automassen und Baustellen ein sinnvolles Vorankommen verhindern.

Wir waren zu zweit. Wir waren rechtzeitig unterwegs. Wir trafen lange vor der Abfahrt der S-Bahn an der Station ein. Wir waren reichlich mit diversen Zahlungsmitteln ausgestattet. Dachten wir.

Bis wir zwei Fahrscheine á 2,40 €  lösen wollten. Und scheiterten.

Es begann damit, dass der Fahrschein-Automat unsere beiden neuen 5-Euro Scheine nicht als gültige Zahlungsmittel akzeptieren wollte. Naja, kann ja mal passieren. Die gibt es ja erst seit dem 2. Mai. Wir hatten ja noch mehr Bargeld dabei. 100 Euro insgesamt.

Das half aber nicht. Denn wir hatten sie in Form von zwei handelsüblichen 50-Euro-Scheinen, frisch ausgespuckt aus dem Geldautomaten zweier mit unseren Steuergeldern geretteten Banken. Diese Scheine sind für die BVG ungefähr so wertvoll wie Falschgeld: 50-Euro-Scheine akzeptieren die Fahrscheinautomaten der BVG nämlich grundsätzlich nicht, während Bankautomaten sie bevorzugt ausspucken.

Vielleicht brauchen wir doch mehr Einsatz des Gesetzgebers, um Dinge zu regeln, die die Unternehmen der freien Wirtschaft untereinander nicht kundenfreundlich abgestimmt bekommen.

Doch noch gab keinen Grund zu verzweifeln. Denn die BVG bietet auch den Bargeld-losen Zahlungsverkehr an. Man kann seinen Fahrschein – zumindest theoretisch – auch mit einer gültigen EC-Karte bezahlen.

Und wir sind beide stolze Besitzer einer solchen EC-Karte von etablierten, mit unseren Steuergeldern geretteten inländischen Banken. Dennoch waren – zu unserer Überraschung – diese EC-Karten nicht gut genug für die BVG. Mehrere Versuche, unsere Tickets mit einer dieser Karten zu bezahlen, endeten mit der Anzeige „Karte nicht akzeptiert“.

Irgendwann war unser Zeitpuffer aufgebraucht und die letzte S-Bahn, mit der wir unser Ziel rechtzeitig erreichen konnten, fuhr ein. Ich habe in diesem Augenblick spontan die Entscheidung getroffen, die Dienstleistung der BVG entgegen den Beförderungsbestimmungen ohne Fahrschein (und damit in betrügerischer Absicht) zu nutzen. Meine Begleitung trifft daran keinerlei Schuld, sie war angesichts der entstandenen Stresssituation anfällig für eine solche Anstiftung. Ich nehme die volle Schuld auf mich.

Wir haben uns dabei nicht gut gefühlt und an jeder Station gefürchtet, dass Kontrolleure die Bahn stürmen und uns überführen. Wir sahen sehr lebendig die Situation vor uns, in der die Schilderung unserer verzweifelten Zahlungsbemühungen als billige Ausrede verlacht werden. Die Schilder in der Bahn, die an Schwarzfahrer mit drastischen moralischen und finanziellen Argumenten appellierten, haben unser Wohlbefinden als Touristen nicht gerade gesteigert.

Bin ich jetzt ein Verbrecher? Ich habe von Menschen, die ich in Berlin traf, gehört, das die BVG und die Staatsanwaltschaft solche Verbrechen unnachgiebig verfolgen. Wer dreimal beim Schwarzfahren erwischt wird (Gesamtbetrugswert je nach Strecke ab 4,20 € )  kann – nach meinen Informationen – sogar (bis zu einem Jahr) in den Knast kommen. Wer Steuerbetrug in Millionenhöhe begeht, kommt nach einer Selbstanzeige damit davon, dass er die Steuern nachzahlt. Bin gespannt wie die BVG mit dieser Selbstanzeige umgeht.

