Als Klassenelternvertreter bin ich vor kurzem auf die Petition „Weiterförderung von Schulsozialarbeit in Hessen“ angesprochen worden.
Da mir das Thema nicht vertraut und die Informationslage verwirrend war (auch aufgrund der verklausulierten – für Laien (=WählerInnen) unverständlichen – Formulierung von Erlassen und Pressemitteilungen), beschloss ich, etwas zu recherchieren und das Thema hier (soweit mir das möglich ist) anschaulich aufzubereiten.
Im Kern des Themas stehen zwei unabhängige Fragen:
- Ist das Thema (Schul-)Sozialarbeit ausschließlich ein Thema der Kommunen oder auch des Landes Hessen?
- Ist das Thema (Schul-)Sozialarbeit ein grundlegendes Thema der Bildungspolitik oder ein Thema einzelner Schulen?
Das hessische Kultusministerium (CDU) hat diese Fragen mit der aktuellen Änderung die Fragen beantwortet mit:
Sozialarbeit ein Thema der Kommunen und nur im Ausnahmefall ein Thema für einzelne Schulen.
Das führt dazu, dass die bisher speziell vom Land Hessen für die Schulsozialarbeit bereitgestellten Mittel (die bisher ausgewählten Schulen vom Land zur Verfügung gestellt wurden) nun zurück fließen in den allgemeinen Topf „Unterrichtsversorgung“. Nun liegt es in der Entscheidung des einzelnen Schulleiters, zu wählen, ob diese Mittel weiterhin für die Sozialarbeit oder aber für weitere Lehrkräfte verwendet werden. Kurz: Ob bei der Sozialarbeit gekürzt wird, hängt nun vom einzelnen Schulleiter ab.
Damit fällt Hessen hinter die Erkenntnisse aus den internationalen Schulvergleichen zurück: Erfolgreiche Bildungsländer wie Finnland haben die Sozialarbeit zu einem festen Bestandteil der Arbeit an den Schulen gemacht und gezeigt, dass damit Bildungserfolge für alle Kinder erzeugt werden können. Denn da, wo auch nicht-pädagogische Probleme früh, kompetent und fachlich angemessen angegangen und gelöst werden, profitiert das gesamte Lernumfeld überproportional. Nur so kann der Anspruch, Kinder zu fördern, eingelöst und Chancengleichheit Eltern-unabhängig verwirklicht werden.
Dass die hessische CDU daran kein Interesse hat, sondern weiter auf Konkurrenzkampf, Selektion und Aussortieren an den Schulen setzt, ist hinreichend bekannt. Die Grünen als kleiner Koalitionspartner fallen damit jedoch weit hinter ihre eigenen Ansprüche zurück. Das ist normal bei einer so ungleichen Koalition und insbesondere, wenn der größere Koalitionspartner das Kultusministerium leitet.
Sich jedoch hinter „Sachzwängen“ wie Rechnungshof und Fachsprache zu verschanzen, ist nicht ehrlich. Das sind Dinge, die eine Landesregierung (so sie denn will) lösen oder verändern kann. Sie sollten einfach zugeben, dass ihre Vorstellungen mit den vorhandenen Mehrheiten nicht umsetzbar sind.
Es ist ja auch nicht so, dass vor dieser Reform der Finanzierung der Schulsozialarbeit alles bestens war – im Gegenteil: Schulsozialarbeit gab es bisher nur an wenigen ausgewählten Schulen und auch dort nur als Stückwerk. Hier wären ein grundsätzliches Umdenken und andere Mehrheiten im Land notwendig.
Ob deshalb die Petition der beste Weg ist, hier eine Änderung zu bewirken, darf deshalb bezweifelt werden. Andererseits lenkt eine solche Petition natürlich die Aufmerksamkeit auf das Thema und bevor man gar nichts Anderes tut, unterstützt die Unterzeichnung natürlich diejenigen, die sich hier für eine bessere Bildungspolitik in Hessen einsetzen.
Ich habe mich daher entschlossen, diese Petition zu unterzeichnen (hier) – ohne damit jedoch eine allgemeine Empfehlung abgeben zu wollen. Ich hoffe, alle Fakten richtig dargestellt und damit eine ausreichende Basis geschaffen zu haben, damit sich jedeR seine eigene Meinung bilden kann.
Vielleicht jedoch noch ein Hinweis in Richtung der SPD-Opposition: Dieses Thema ist für euch denkbar ungeeignet, um die hessische Landesregierung zu kritisieren:
- Erstens ist die bildungspolitische Erkenntnis, dass Schulsozialarbeit richtig und wichtig ist, nicht erst entstanden, seit die SPD in Hessen in der Opposition ist und ihr habt es selbst lange versäumt, diese nachhaltig zu etablieren.
- Zweitens hätte es in Hessen durchaus ja Mehrheitsverhältnisse gegeben, die eine ganz andere Schul- und Sozialpolitik möglich gemacht hätten. Wenn man aber diese Möglichkeit (aus anderen Gründen) nicht ergreift, dann kann man sich – meiner Meinung nach – hinterher nicht ernsthaft beschweren. Zumindest nicht auf so einem Gebiet, wo die Einigkeit von Rot-Grün-Rot inhaltlich sehr groß gewesen wäre.
Hinweis: Die zur Illustration verwendeten Fotos [(c) Carsten Buchholz] stammen von keiner Darmstädter Schule, sondern aus einem Parkhaus der Technischen Universität Darmstadt.
Siehe auch:
Meine bildungspolitischen Wahlprüfsteine
Veranstaltung: Bildungspolitische Zukunft in Hessen (20.2.2014 )
Schülerforderungen an Landtags-Wahlprogrammen gespiegelt
Marburger Bildungsaufruf: Demokratisierung statt Ökonomisierung!
Soziale Herkunft entscheidet über Chancen
Wieviel müssen Eltern leisten – wann versagt Schule?
Halten Sie eine Leistungsselektion nach der vierten Klasse für richtig?
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