In meinem Artikel The State of Bitcoin habe ich beschrieben, dass es für die Weiterentwicklung von Bitcoin wichtig sei, wenn der Kurs stabiler wäre (weniger stark schwanken würde). Helfen – so schreib ich dort auch – würde, wenn man besser einschätzen könnte, was der Bitcoin denn wirklich wert ist. Doch das ist – wie bei allen Währungen – schwierig. Denn eine Währung dient nur als Mittel zum Austausch von Waren – hat also immer nur einen relativen, fast keinen absoluten Wert1. Genauso Bitcoin (für Neulinge im Thema: Was ist Bitcoin?).
Dennoch unterscheidet sich Bitcoin in einem Aspekt von traditionellen Währungen. Denn neben dem Erwerb durch Kauf kann man Bitcoin auch noch auf einem anderen Weg bekommen: Nämlich als Belohnung für die Bestätigung von Bitcoin Transaktionen (“Mining”). Das stellt jeden potentiellen Investor vor eine ganz klassische BWL-Entscheidung: Make or Buy?
Denn statt Bitcoin an einer Börse zu kaufen, könnte man auch anfangen, Bitcoin zu minen. Und wenn die Kosten für das Mining relevant unter dem aktuellen Bitcoin Kurs liegen, dann macht es tatsächlich mehr Sinn, ins Mining einzusteigen, als zu kaufen. Wenn dagegen die Kosten des Bitcoin Minings relevant höher liegen, als die Kosten an den Exchanges, dann macht es Sinn, die Miner abzustellen und direkt zu kaufen.
Um die Kosten des Bitcoin Minings zu berechnen sind universelle (Standort-und Personen unabhängige) sowie individuelle Kostenfaktoren zu unterscheiden:
Universelle Kostenfaktoren des BTC Minings
- Durchschnittl. Dauer bis 1 BTC gemined ist (pro St. Mining-HW)
- Anschaffungskosten Mining HW
- Stromverbrauch Mining HW
Individuelle Kostenfaktoren des BTC -Minings
- Stellplatzkosten
- Kosten Betrieb und Wartung (Lohnkosten)
- Strompreis
- ggf. Kühlkosten2
- Steuern
- ggf. Zinssatz3
- ggf. Risiko-Kosten4
Die folgenden Betrachtungen zu den einzelnen Kostenarten können diese zwar (noch) nicht beziffern, sollen aber sowohl als erste Wegweiser für eine individuelle Analyse als auch als Guideline für folgende Recherchen und Analysen dienen.
Strom
Die Stromkosten bei weitem der größte Kostenfaktor beim Bitcoin-Mining5- und vor allem die einzigen komplett variablen Kosten (alle anderen Kosten sind fix oder Sprung-fix).
Bitooda hat in einer Studie (Juli 2020) versucht, diese (Strom-)Kosten für das Mining eines Bitcoin zu ermitteln (sehr oberflächlicher Bericht auf Deutsch darüber) – und kommt (gewichtet mit den Strompreisen der Mining-Länder) auf einen durchschnittlichen Herstellungspreis von 5.000 US-$ (ca. €4.324)6. Wenn man das mit den heutigen Bitcoin Preis von US-$9.4006 (ca. 8.100 €) vergleicht, muss man sagen, das der Bitcoin derzeit deutlich überbewertet ist.
Oder: Wer sich derzeit Bitcoin zulegen will, sollte ernsthaft erwägen, diese nicht zu kaufen, sondern zu minen. Denn dann könnten sie fast die Hälfte kosten – jedenfalls wenn man in einer Größenordnung kauft, dass die anderen Kosten nicht groß ins Gewicht fallen (dazu gleich noch mehr). Noch günstiger minen diejenigen, die selbst überschüssigen Strom (z.B. aus Sonnenernergie, mit Biogas oder per Wärme-Kraft-Kopplung) erzeugen7.
Natürlich ist die reine Strompreis-Betrachtung für Kleininvestoren in Deutschland zu kurz gesprungen. Deshalb hier ein Blick auf die anderen Kostenaspekte.
