Plakat Für den gestrigen Abend hatte ich mir gleich zwei  Theaterstücke vorgemerkt. Die Premiere von “Hexenjagd” von Arthur Miller inszeniert vom TUD Schauspielstudio im Theater Moller Haus und “Hamlet” inszeniert von der Büchner Bühne im Staatstheater Darmstadt. Ich hatte mich für Miller entscheiden – es schien mir thematisch das interessantere und aktuellere Stück zu sein.

Doch der Tag war intensiv und anstrengend und ich war bis fast 19 Uhr beschäftigt – beide Stücke sollten um 20 Uhr anfangen. Fast hätte ich meinen Plan aufgegeben zugunsten eines ruhigen (Fußball-)Feierabends.

Doch dann habe ich mich dann doch aufgerafft und mich um 19:30 noch mal aufs Fahrrad gesetzt und bin losgefahren. Ursprünglich wollte ich auch noch jemanden finden, der mitkommt, aber so viel Spontanität kann ich Freunden und Bekannten dann doch nicht zumuten.

Doch das Schicksal spielt einem manchmal Streiche. Als ich im Theater Moller Haus ankam, musste ich feststellen, dass die Vorstellung komplett ausverkauft war. Schön für sie – schlecht für mich. Dachte ich. Denn für den Klassiker Hamlet wäre ich dann wohl doch nicht mehr aus dem Haus gegangen. Aber nachdem ich nun schon mal am Georg Büchner Platz war, lag das Staatstheater nur ein paar Schritte entfernt. Bevor ich also wieder zurück nach Bessungen radelte, konnte ich mir ja dann wenigstens Shakespeare antun – für den es auch noch ein paar wenige Karten gab.

Mein Glück.

Denn ich bin zwar, was den alten Shakespeare angeht, bestenfalls ein Anfänger und es war meine erste Hamlet Aufführung bisher (habs auch nie gelesen). Aber was ich von der Büchner Bühne präsentiert bekam: toll. Eine moderne Inszenierung mit nur 6 Schauspielern, Videoeinspielungen und Lichteffekten und Live Musik. Spannend wie ein Kinofilm (von der Pause mittendrin mal abgesehen), fantastisch gespielt. Extrem stimmig in der geschickten Verschränkung von klassischen und und modernen Elementen

Bis auf einen einzigen Punkt: Hamlet im dunklen Jackett fand ich unpassend. Ich sah – wann immer er die Bühne betrat – einen Punk vor mir. Einen zutiefst moralischen Menschen- verloren in wütender, selbstzerstörerischer Rebellion gegen ein verkommenes, verbrecherisches System. Ohne selbst einen Gegenentwurf präsentieren zu können. Ich könnte nicht sagen, ob das in Einklang  mit dem Original wäre. Aber diesen Hamlet sah ich in jeder Szene als Punk vor mir. Nicht als einen dieser Mode-Punks mit Iro, sondern so wie wir sie vor dem Bahnhof und in der Luisenstraße sehen. Ein Sohn von Ernst Albrecht (in meiner Jugend langjähriger CDU Ministerpräsident von Niedersachsen) und damit Bruder von Ursula von der Leyen soll – so hieß es – damals – in unserer Jugend – Punk gewesen sein. Hilflose Rebellion gegen den Vater.

Aber auch dieses war keine Schwäche des Stücks, sondern ist höchstens eine interessante Inspiration.

Es hat mich so gefesselt, dass ich – nach Ende des Stücks – zunächst einen Moment der Besinnung brauchte, bevor ich in den Applaus einstimmen konnte. Mir war mehr nach Abspann zumute. Und ich habe mir gewünscht, die Aufführung als Video erwerben zu können. Denn sie enthielt so viele klug inszenierte Feinheiten, dass ich (gefühlt) die Hälfte davon verpasst oder zumindest nicht angemessen gewürdigt habe. Vielleicht kann sich die Büchner Bühne ja dazu entschließen, eine der zukünftigen Aufführungen aufzuzeichnen.

Eine weitere Aufführungen von Hamlet gibts am 20. November in Riedstadt. Vier Karten sind allerdings schon weg. 😉

Update Januar 2016: Hier eine ausführliche Rezension: Die Zeit ist aus den Fugen.

 

Mehr auf der Web-Seite der Büchner-Bühne. Mehr Infos zum Stück.

Die “Hexenjagd” von Arthur Miller gibts im Theater Moller Haus jetzt noch mehrfach zu sehen: Termine.

 

Update 21.11.2015: Ich habe das Stück zum zweiten Mal gesehen. In der Büchner Bühne in Riedstadt. Und bin immer noch begeistert. Das Stück, aber besonders auch diese Inszenierung haben eine Komplexität, die mich jedes Mal neu und anders begeistert.
Und ich werde es mir – wenn sie es denn 2016 wieder im Programm haben sollten, auf jeden Fall noch einmal ansehen.

 

Siehe auch:  Weitere Beiträge in der Kategorie Theater, wie zum Beispiel

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