Am 19. März hat die Stadt Darmstadt die Aktivitäten zum Bürgerhaushalt 2015 gestartet. Ziel des Bürgerhaushaltes  ist es, die Darmstädter und Darmstädterinnen an der Erstellung des städtischen Haushaltes 2015 zu beteiligen.

Für die Stadt hat das den Vorteil, auch das Wissen und die Erfahrungen von Menschen nutzen zu können, die sich nicht regelmäßig oder systematisch politisch engagieren und so Einsparungen oder Verbesserungen zu erzielen.

Für die BürgerInnen hat das den Vorteil, auf die Politik auch außerhalb der Wahlen und jenseits der Parteipolitik Einfluss nehmen zu können – aber auch sich untereinander über Probleme der Gegenwart und Perspektiven der Zukunft austauschen zu können.

Ziele des Bürgerhaushaltes - präsentiert von Imke Jung-Kroh, der Bürgerbeauftragten der Stadt Darmstadt
Ziele des Bürgerhaushaltes – präsentiert von Imke Jung-Kroh, der Bürgerbeauftragten der Stadt Darmstadt

Bevor ich von der Kick-Off Veranstaltung berichte, möchte ich kurz den Ablauf des Bürgerhaushaltes vorstellen:  

  1. Workshop Bürgerhaushalt 2014 (Ziel: Verbesserung des Verfahrens) (25. Februar 2014)
  2. Kick-Off Veranstaltung (19. März 2014) (Informationen zum Haushalt und Verfahren)
  3. Vorschlagsphase: 19. März-30. April 2014 (hier können die Vorschläge eingereicht und diskutiert werden)
  4. Abstimmungsphase: 1. Mai – 18. Mai 2014 (dann können wir über die Vorschläge abstimmen und so unsere Favoriten festlegen)
  5. Prüfungsphase: 19. Mai – Mitte September
  6. Haushaltsberatungen: Mitte September – Mitte Dezember
  7. Rechenschaft: Januar 2015
  8. Kick off Bürgerhaushalt 2016: März 2015

Die Kick-Off Veranstaltung fand in der Turnhalle der Mornewegschule in Bessungen statt.

Anwesend waren Imke Jung-Kroh, die Bürgerbeauftragte der Stadt, Barbara Akdeniz, Jochen Partsch, André Schellenberg, Rafael Reißer sowie vielleicht 50 oder 60 DarmstädterInnen.

Zunächst war es die Aufgabe des Städtischen Kämmerers (früher, als es noch einen “Schatz” gab, hieß der Job “Schatzmeister”, heute, wo es dabei um die Verwaltung von Schulden geht, Kämmerer) André Schellenberg, die Ausgangslage darzustellen.  Hier die wesentlichen Fakten:

  • Das Haushaltsvolumen Darmstadts beträgt 500 Mio Euro
  • Davon sind der größte Teil für Pflichtleistungen (aus Gesetzen und langfristigen Verträgen)
  • Investitionen 2014: 74 Mio, davon 21 Mio in den Schulbau
  • Mit dem Ende des Jahres 2013 hatte die Stadt Darmstadt 738 Mio Euro Schulden (gegenüber 799 in 2012)
  • Der Haushalt der Stadt 2013 hatte ein Defizit von 28,5 Mio Euro (gegenüber 62 in 2012 und 113 in 2011)
  • 2014 soll das Defizit auf 19,8 Mio Euro gesenkt werden.
  • Im Moment sind die Zinsen so günstig wie nie
  • 1457 Vollzeitstellen in der Verwaltung – entspricht ca. 2000 Menschen, 1 städtischer MA betreut 86 Bürger
  • Darmstadt wächst rasant (erwartet: 162.000 Einwohner bis 2030) – trotzdem soll durch Verwaltungsmodernisierung Personalabbau betrieben werden (zwecks Haushaltsausgleich) – Jeder Neubürger bringt ca. 1.000 Euro / Monat (über Einkommenssteueranteil und Finanzausgleich)
  • Bis Ende 2017 soll der Haushalt ausgeglichen sein
Entwicklung der Steuererträge Darmstadts
Entwicklung der Steuererträge Darmstadts
Kämmerer André Schellenberg zur Haushaltslage
Kämmerer André Schellenberg zur Haushaltslage

Mehr Informationen zum Haushalt gibt die Broschüre: “Haushalt kompakt”, die von der Stadt kostenlos ausgegeben wird, sowie im Internet unter www.da-bei.darmstadt.de

Die Mitwirkung der Darmstädter am letztjähhrigen Bürgerhaushalt
Die Mitwirkung der Darmstädter am letztjähhrigen Bürgerhaushalt

Oberbürgermeister Jochen Partsch erklärte zum Erfolg des Bürgerhaushaltes 2014, dass in diesem  Jahr 13 Vorschläge umgesetzt würden, die im Rahmen des Bürgerhaushaltes eingebracht wurden. Er sei eine echte Chance, wenn der Bürgerhaushalt gut organisiert werde – und Partsch stellte fest, dass im letzten Jahr noch nicht alles perfekt gelaufen sei: “Wir lernen.”

