Bundesbank-Chef Weidmann: Bitcoin erhöht Gefahr von Bankenpleiten

Screenshort von Finanzen.net – ein „Finanzinformationsdienst“, der völlig unkritisch den Unsinn von Bundesbank-Chef Jens Weidmann weiterverbreitet.

Wenn ein Geschäftsmann zur Bank kommt und einen Kredit will, um seine Insolvenz abzuwenden, nachdem ihn ein Konkurrent mit einer technischen Innovation ausgestochen hat, dann wird er in vielen Fällen kein Geld von seiner Bank mehr bekommen. Weil er für nicht mehr Konkurrenzfähig gehalten wird. Die Verdrängung von nicht konkurrenzfähigen Unternehmen vom Markt durch innovativere und günstiger produzierende Unternehmen ist der Kern unseres Wirtschaftssystem und nennt sich Marktwirtschaft oder auch Kapitalismus.

Die Banken sind in der Regel die heftigsten Vertreter dieses Wirtschaftssystems und drängen ständig darauf, dass der Staat möglichst wenig steuernd in die Funktion des Marktes eingreifen soll (außer es geht um ihre eigene Rettung). Auch 90% der deutschen Wähler und Wählerinnen stimmen für Parteien, die die Marktwirtschaft für das beste System halten. Voran marschieren Markt-radikale Parteien wie FDP und AfD, doch auch CDU, SPD, Grüne und Piraten halten dieses System grundsätzlich für gut. Lediglich in der Linken finden sich ein paar vereinzelte Stimmen, die sich für ein anderes Wirtschaftssystem aussprechen.

Innovation ist der Kern dieses Systems: Die CD hat die Schallplatte (fast) verdrängt, die DVD hat die VHS Videokassetten überflüssig gemacht, Online Streaming erspart uns heute den früher üblichen Weg zur Videothek. Jede technische Innovation erhöht die Gefahr von Pleiten in den alten Industrien – das wird von Wirtschaftswissenschaftlern, Banken und Politik als notwendig und heilbringend gepredigt. Derzeit feiern Journalisten, Politiker, Konzerne und Banken die „Digitalisierung“ und fordern die Wirtschaft auf, auf diese Welle von Innovationen auf zu springen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und damit ihr Überleben zu sichern. Marktforschung wird durch „Big Data“ digitalisiert, die menschliche Arbeit wird durch Robotik automatisiert und Denken durch „Künstliche Intelligenz“. Nur um ein paar Beispiele zu nennen. All das finden Banken gut.

Doch die konsequenteste Form der Digitalisierung bereitet den Banken Sorgen. So sehr, dass der Herr der Banken, Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank und einer der mächtigsten Männer der Finanzwelt das Thema nun schon wiederholt angesprochen hat: Die Digitalwährung Bitcoin.

Weidmann hatte bereits 2013 vor Bitcoin gewarnt, die Kryptowährung aber noch als Nischenprodukt bezeichnet. Er sagte damals:

Was Anlagen in das Internet-Geld Bitcoin angeht, wäre ich vorsichtig: Wegen der starken Kursschwankungen und der geringen Tiefe und Intransparenz des Marktes sind diese sicherlich nicht risikoarm.

Vier Jahre später und nachdem der Wert des Bitcoin kontinuierlich gestiegen und sich fast verzehnfacht hat, sieht sich Jens Weidmann genötigt, erneut vor Bitcoin zu warnen. Doch jetzt sieht er nicht mehr nur die Geldanlagen der Anleger in Gefahr, sondern Bitcoin soll die Existenz von Größerem bedrohen:

Sobald Kunden Sorge um die finanzielle Stabilität ihres Bankinstitutes haben, wollen sie in der Regel nur noch ihr Erspartes retten – es kommt zu einem sogenannten Bank Run, also zum Ansturm auf die Bank. Dabei versuchen viele Bankkunden, möglichst ihr gesamtes Geld abzuheben, um sich vor einer Enteignung durch die Bank zu schützen. Das kann ein Geldinstitut im schlimmsten Fall in die Insolvenz treiben.

Laut Weidmann steige mit Kryptowährungen – vor allem mit einer durch die EZB herausgegebenen – die Gefahr einer Bankenpleite, da ein Abzug des Geldes viel schneller vonstatten ginge. Es brauche nur noch eine digitale Transaktion, die binnen weniger Minuten per Klick abgeschlossen sei. Niemand müsse mehr an einen Bankschalter oder an einen Geldautomaten gehen. Und schlimmer noch: Gegen einen Abzug des digitalen Geldes kann sich die Bank kaum schützen. Es hilft nichts, die Bank zu schließen, so wie das bei einem Bank Run derzeit noch möglich ist.

Quelle: finanzen.net

Ja, die (Zentral-)Banker stecken da in einem Dilemma: Machen sie bei Technik-Trend Digitalwährungen mit, gefährden sie ihre Existenz. Machen sie jedoch nicht mit, werden sie von der Innovationswelle Digitalwährungen hinweggefegt. Schuld daran ist natürlich diese lästige digitale Innovation, die das gesamte lukrative Geschäftsmodell der Banken bedroht (und nicht etwa die Trägheit des Finanzsektors).

Denn Digitalwährungen sind nicht nur effizienter (und damit kostengünstiger) als Staatswährungen, sondern sie lassen sich auch schneller transferieren, sind besser für die Privatsphäre und sie werden weder vom Staat noch von Banken oder Konzernen kontrolliert. Auch müssen sie nicht die Dividenden der Aktionäre oder die Millionen-Gehälter der Bankvorstände finanzieren. Denn das war die Grundidee von Bitcoin ( & Co.): Geldtransaktionen zwischen Menschen unabhängig von (daran verdienenden) Banken und Finanzinstitutionen und von nationalen (Finanz-)Krisen zu ermöglichen. Und inzwischen kommen immer mehr Fachleute zu der Ansicht, dass dieser Trend nicht aufzuhalten ist.

