Meinungsfreiheit und der Straftatbestand der Volksverhetzung – ein sehr aktueller juristischer Zielkonflikt. Da müssen Richter genau abwägen, welche Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt sind und welche getätigt werden, mit dem Ziel zu hetzen.

In der deutschen Justiz-Geschichte ist dieses vielfach am berühmten Tucholsky-Zitat:

Soldaten sind Mörder

Kurt Tucholsky (Glosse, 1931)

– vor allem im Zusammenhang mit einer gegen die Bundeswehr gerichteten Einstellung – in verschiedenen Gerichtsverfahren bis hin zum Bundesverfassungsgericht verhandelt worden. Dieses entschied zuletzt 1995 im Sinn einer verfassungskonformen Zulässigkeit der Zitatverwendung.

Einfach ist es immer dann, wenn eine Tatsache vorliegt. Denn reine Tatsachen wieder zu geben ist keine Volksverhetzung. Nun hat ein Richter des Gießener Verwaltungsgerichts über eine Äußerung der NPD (die ich hier nicht wiederholen möchte, die aber in den unten verlinkten Quellen nachzulesen ist) auf Wahlplakaten geurteilt, es handele sich um “eine empirisch zu beweisende Tatsache” und dazu historische Vergleiche und falsche Behauptungen über Kriminalitätsstatistiken (die in rechtsradikalen Kreisen verbreitet sind) herangezogen (und die ich vor einer Weile schon ausführlich- zumindest generell – widerlegt habe).

Allerdings haben in dem Verfahren (soweit ich das herausfinden konnte) weder eine Beweisaufnahme zu historischen Fakten (die der Richter anführt) noch zu den vom Richter angeführten Kriminalitätsstatistiken stattgefunden. Der Richter geht mit Verflechtung seiner privaten Ansichten ins Urteil noch über die Beweisanträge der NPD hinaus und macht die Sache der NPD zu seiner.

Zur historischen Einschätzung hat Jörg Heléne einen guten Artikel geschrieben, zur juristischen Einschätzung des Urteil hat sich das Fachblatt Legal Tribune Online ausführlich (negativ) geäußert. Eine aktuellere (und differenziertere) Analyse der Kriminalitätsstatistiken bietet die HAZ. Fazit: von allgemein akzeptierten oder gar wissenschaftlich belegten Tatsachen kann hier nicht gesprochen werden.

Das Urteil vom 9. August ist noch nicht rechtskräftig. Laut Legal Tribune Online hat die Stadt bereits Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht. Sie schätzt den Ausgang wie folgt ein:

Der VGH Hessen wird sich bei seiner Entscheidung über das Gießener Urteil sicherlich an der Rechtsprechung des BVerfG orientieren. […] In den Urteilsgründen des VG Gießen finden diese Entscheidungen von Deutschlands höchsten Richtern bei der Prüfung, ob das Plakat volksverhetzend ist, keine Erwähnung. 

Der Schaden ist jedoch bereits entstanden, denn die Nachricht, das ein Richter die Hetze der NPD für eine Tatsache hält, ist nun von der Presse in die Welt hinausposaunt. Der Richter – der durchaus auch einfach zugunsten der Meinungsfreiheit hätte entscheiden können – hat sich die Position der rechtsradikalen NPD zu eigen gemacht. Und auch sonst schon auffällig geworden ist:

Der Richter, der das Urteil allein verfasst hat, ist am VG Gießen auch zuständig für Asylsachen. Nach Angaben einer Sprecherin handelt sich um denselben Richter, der im vergangenen Jahr, ebenfalls im Rahmen eines Urteils, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Asylrecht massiv angegriffen hatte.

Legal Tribune Online

Hier handelt es sich meiner Meinung nach um einen Richter, der seine Verfassungsmäßig garantierte Unabhängigkeit ausnutzt, um per Amt Politik zu machen und dabei Berufsstandards aktiv missachtet. Politische Justiz zugunsten rechtsradikaler (verfassungsfeindlicher) Parteien.

Bereits in der Weimarer Republik hat eine solche politische Richterschaft die Demokratie so aktiv untergraben und sich anschließend willig in den Dienst der Nazis gestellt. Richter, die auch nach dem Krieg weitermachen durften(1) (2) und – schlimmer – die Lehrstühle der juristischen Fakultäten an den deutschen Universitäten hielten und besetzten.

Nun häufen sich auch in der Bundesrepublik wieder solche Fälle(0)(1)(2)(3) [weitere Beelge werde ich nachliefern und kontinuierlich ergänzen], in denen rechte Richter ihr Amt zugunsten antidemokratischer Parteien ausnutzen. In Leibzig war ein Rechtsreferendar in der sächsischen Justiz sogar persönlich an den gewalttätigen Nazi-Auschreitung in Liebzig-Connewitz beteiligt – und hat sich den Oberkörper mit Nazi-Symbolen tätowieren lassen. Seine Nazi-Gesinnung hatte vorher – weder im Studium noch im Refendariat – nie zu Maßnahmen geführt.