Er stellte allerdings auch heraus, das Darmstadt die einzigen große Kommune Deutschlands sei, in der die BürgerInnen in diesem Ausmaß am Haushalt beteiligt würden. Das sei eine Neuerung – die Menschen müssten sich zum Teil erst daran gewöhnen, das ihre Stimme auch jenseits von Wahlen gefragt ist.

Was folgte, waren Präsentationen der einzelnen Ressorts: Welche großen Ausgaben dieses Jahr wofür notwendig waren / sind und was für Herausforderungen es in der Zukunft für die Ressorts geben soll. Vor allem viele mündlich vorgetragene Zahlen und Fakten. Diese waren jedoch in der Ballung für jemanden, dem das alles neu ist, kaum zu merken und für KennerInnen der Darmstädter Kommunalpolitik alter Käse. Wenn den Ressort-Inhabern an einer positiven Außendarstellung ihrer Arbeit gelegen ist, dann sollten sie solche Darstellungen zumindest visuell mit Fotos und Graphiken illustrieren. Ein Beamer war ja da.

Aber ich hatte den Eindruck, dass dieser Teil an den Interessen der Zuhörer doch sehr vorbei ging und vor allem die rhetorischen Stärken und Schwächen der einzelnen Referenten herausarbeitete. 🙂 Über die inhaltlichen Kompetenz sagt so was ja immer wenig aus. Dieser Teil der Veranstaltung sollte im nächsten Jahr stark verkürzt oder gleich ganz gestrichen werden. Er ist keine Werbung.

Zwei inhaltliche Anerkungen:

Erstens: Was ich bei Jochen Partsch Statements problematisch fand, war, dass er sich als Advokat der Großunternehmen machte und ausdrücklich eine Unterstützung von Merk forderte und anmerkte, Wella sei “nicht ausreichend begleitet worden”. Das ist mir zu viel Fokus auf die großen Unternehmen – die natürlich das größte Erpressungspotential haben. Eine Denke, die ich vor allem von CDU und SPD erwarte. Dass wirtschaftlicher Erfolg aber vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen getragen wird, bliebt (wie diese) leider wieder unerwähnt – obwohl das wirtschaftswissenschaftlich erwiesen ist. Unnötige Unterwürfigkeit gegenüber Großunternehmen., die eh machen, was die Profite maximiert und (auch wenn sie in Sonntagsreden anderes behaupten) auf die Stadt pfeifen.

Neuerungen im Verfahren zum Bürgerhaushalt 2015
Neuerungen im Verfahren zum Bürgerhaushalt 2015

Zweitens: Loben muss ich Jochen Partsch dagegen für sein Statement “Kultur ist ein wirtschaftlicher Standortfaktor”. Zumindest für Darmstadt gilt das. Gut erkannt und kann man nicht oft genug hervorheben. Dann allerdings das Staatstheater zu nennen und zu sagen es habe “eine Bedeutung für viele Menschen” liegt daneben – erstens ist es nur für eine kleine, und überwiegend wohlhabende Minderheit überhaupt relevant – und selbst diese besucht öfter andere Orte. Nein, Kultur ist vielfältiger.

In beiden Fällen gilt: Immer nur die Großen und Einflussreichen hervorzuheben, ist für mich der falsche Ansatz von Kommunalpolitik.

Vielleicht hatte die Erwähnung des Staatstheaters aber auch einen ganz anderen Grund: Teilnehmer der Veranstaltung war auch Carsten Wiegand, der neue dortige Intendant. In der abschließenden Fragerunde zeigte er sich begeistert vom Bürgerhaushalt und lud die Stadt ein, für solche Veranstaltungen  auch das Staatstheater als Veranstaltungsort zu nutzen.

Gegenüber dem Bürgerhaushalt 2014 wird es dieses Jahr eine wesentliche Neuerung geben: Ein Reaktionsteam wird die Vorschläge auf Zuständigkeit (ist die Stadt überhaupt zuständig?), rechtliche Zulässigkeit und auf Ähnlichkeit zu bereits laufenden Maßnahmen überprüfen, damit nicht über Vorschläge diskutiert und abgestimmt wird, die sich gar nicht umsetzen lassen oder bereits in Arbeit sind.

Von möglichen und wünschenswerten Verbesserungen abgesehen, finde ich aber den Bürgerhaushalt eine wichtige und tolle Sache, die wir jetzt auch nutzen sollten. Insbesondere können diejenigen, die immer über die Politik und die Politiker schimpfen, hier problemlos und ohne Hürden zeigen, was sie drauf haben (Ja, DU bist gemeint!). 

Also: Schnell überlegen, was euch an konstruktiven Vorschlägen zum Darmstädter Haushalt einfällt und das dann vorschlagen! Am besten im Netz, möglich aber auch per Postkarte oder per Telefon.

Mehr Infos: www.da-bei.darmstadt.de

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