Doch seine Argumentation hat darüber hinaus ein paar Aspekte, die Jens Weidmann leider nachhaltig disqualifizieren:

Erstens startet das Unheil für die Bank in seinem Beispiel ja gar nicht mit der Digitalwährung. Sondern damit, dass „Kunden Sorge um die finanzielle Stabilität ihres Bankinstitutes haben“. Ohne diese Sorge kein Bank Run, den man aufhalten müsste, indem man die Bankkunden daran hindert, an ihr Geld zu kommen. Wenn unser Banksystem also stabil wäre und Finanzkrisen verhindern würde, müsste er sich gar keine Sorgen machen. Durch Digitalwährungen wird Stabilität jetzt zu einem Wettbewerbsfaktor. Und sogar Weidmann selbst scheint hier den Banken weniger zu trauen als den Digitalwährungen.

Zweitens ist Weidmanns Eingeständnis, dass unser Banken- und Währungssystem im beschleunigten internationalen Finanzkapitalismus nicht (mehr) stabil ist, ein verdammt guter Grund für Verbraucher wie Geschäftsleute, möglichst schnell auf Digitalwährungen umzusteigen und möglichst wenig Geld auf Konten bei traditionellen Banken zu halten. Denn bekanntlich beißen den Letzten die Hunde… Und so redet Weidmann herbei, wovor er eigentlich warnen will.

Drittens ist die folgende Begründung nicht nur absurd, sondern zeugt auch noch von großer Ahnungslosigkeit:

Versuchen Sie einmal, ihren Samstagseinkauf mit Bitcoins zu bezahlen. […] Bitcoins sind doch überhaupt keine Alternative zu unserem Geld.

Quelle: finanzen.net

a) Da, wo ich Samstags normalerweise einkaufe, werden weder Kreditkarten noch US-Dollars akzeptiert. Würde Weidmann auch den Nutzen von Kreditkarten oder von US-Dollars bestreiten? Ich glaube nicht.

b) Wenn schon die Möglichkeit, den Samstagseinkauf mit Bitcoins zu bezahlen, für den Chef der Bundesbank beweist, dass Bitcoins eine Alternative zu unserem Geld sind, dann bitte schön: Ich kann meine Samstagseinkäufe zum Beispiel beim Bleise EDEKA Markt in Hamburg machen und dort über 20.000 Produkte mit Bitcoin bezahlen. Sogar, ohne das Haus zu verlassen. Bleise liefert mir die Einkäufe nach Hause- nicht nur nach Hamburg, sondern in ganz Deutschland und sondern sogar EU-weit. Q.E.D.

Natürlich ist noch längst nicht wirklich ausgemacht, dass Bitcoin tatsächlich zu einer im ganz großen Maßstab funktionierenden Währung wird. Noch gibt es viel zu Lernen und zu Verstehen – technisch, ökonomisch und gesellschaftlich. Doch die Erfahrungen der ersten neun Jahre Bitcoin sind sehr positiv und haben viele „Experten“ (die Banker allen voran) überrascht. Und falls sich doch ein substanzielles Problem findet: Es stehen schon jetzt über 800 andere Digitalwährungen bereit, die fleißig daran arbeiten, reale und vermeindliche Schwächen von Bitcoin zu beseitigen.

Digitalwährungen werden kommen – schneller als viele glauben. Die Bänker sollte sich auf einen großen Bedeutungs-, Macht- Gewinn- und Jobverlust in den nächsten Jahren einstellen. Und die gesamte Geschäftswelt sollte sich (wie der EDEKA Markt in Hamburg) besser schnellstens auf einen Wandel einstellen, der alle, die er unvorbereitet trifft, vom Markt fegen wird. Da kann die Bundesregierung dann auch nichts mehr machen. Selbst, wenn sie das dann plötzlich will.

Und wenn dann alle jammern und wehklagen, werde ich natürlich auf diesen Artikel hier verweisen. Ist ja nicht so, dass man das nicht hätte kommen sehen können. It’s Kapitalism, stupid.

 

Disclaimer: Was ich hier über Bitcoin & Blockchain schreibe, bedeutet weder Zustimmung zu oder Ablehnung von diesen Technologien. Ich betrachte sie wie das Rad, den Buchdruck, die Elektrizität und das Internet: Innovationen, mit denen wir umgehen müssen – persönlich, politisch und gesellschaftlich. Und dazu müssen wir sie verstehen.

Disclaimer 2: Ich habe in die in diesem Artikeln genannten Digiwährungen investiert und profitiere daher von einem Kursanstieg.

 

Dieser Artikel ist Teil meines Projektes „Blockchain Exploration“.

Siehe in diesem Kontext auch:

Wie funktioniert Bitcoin?

Betrachtungen zur Bitcoin-Kursentwicklung

Stückchenmünzen-Lesestoff (aka Blockchain Article Collection)

Mein DAO Blockchain Experiment

Mein DAO Blockchain Experiment (Tagebuch ongoing, [un-]regelmäßig aktualisiert)

Mein Digi Coin Mining Experiment (Tagebuch ongoing, [un-]regelmäßig aktualisiert)

 

 

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Siehe auch:

Cloud ist… wenn Kaufen nicht mehr Kaufen ist