Gastbeitrag von Janni
..war schon lange Zeit eine umweltbewusste Wunschvorstellung von mir. Die Realität sah leider anders aus. Ständig den Zeitfaktor im Genick, immer wieder einige Minuten einzusparen, ließen mich automatisiert zum Autoschlüssel greifen, um dann doch mit schwerer Verbrennungsmaschine die wenigen Kilometer zum Einkaufen zu fahren. Allerdings muss ich zugeben, dass meine alte Heimat (Saarland) sehr hügelig ist und man eine beachtliche Kondition benötigt, um alle Erledigungen mit dem Rad zu bewältigen.
Nun erzähle ich Euch (m)eine zunächst traurige und dann sehr schöne (Lebens-)Geschichte, die sehr mit dem RADFAHREN verbunden ist :o))))))))))))))
Eines Tages beschlossen mein Ex-Mann und ich, dass wir doch besser getrennte Wege gehen sollten. Da war nichts mehr zu kitten. Mit diesem Auseinandergehen verlor ich alles, was ich mir in über 20 Jahren aufgebaut hatte: einen Lebenspartner, ein sicheres abgezahltes Heim, einen wunderschönen biologisch bewirtschafteten Garten, viele wichtige Dinge im und am Haus und auch ein Auto.
Mein Leben war auf 0 gesetzt, sozusagen resetet. Was mir mit anderen wenigen Dingen verblieb, war mein Radel (ein Stevens Cross Rad). Ich erkannte sofort die Chance meines Lebens und sagte zu mir, „oh ja, jetzt endlich kann ich (m)ein umweltbewusstes Leben leben und ab sofort nur noch radeln, zu Fuß gehen oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Ein Auto hätte ich mir sowieso nicht leisten können.
Stellt Euch vor, es klappt und sogar viel viel besser, als ich mir zunächst dachte. Inzwischen sind fast 2 Jahre vergangen und ich besitze immer noch kein Auto!!!
Über ein Jahr fuhr ich in meiner hügeligen Ex-Heimat viele Einkäufe und meine Strecken zum Fitness-Studio mit dem Radel bei Wind und Wetter. Gerne denke ich an die ganz speziellen Rückfahrten an späten Winterabenden bei ordentlichen Minustemperaturen zurück. Nach einer Doppelstunde (Bodypump und Spinning) fuhr ich dick eingepackt nach Hause und musste am Ende noch einen langen recht steilen Anstieg bewältigen, um ganz oben auf dem Berg zu meinem Wohnhaus zu gelangen, nach 2-stündigem kräftezehrenden Sportprogramm oftmals etwas quälend. Das Radel stellte ich jedes Mal in die große Garage beim Haus und freute mich köstlich, dass mein edles Crossrädchen einen schönen großen Stall für sich ganz alleine hatte, während meine ganzen Nachbarn lächerliche dicke Autos in ihren Garagen stehen hatten ;o)))
Eines schönen warmen Sommertages war ich traurig, da ich alleine war. Da war keine starke Schulter mehr, an die ich mich anlehnen konnte, kein sportlicher Freund mehr an meiner Seite, der mit mir tolle lange Urlaubstouren mit dem Radel unternahm …………… So beschloss ich etwas zu tun. Und was? Ich inserierte beim ADFC (großer Dank dem ADFC an dieser Stelle) in der Rubrik „Radpartner gesucht“ oder so ähnlich, dass ich ein passendes männliches Pendant für tolle Urlaubstouren suche und ganz klein darunter „bei Sympathie evtl. mehr“.
Da ich schrieb, dass ich viel radele und ziemlich sportlich sei und bei Urlaubstouren auch mal locker 100 km pro Tag schaffte, glaubte ich eher weniger Zuschriften zu erhalten. Jedoch kamen so einige……
Eines Tages erreichte mich eine Mail, die meine Aufmerksamkeit besonders erregte. So lernte ich einen lieben Nürnberger kennen.
Uns verband vieles. Vor allem aber, dass wir beide unseren Ex-Partner verloren hatten und damit alles weitere, unser Leben auf 0 gesetzt war und wir beide außer Kleinigkeiten nur noch unser Radel hatten. Darüber hinaus sind wir beide auch sehr sportlich und können gut auf vieles verzichten (z. B. Fernsehgerät). Dafür haben wir viele gute Bücher und kochen gerne gutes Essen und genießen. Wir leben nun bereits ein halbes Jahr zusammen und erledigen alle unsere Einkäufe mit dem Rad, sogar jetzt im Winter bei Eis und Schnee.
