Niek Jan van Damme - Telekom Deutschland Gerade mal 10 Tage war ich weg. Urlaub. Entspanung. Dann komme ich wieder und habe plötzlich einen neuen Chef.  Sagen immerhin Springers „Welt am Sonntag“ und Thomas Heuzeroth („Wirtschaftsjournalist“). Klar, kann mal passieren. Kapitalismus und so.

Laut Springers „Welt“ und Thomas Heuzeroth ist der „Chef der Telekom“ ein gewisser „Niek Jan van Damme“. Ich hielt aber bisher Timotheus „Tim“ Höttges für den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG. Und tatsächlich ist – wie eine schnelle Recherche zeigt: Tim immer noch unser Vorstandsvorsitzender.

Und die Interview-Einleitung der „Welt“ ist eine Falschinformation. Erzeugt durch schlechten Journalismus. Aus einer Kombination von sprachlicher Beliebigkeit und Relevanzignoranz.

Es beginnt beim Begriff „Chef„. Der Begriff ist aus dem Französischen entlehnt, von lateinisch caput (‚Kopf)‘. Kann auch im Deutschen alles heißen: Vom Eigentümer eines Unternehmens über den direkten Vorgesetzten bis hin zum Küchenchef.

Man kann sich jetzt streiten, ob der „Kopf“ der Deutschen Telekom AG der Vorstandsvorsitzende (Tim) ist oder der Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Lehner. Formal sicher Letzterer, operativ eher Tim. Aber ausgerechnet den Geschäftsführer der Telekom Deutschland GmbH (eine von sieben (!) Töchtern der Deutschen Telekom AG) zum „Chef der Telekom“ zu ernennen, ist mehr als fahrlässig. Und mein Chef ist er schon gar nicht, da ich (obwohl ich in Deutschland sitze) zur „Telekom Europa“ gehöre.

Es zeugt vom Unwillen des Journalisten Thomas Heuzeroth, sich mit realen Macht- und Besitzverhältnissen zu beschäftigen. Das ist unprofessionell.

Claudia Nehmat

Claudia Nehmat – Europa-„Chefin“ der Telekom. Korrekt: Mitglied des Vorstandes der Deutschen Telekom AG und verantwortlich für den Geschäftsbereich Europa und Technik.

Nicht, dass es schwer wäre. Man müsste ja nur mal kurz bei Wikipedia rein schauen. Auch die ist allerdings nicht ohne Fehl: Die Tatsache, das meine „Chefin“ Claudia Nemat (immerhin Vorstand der DTAG) als Geschäftsbereichsverantwortliche Telekom Europa nicht mal bei Wikipedia genannt ist, könnte man als aktiven Sexismus bezeichnen. Zu dem auch die Welt ihren Beitrag leistet. Denn Claudia Nemat steht mit Niek Jan van Damme immerhin auf einer Ebene.

Update: Am 27.2. heißt es „Chef der Telekom in Deutschland“ sowie „den Deutschland-Chef der Deutschen Telekom, den nach Konzernchef Timotheus Höttges mächtigsten Mann im Unternehmen“. (1) Besser. Aber präzise ist das auch nicht (siehe oben). Auch Tim Höttges ist in Deutschland. Und: Was bedeutet „mächtig“? Wie misst er das? Mitabeiter? Kunden? Potentielle Kunden? Wachstum?

Guter Journalismus wäre: Klare (begriffliche) Unterscheidung zwischen Aufsichtsratsvorsitzendem, Vorstandsvorsitzendem und den GeschäftsführerInnen der Tochterfirmen – wenigstens ein einziges Mal im Artikel. Statt einen beliebigen und unscharfen Begriff wie „Chef“ zu verwenden. Jedenfalls, wenn man als Wirtschaftsjournalist ernst genommen werden will. „Chef“ mag für die Leserschaft der Bild ausreichend sein – allen anderen sollte man mehr Präzision zumuten.  Alles andere ist aktive Verdummung.

„Mehr Präzision“ ist einer der Wünsche, die ich in meinen „16 für 2016“ von Journalisten erbitte. Damit ich wieder bereit bin, Geld für Journalismus auszugeben. Beiträge wie der von Thomas Heuzeroth schrecken mich davon ab. Denn es ist ja nicht etwa so, dass sich aus dem Rest des Interviews irgendwelche neuen Erkenntnisse ergeben. Niek Jan van Damme darf die hinreichend bekannten Positionen der Deutschen Telekom verkünden. Eine nette Werbung für unseren Konzern. Thomas Heuzeroth fasst nicht einmal wirklich kritisch nach. Aber das wäre für ein „Expertengespräch über hartes Durchgreifen“ dann wohl (leider) doch schon zu viel verlangt.

 

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