Aber abgesehen davon ist das Verhalten der BVG-Automaten für Berlin sehr peinlich. Besonders wenn Touristen aus der Provinz (oder aus dem Ausland) in die Hauptstadt kommen, die solches Versagen ihrer Verkehrsbetriebe nicht gewöhnt sind. Ob es daran liegt, dass in meiner derzeitigen Heimat Darmstadt die Verkehrbetriebe ein städtischer Eigenbetrieb sind (und nicht ein Sub-Unternehmen einer privaten Aktiengesellschaft)? Oder daran, dass in Darmstadt nach langen Jahren Rot-Grün nun Grün-Schwarz regiert? Während in der Hauptstadt auf Rot-Rot Rot-Schwarz folgte?

Jedenfalls sollte die BVG – wenn sie schon Menschen ohne Fahrschein droht und sie verfolgt – dafür sorgen, dass ihre Automaten halbwegs funktionieren und gängige Zahlungsmittel auch akzeptieren. Fahrscheinautomaten sind ja nun nicht gerade Rocket-Science. Öffentlicher Nahverkehr muss planbar und verlässlich sein. Vor allem wenn man Touristen in der Stadt wünscht.

Aber vielleicht ist der fahrscheinlose Nahverkehr sowieso das Modell der Zukunft.

Siehe auch:

Restaurantkritik: green rice in Berlin-Kreuzberg

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Demo gegen die Schließung / Privatisierung des Albert-Schweizer-Hauses

Immerhin 250 Leute. Trotz Sommerferien, miserabler Werbung, Pateien-Desinteresse: Die Demonstration gegen  die Schließung / Privatisierung des Albert-Schweizer-Hauses durch Grüne und CDU in Darmstadt war ein voller Erfolg.

Ein kleiner (Stimmungs-)Bericht und ausgewählte Bilder (Klick aufs Bild für eine große Version, ein Link zu mehr Bildern am Ende):

Ich habe schon ein paar Demonstrationen erlebt, aber die Demo gegen ein Schließung oder Privatisierung des Albert-Schweizer-Hauses fiel doch durch alle üblichen Raster. Am auffälligsten war sicher, dass überwiegend Kinder und Jugendliche demonstrierten – also jene, die bei Wahlen (leider) noch keine Stimme abgeben dürfen und damit ohne echte Repräsentanz im dne städtischen Gremien sind. Die Erwachsenen waren (und blieben) eindeutig in der Minderheit. 

Gleich als nächstes war bemerkenswert, dass die „üblichen Verdächtigen“ fehlten: Keine Partei war vertreten, auch die sonst bei Demos immer vertretenen politischen Gruppen glänzten komplett durch Abwesenheit.

Und beim näheren Hinsehen offenbarte sich noch eine Seltsamkeit: Hier demonstrierte ein überwiegend aus dem grün-alternativen Spektrum kommendes Publikum gegen die Politik eines grünen Oberbürgermeisters. Einzelne ältere Ehepaar waren auch auszumachen, die ich dem Aussehen nach der CDU zugeordnet hätte ( aber in Darmstadt kann man das nicht so genau sagen, die könnten auch SPD-nah gewesen sein). Es fehlten die schwarzen Kluften der Uffbasse AnhängerInnen, die intellektuellen Outfits der Linken und die IT-Lässigkeit der Piraten. 

Das hier keine Polit-Profis am Werk waren, war schon bei der Werbung für die Demo zu bemerken gewesen. Neben der persönlichen Ansprach der aktuellen AH–City-TeilnehmerInnen und der Mitglieder AHS-Fördervereins hatten sich die Aktivitäten auf einen Facebook Event beschränkt.
Keine Web-Seite, kein Plakate auch keine Aktivitäten in anderen sozialen Netzwerken oder in Online-Veranstaltungs-Kalendern. Schade. Da wurde viel Potential verschenkt.

 

In Facebook ist überhaupt nur ein Bruchteil der Darmstädter präsent und von denen gehen die meisten (von den Jugendlichen, die alle 10 min ihre Nachrichten checken, mal abgesehen) auch nur 1-2 Mal im Monat rein (wenn überhaupt). 

