Bei meinem Engagement für Uffbasse zur Kommunalwahl 2021 bin ich auf eine neuere Bewegung aufmerksam geworden, die versucht, die welt zu verbessern. Die Gemeinwohl-Ökonomie (Bewegung) sucht einen funktionierenden Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus, der die Notwendigkeit von sauberer, stabiler Umwelt, einer guten sozialen Absicherung und einer funktionierenden Wirtschaft zu vereinen sucht. Die Bewegung baut dabei auf den Ideen der sozialen Marktwirschaft auf, mit dem Ziel, diese in einem ganzheitlichen Sinne weiter zu entwickeln, modernisieren und massiv zu reformieren. Anders als andere Bewegungen und Initiativen ist die Gemeinwohl-Ökonomie weniger eine politische Protest-Bewegung, sondern versucht durch freiwillige Verhaltensänderungen (insbesondere auch von Unternehmen) und einen Lobbyismus für strukturelle Veränderungen zum Beispiel im Steuersystem und in Verwaltungenvorschriften Reformpotentiale zu eröffnen (Links zu mehr Infos über die Gemeinwohl-Ökonomie (Bewegung) am Ende dieses Beitrages).

Trotzdem hat man sich dort auch die Wahlprogramme zur Bundestagswahl angesehen und kam zu folgende Einschätzung:

Enttäuschung, ja Ernüchterung kam auf bei der Schnellanalyse der Wahlprogramme für die Bundestagswahl. KEINE Partei spricht die erforderliche „große Transformation“ bzw. den erforderlichen „Kulturwandel“ offen an, keine die Abkehr von Überproduktion, Wachstums- und Renditezwang und Ausbeutung der Ressourcen. Immerhin werden – von Linken und Grünen – Subventionen in die Fossilen gegeiselt (lt. IWF  1,3 Billionen Dollar weltweit in 2022; ca. 70 Mrd. € in Deutschland) und die soziale Sprengkraft bietende, riesige und größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich adressiert.

Einen grundlegenden „Kulturwandel“ von unten zu mehr Genügsamkeit, Suffizienz  und Resilienz mit regionalen Ressourcenzentren (wie ihn Nico Paech in seinem Postwachstumsökonomie-Modell skizziert) –  hin zu einer Gleichgewichtsökonomie nach dem Gemeinwohl-Prinzip – hat wiederum niemand im Programm…

Nun sind Partei-Programme Absichtserklärungen – und das Handeln nach der Wahl (zumindest der Parteien, die die Regierung bilden) hängt sehr stark von den Personen ab, die gewählt werden. Früher habe ich daher ein paar mal eigene Fragelisten an Kandidat:inn:en verschickt. Zu dieser Bundestagswahl 2025 möchte ich diese Wahlprüfsteine der Gemeinwohl-Ökonomie unterstützen (auch wenn ich nicht alle Foerungen darin teile). Hier die Fragen, die an die Kandidat:inn:en versendet werden:


Klimaschutz als Lebensgrundlage

Die Lebensgrundlage nachfolgender Generationen muss sichergestellt werden. Setzen Sie sich dafür ein, dass die aktuelle Gesetzgebung zum Klimaschutz dem aktuellen wissenschaftlichen Konsens genügt und mindestens die Ziele des Pariser Klimaabkommens einhält?

Gemeingüter als Lebensgrundlage

Gemeingüter wie Wasser, Grundnahrungsmittel, Wohnraum und Freiflächen sind Grundbedürfnisse der Menschen und müssen jedem Menschen zur Verfügung stehen. Setzen Sie sich dafür ein, dass diese Gemeingüter grundsätzlich vor Spekulation, Privatisierung und Ausbeutung geschützt werden?

Neue Messung von Wohlergehen und Lebensqualität

Um das Gesellschaftliche Ziel von einem „Guten Leben für alle“ messbar zu machen, fordert die GWÖ ein Wohlfahrtsmaß (Gemeinwohl-Produkt-GWP), in Ergänzung zum BIP. Dieses misst das Wohlergehen in allen sozialen und ökologischen Bereichen der Gesellschaft. Indikatoren für das GWP sollen in einem demokratischen Prozess entschieden und regelmäßig evaluiert werden.