Hardware
Nächstgrößter Kostenblock ist die Mining Hardware. So ein Gerät kostet rund 3.000 Euro – aber es kann im Laufe seiner Lebenszeit eben auch mehr als einen Bitcoin minen. Das ist das Gebiet, das ich als nächstes recherchieren will. Updates hier.
Diese Kosten sind übrigens existent – egal ob man selbst ein Gerät kauft, oder sich (anteilig) an einem Mining-Pool beteiligt. Die Anzahl der Mining Hardware ist ein typisches Beispiel für Sprung-fixe Kosten. Der Literatur zufolge gibt es Skaleneffekte die bewirken, dass die Wahrscheinlichkeit der Bestätigung eines Tranksaktionsblocks bei größeren Mining-Farmen größer ist – aber wir wollen mal annehmen, dass diese Effekte für die Make or Buy-Entscheidung eines individuellen Investments keine Rolle spielen8. Die Anschaffungskosten der Hardware geteilt durch die Anzahl der damit (zu erwartenden) geminten Bitcoins9 ergibt den Aufschlag auf die Stromkosten, der in die Make-or-Buy-Entscheidung einfließen muss.
Wartung und Betrieb: Mit der Hardware allein ist es natürlich nicht getan – folgende betriebliche Aktivitäten fallen an:
- Software Installation
- Monitoring
- Restart
- ggf. Hardware-Austausch bei Schäden
Die dafür notwendigen Qualifikationen sind keine Rocket-Science und können aus Internet-Quellen erworben werden. Erwerb dieser Qualifikation und die Arbeit müssen in die Make-or-Buy Erwägung einbezogen werden – auch wenn man es selbst macht, sollte man einen kalkulatorischen Stundenlohn ansetzen (denn man könnte ja die Zeit sinnvoller verbringen). Wenn man sich einem Mining-Pool anschließt, wird eine Gebühr für den Betrieb fällig, die i.d.R. vom Mining-Ertrag abgezogen wird10.
Auch beim Betrieb sind Skaleneffekte zu erwarten – die Aufwände pro Stück Hardware (und damit pro Bitcoin) sinken drastisch, je mehr Miner ich betreibe. Ab einer bestimmten Anzahl ist es sogar lohnend, regelmäßige Tätigkeiten zu automatisieren.
Steuern
Für das Bitcoin-Mining können (je nach Person und Standort) folgende Steuern relevant sein:
- persönlicher Einkommenssteuersatz
- Gewerbesteuersatz
- Mehrwertsteuersatz
- ???
Da die Steuern sowohl geographisch als auch persönlich unterschiedlich sind und zudem vom gewählten Mining-Modell / Unternehmensform abhängen, lässt sich hier kaum eine pauschale Aussage machen und da ich kein Steuer-Experte bin, werde ich auch hier keine Einzelfall-Betrachtung anstellen. Bei eine Make-or-Buy Entscheidung sind die persönlich relevanten Steuerregeln jedoch mit in die Kalkulation ein zu beziehen.
Was sich jedoch meiner Meinung nach sagen lässt: Wer bereits gewerblich oder anderweitig selbstständig tätig ist (vor allem wenn es gewinnbringend ist) könnte insbesondere steuerlich ganz erhebliche Vorteile beim Bitcoin Mining haben, das er / sie
a) die Kosten möglicherweise in erheblichem Umfang absetzen kann
b) die Mehrwertsteuer ein durchlaufender Posten sein kann
c) in der Investitionsphase eine Gewinnbesteuerung verringern kann.
So unfair das auch ist.
Stellplatzkosten
Bitcoin Mining Server müssen irgendwo aufgestellt und betrieben werden. Ein einzelner Server lässt sich vielleicht noch im eigenen Büro unterbringen – eine größere Zahl braucht auf jeden Fall einen Stellplatz (siehe auch die Fußnote oben zum Punkt Kühlkosten). Wer keinen überschüssigen Platz hat – muss hier ggf. Mietkosten in die Make-or-Buy-Entscheidung einfließen lassen.
Zu den weiteren Kosten habe ich bereits in den Fußnoten oben einiges gesagt.