Über das Radfahren haben wir uns kennengelernt und es besteht kein Zweifel daran, dass mein Leben aufgrund dieses umweltfreundlichen Fortbewegungsmittels eine sehr positive Wende erfahren hat und ich nun wieder sehr glücklich bin.
Alle Menschen, vor allem den einsamen, wünsche ich von Herzen, dass sie auch einen lieben Partner haben/finden, der die Freude am Radfahren mit ihnen teilt und sie gemeinsam einen Lebensstil pflegen können, der dem Leben auf unserer Erde gut tut, der sozusagen nachhaltig ist.
(Dieser Artikel erschien zuerst als Gruppen-Beitrag auf Utopia.de)
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Fotos: Carsten Buchholz
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#1 by Kimberly on 10. Februar 2014 - 0:53
Natürlich ist ein Leben ohne Mercedes, Fiat und Co möglich. Aber wie sinnvoll ist das wirklich? Nicht jeder kann es sich leisten verschwitzt im Büro anzukommen. Und der Familieneinkauf geht auch nicht ohne unseren Gebrauchtwagen. Dann sieht die Welt anders aus.
#2 by Carsten on 10. Februar 2014 - 22:00
Danke!
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#3 by Marian on 24. Februar 2014 - 14:16
Wahrscheinlich hätte ich wirklich ein Foto davon machen können. Passt genial zu Kimberlys Aussage: „Und der Familieneinkauf geht auch nicht ohne unseren Gebrauchtwagen“. Wirklich? Wie kommt man zu solch einer Aussage?
Meinen Wocheneinkauf für die 3er-WG erledige ich mit meinem Tourenrad. Gepäckträger hinten, Ortliebtaschen drauf, 3 Spanngurte sind immer vorne in der Lenkertasche.
Diese Woche habe ich 53kg eingekauft, nur um mal zu testen, wieviel gehen könnte. Dabei habe ich den Lowrider vorne noch nicht einmal ausgenutzt. Und das Fahren dieses Rades war zugegeben, etwas minimal schwerer als sonst, aber was ist schon dabei?
Was ich wirklich verstehe ist, wenn der Supermarkt weiter als 5km entfernt ist und Hügel/Anstiege dazwischen sind.
Allerdings, wenn man möchte, schafft man selbst das mit dem Rad.
#4 by Teichmann Christoph on 24. Februar 2014 - 18:11
Ich lebe seit 2004 ohne Privates Auto. Zuerst nahm ich noch beim Car Sharing Teil, weil ich auch der Meinung war Einkaufen geht nur mit Auto.
Ist natürlich genauso Quatsch wie das Argument vieler Frauen mit dem Verschwitzt sein. Klar Transpiriert der Körper wenn man sich Bewegt, aber wenn man jeden Tag mit dem Rad auf Arbeit oder einen Berg hoch fährt, ändert sich das durch die Kondition.
Zum Einkaufen sollte man die 23 € für den Velo Athlet ausgeben. Damit sind Getränke leicht Transportiert.
http://s399786187.e-shop.info/shop/article_1/Velo-Athlet.html?sessid=GhOhX5BPUzcX7HI2qoyNm23vJItnFdWMGoDvT0gA7mRBWNt7fBPwU5WsmvBagqc2&shop_param=cid%3D10%26aid%3D1%26
Ich denke nicht das ich mir mal wieder ein Auto leiste, mit dem ich eh nirgendwo Parken darf, oder schnell fahren darf usw. Ein Fernseher habe ich auch seit Jahren nicht mehr im Haushalt (doch auf dem Boden in einer Kiste).
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#5 by Blop on 20. Juni 2014 - 18:02
Es kommt darauf an, wo man lebt. Ich wohne beispielsweise in ländlicher Gegend. Die 6 Monate ohne Auto waren eine Qual. In diesem Kuhkaff hier, ist man ohne Auto im Prinzip von der Aussenwelt abgeschnitten und fast völlig handlungsunfähig.
Wenn man hingegen in der Stadt wohnt und alle paar Minuten ein Bus oder Bahn fährt, siehts besser aus…