Also: Wer ne Demo machen will, soll erst mal ne normale, für alle Menschen zugängliche  Web-Seite aufsetzen, mit allen wichtigen Infos drauf. Dann können nämlich alle Leute ihre Freunde darauf aufmerksam machen, egal ob sie bei Facebook, G+ oder Twitter sind oder gar nicht in sozialen Netzen unterwegs.

Genug gemosert. Denn auf die Demo selbst waren die VeranstalterInnen gut vorbereitet: Transparente, witzige (und dennoch ernste) Schilder (siehe links),  Albert-Schweizer-Masken, …  Für alle, die schon mal selbst Zeit im AHS verbracht hatten, gab es Schilder, auf die jedeR schreiben konnte, wieviele Tage es waren.

Starkt vertreten und am engagiertesten waren die ehemaligen und gegenwärtigen AHS- BetreuerInnen. Ihnen merkte man an, dass sie sich – trotz ihrem zeitaufwendigen ehremamtlichen Engagement für die Freizeiten – in die Diskussion um die Zukunft des AHS in keinster Weise eingebunden fühlen. Das Versprechen der Grünen, in Darmstadt für mehr Bürgerbeteiligung zu sorgen, ist hier jedenfalls nicht erfüllt worden. Denn für diese Jugendlichen bedeutet Beteiligung nicht, erst hinterher mit fertig verhandelten Ergebnissen konfrontiert zu werden. Für sie bedeutet Beteiligung, von Anfang an mitgestalten zu können. Und wenn das innovative Konzept des Albert-Schweizer-Hauses erhalten werden soll-  nicht nur das Gebäude – dann ist es notwendig, diejeneigen zu beteiligen, die dieses Konzept auch kennen. 

 

In den Redebeiträgen bei der Demo wurde denn auch vielfach betont, wieviel Engegement von DarmstädterInnen in die Ausstattung und Renovierung des Gebäudes geflossen ist: Das „kostetet Darmstadt:“fragte der Sprecher Marek zu jedem Punkt und die Demonstranten antworteten : „Null Euro!“. Unerwähnt blieben dabei die Tage, Wochen, Monate, Jahre, die junge DarmstädterInnen in ihrer Freizeit in die Betreuung von Kindern und Jugendlichen gesteckt haben. Auch das hat Darmstadt keinen Cent gekostet. Ob Jugendliche dazu zukünfitg bereit sein werden, wird auch davon abhängen, ob die Jugendlichen ernst genomen werdeen und welche Bedingungen dann herrschen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich beobachte, wie eine funktionierende Jugendarbeit komplett zusammenbricht, weil sich die Rahmenbedingungen ändern.
Der Wert von Jugendarbeit kann halt nicht einfach in investierten Euro ausgedrückt werden, sondern er entsteht erst dann, wenn die Arbeit bei den Jugendlichen auch auf Akzeptanz trifft. Das war bisher beim AHS der Fall. Die berechtigte Sorge der Jugendlichen, ob das bei einem anderen Träger zukünfitg der Fall sein wird, wird von den politisch Verantwortlichen bisher nicht ausreichend ernst genommen. 

Doch nicht nur , dass Grüne und CDU die erfolgreiche und notwendige Arbeit des AHS gefährden. Die Grünen sind dabei, mit ihrer Sparpolitik und mieserabler Kommunikation ihre eigene Zielgruppe zu verprellen. Hoffen wir, dass das eine Koalition mit einer Partei, die auf schwierige oder unangepaßte Jugendlichen traditionell mit dem Ruf nach der Polizei reagiert, wert ist.

Weitere  Bilder als Slideshow (insgesamt 167).

Gern dürft ihr die Bilder im Kampf für die Erhaltung des ASH gegen Nennung asls Fotograf (Carsten B.)  und / oder Link auf http://blog.neunmalsechs.de/ verwenden. Über eine Nachricht, wo ihr sie einsetzt, freue ich mich. Online-Artikel verlinke ich gern.  Bei Verwendung für andere Zwecke bitte ich um Rücksprache.

 

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