Fazit
Sicher liegen für die meistern Investoren die Stückkosten des Bitcoin Mining über den 5.000US-$ die Bitooda je Bitcoin ermittelt (und heraus posaunt) hat. Aber für sehr viele Investoren sicher auch unter den rund 9k, die man derzeit an den Exchanges pro Bitcoin bezahlt.
Was aber die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist: Der (angemessene) Wert des Bitcoin ist kein Geheimnis mehr – sondern kann (aufgrund der deterministischen Natur des Bitcoin Minings) analysiert und rationalisiert werden. Und diese Erkenntnis zu verbreiten, kann helfen, den Bitcoin Kurs zu stabilisieren und den Einsatz von Bitcoin als Zahlungsmittel / Wertaufbewarungsmittel attraktiver zu machen.
Siehe auch:
Ist Bitcoin ein reines Spekulationsobjekt?
Bitcoin as an Investment (auf Medium, Engl.)
Bitcoin als Investition (dt.)
Die miese Masche des Multi Level Marketing (MLM)
Three Laws of Bitcoin (engl.)
Ethereum stolpert, aber … (9.6.2017)
Mein Jahr mit der Blockchain (28.12.2016)
Ist Bitcoin ein reines Spekulationsobjekt?
Bitcoin as an Investment (auf Medium, Engl.)
Bitcoin als Investition (dt.)
Die miese Masche des Multi Level Marketing (MLM)
Three Laws of Bitcoin (engl.)
Ethereum stolpert, aber … (9.6.2017)
Mein Jahr mit der Blockchain (28.12.2016)
Zcash (5.12.2016)
- Wenn man den reinen Materialwert von Münzen und Gelscheinen vernachlässigt, den nah Null liegt.[↩zurück ↩]
- Kühlung: Mining Hardware wird im Berieb warm und muss daher je nach Standort mehr oder weniger gekühlt werden. In einer natürlich kühlen Umgebung oder bei Nutzung der Abwärme zum Heizen / Warmwasseraufbereitung können diese Kosten bei Null liegen.[↩zurück ↩]
- Zinssatz: Wer Bitcoin kauft, kann diesen sofort wieder verwenden – zum Traden oder zum Einkaufen. Beim Mining liegen Investition und Ertrag auseinander – daher sollte ggf. ein (persönlicher) Zins in die Betrachtung einbezogen werden. Wenn dagegen Bitcoin als längerfristige Investition (“hodln”) beabsichtigt ist, ist das nicht relevant.[↩zurück ↩]
- Risiko-Kosten: Wer selbst keine Bitcoin-Miner aufstellen kann/will kann sich Mining-Pools anschließen, muss jedoch folgendes Problem beachten: Nicht alle Mining-Pool Anbieter sind seriös – manche betreiben eine Pyramidenspiel statt wirklich Bitcoins zu minen. Das Risiko kann man zwar mit gründlicher Recherche minimieren – die aber (Zeit) kostet und ein Restrisiko wird immer bleiben.[↩zurück ↩]
- Vergleich des Stromverbrauches von Bitcoin mit anderen Währungen und Branchen[↩zurück ↩]
- Stand:. 22.7.2020, 20 Uhr[↩zurück ↩][↩zurück ↩]
- Hier ist der Strompreis – je nach Betrachtung – entweder nahe Null oder in Höhe der (sehr geringen) Einspeisevergütung anzusetzen[↩zurück ↩]
- Sie können aber ein Argument sein, sich statt dessen einem Mining Pool anzuschließen.[↩zurück ↩]
- Beste Info bisher: Mit einem Antminer S19 Pro (110 th/s) kann man in vier Jahren einen Ertrag von, 1,2 BTC erzielen (lt. Mining Calkulator von cryptocompare.com – dieser legt aber nicht die zugrundeliegendedifficulty offen.[↩zurück ↩]
- Leider sind viel (selbst große) Mining-Pools hier selten transparent was die Gebühren / Betriebskosten angeht – ich würde aber auf jeden Fall die Finger von einem Pool lassen, der hier keine Transparenz herstellt – das ist ein klares Zeichen für Unserösität und / oder Unproffessionalität.[↩zurück ↩]
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