Unterstützen Sie, dass das GWP ein verbindlicher Maßstab für politische Entscheidungen wird?

Werden Sie Gesetzesentwürfe, die gemäß der Gemeinwohl-Indikatoren negative Wirkungen auf das Gemeinwohl haben, als Abgeordnete*r ablehnen?

Vorteile für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen durch verbindliche Nachhaltigkeitsstandards wie die Gemeinwohl-Bilanz

Die Spielregeln im heutigen Wirtschaftssystem belohnen Unternehmen mit Preisvorteilen, wenn sie Kosten an die Umwelt und andere Menschen auslagern (externalisieren). Verantwortung lohnt sich wirtschaftlich kaum, Kostendrücken dafür umso mehr. Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) befürwortet ein Wirtschaftssystem, in dem alle wirtschaftliche Tätigkeit dem „guten Leben für alle“ dient. Die Gemeinwohl-Bilanz (und vergleichbar verbindliche Nachhaltigkeitsstandards) machen messbar und vergleichbar, welchen sozialen und ökologischen Beitrag ein Akteur (z.B. Unternehmen, Kommune, Organisation) für die Gesellschaft leistet. Setzen Sie sich dafür ein, dass

a) alle Wirtschaftsakteure eine solche Bilanz verbindlich erstellen müssen?

b) die Vergabe öffentlicher Aufträge auf Grundlage der nachgewiesenen Gemeinwohl-Wirkung eines Unternehmens z.B. durch die GWÖ-Bilanz erfolgt?

c) die steuerliche Be- /Entlastung von Unternehmen sowie insb. Subventionen von Unternehmen an das Ergebnis einer geprüften Gemeinwohl-Bilanz geknüpft werden?

Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LKG)

Das LKG, dass der Bundestag verabschiedet hat, ist an entscheidenden Stellen unzureichend. Stimmen Sie als Abgeordnete*r für eine Verbesserung des Gesetzes in folgenden Punkten

a) Damit ein Lieferkettengesetz wirkt, muss es Unternehmen zur Sorgfalt entlang der gesamten Wertschöpfungskette verpflichten und darf nicht hinter die Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zurückfallen

b) Damit ein Lieferkettengesetz wirkt, muss es eine zivilrechtliche Haftung ermöglichen und Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen im Ausland die Möglichkeit geben, vor deutschen Gerichten Schadensersatz von verantwortungslos handelnden Unternehmen einzuklagen

c) Damit ein Lieferkettengesetz wirkt, darf es nicht nur für die ganz großen Unternehmen gelten, sondern muss bei Unternehmen aus Sektoren mit großen Menschenrechtsrisiken auch kleinere Unternehmen ins Auge fassen.

Plebiszitäre Elemente für mehr demokratische Mitbestimmung

Die direkte demokratische Mitentscheidung der Bürger*innen sollte ein verfasster Bestandteil unserer Demokratie werden

Können Sie sich vorstellen, dass Bürgerräte auf kommunaler, regionaler und Bundesebene zu verbindlichen Institutionen werden?

Können Sie sich vorstellen, dass die Volksgesetzgebung (Volksentscheid) auf Bundesebene eingeführt wird?


Soweit die Fragen. Ich werde zur Auswertung der Antworten berichten.

Die Gemeinwohl-Ökonomie Bewegung finde ich eine interessante Bereicherung, die ich potentiell weiter unterstützen möchte – aber mich auch mit ihren Positionen (kritisch) auseinandersetzen werde. Dem o.g. Thema Volksentscheid z.B. stehe ich nach den Entwicklungen der letzten Jahre (Brexit, USA) zunehmend kritisch gegenüber. Aber die Grundidee erinnert mich an ein sehr prägendes Buch aus meiner Studienzeit: Hans A. Pestalozzi: Auf die Bäume ihr Affen! (100% Empfehlung – hier online günstig kaufen).

Aber hier die Möglichkeit, euch selbst über die Gemeinwohl-Ökonomie Bewegung zu informieren:

Wikipedia: Gemeinwohl-Ökonomie

Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland

Gemeinwohl-Ökonomie Regionalgruppe Darmstadt

Hans A. Pestalozzi (Interview, 1989):