Liebe PiratInnen,

der Landtags- und Bundestagswahlkampf ist jetzt vorbei. Zeit ein paar Sachen loszuwerden – Gedanken zu euch, die ich in letzter Zeit gesammelt habe.

Piraten-Uhren ticken anders! Mittagspause bis 17:10 Uhr

Piraten Siesta? Nein – Piraten-Uhren ticken anders!

1.) Zunächst einmal: Danke! Was ihr macht ist wichtig. Egal wie viele Prozente ihr bekommen habt. Die Gespräche, die Diskussionen, der gezeigte Dissenz: Das alles wirkt längerfristig und nachhaltiger als Geschimpfe auf andere Parteien und ein paar Parlamentssitze. Ihr habt  viele Menschen inspiriert.

2.) So wichtig, wie ihr eigentlich für die Demokratie seid: Ich bin nicht überrascht, dass ihr die 5% nicht knackt habt. Vielen Menschen in meinem Umfeld ist es wichtiger, die derzeitige Regierung in Hessen loszuwerden, als unbedingt die Piraten ins Parlament zu bringen (trotz vieler Zustimmung zu euren Inhalten).

Das liegt zum einen mit einer tiefen Abneigung gegen die nationalistisch-christlichfundamentalistische-neoliberale Politik dieser Regierung. Ich habe noch am Wahl-Sonntag mit einem langjährigen Linke-Wähler gesprochen, der sich dieses Mal: „überwunden“ und die SPD gewählt hat, nur weil er Angst hatte, das es sonst nicht reicht, um Schwarz-Gelb loszuwerden.

Zum anderen hat das ganz pragmatische Gründe: Mir zum Beispiel graut vor 4 weiteren Jahren Stillstand in der Bildungspolitik. Mein Sohn ist jetzt in der 6. Klasse und eine große Koalition wäre eine Katastrophe. Wie mir geht es vielen Eltern. Auch viele andere Menschen (z.B. Kulturschaffende, Umwelt-Aktivisten, …) fürchten ein „weiter so“ mit der CDU mehr, als ihnen eine Unterstützung eurer Kernthemen wichtig wären.

Deshalb: Eure große Zeit in Hessen wird erst mit Rot-Grün (oder Rot-Rot-Grün) kommen. Also hofft drauf, das die SPD sich noch überwindet, sonst sehe ich auch in vier Jahren euren Landtagseinzug (in Hessen) noch nicht.

3.) Ich bin ja (zumindest im Vergleich zu den meisten von euch) schon etwas älter. Und habe so meine Probleme mit eurer ausgeprägten Streit-„Kultur“. Ich kann da zwar mit umgehen, aber mich hat das schon in den Usenet-Kriegen und während der großen Flame-Wars (also lange bevor die Piratenpartei entstand) angekotzt:

  • wie respektlos viele Menschen im Netz miteinander umgehen
  • diese furchtbare, typisch deutsche Rechthaberei
  • diese schnelle rausballern von Einzelargumenten und Gedankenfetzen, statt sich mal die Zeit zu nehmen, eine längeren und komplexeren Gedankengang zu formulieren.

Ihr werdet es vermutlich nicht glauben, aber ihr isoliert euch damit. Ich könnte keinem meiner Freunde und Arbeitskollegen mit gutem Gewissen eine Teilnahme an der Hessen Mailingliste empfehlen, ohne dass die euch anschließend für komplett gaga und völlig unwählbar halten. Auch wenn ich weiß, dass diese Mailingliste nicht repräsentativ für die Mehrheit der PiratenInnen ist.

Das nur als Feedback, ich habe dafür keine Lösung. Aber vielleicht ein Tipp: Verbringt so oft wie irgend möglich Facetime mit Menschen, die nix mit Piraten am Hut haben (und hört ihnen zu – nicht volltexten). Das sorgt für eine gesunde Erdung.

4.) Es ist völlig normal, dass man nicht alle Positionen und Handlungen seiner Partei teilt. Warum sollten die Ansprüche an eine Partei höher sein, als an eine Beziehung? Aber viele Leute tun so. Entspannt euch!

5.) PolitikerInnen (sowohl die eigenen als auch die der anderen Parteien) sind keine „Wesen höherer Art“ – sondern nur Menschen. Zum Glück! Auch wenn einige von ihnen wie Maschinen oder Cyborgs wirken: Tief innen drin sind sie Menschen mit Fehlern, Ängsten, Trieben, Emotionen und Bedürfnissen. So wie wir. Wenn man sich dauernd nur über Andere empört, nutzt sich Empörung schnell ab. Entspannt euch!

6.) Insbesondere gilt Godwin’s law.

7.)  Zieht euch mal den Blog-Artikel “ Lob auf den Mainstream“ von Antje Schrupp rein –  http://antjeschrupp.com/2013/09/11/lob-auf-den-mainstream/

Ihr Fazit: Es genügt mir nicht, Recht zu haben, ich will auch alle anderen davon überzeugen – und gehe dabei bewusst das Risiko ein, dass meine reine Lehre dabei verwässert wird. Dieses Wechselspiel ist es, worauf es ankommt.

8.) Eine kleine Redewendung aus meiner täglichen Spanisch-Mail:

Lo mejor es enemigo de lo bueno (dt: Das Bessere ist der Feind des Guten). Meint: Manchmal führt der Versuch, etwas perfekt zu machen, dazu, dass alles zerstört wird.

9.)
Ezekiel 25:17: „The path of the righteous man is beset on all sides by the inequities of the selfish and the tyranny of evil men. Blessed is he who, in the name of charity and good will, shepherds the weak through the valley of darkness, for he is truly his brother’s keeper and the finder of lost children. And I will strike down upon thee with great vengeance and furious anger those who attempt to poison and destroy my brothers. And you will know my name is the Lord when I lay my vengeance upon you.“

I been sayin’ that shit for years. […]  Now I’m thinkin’, it could mean you’re the evil man. And I’m the righteous man. And Mr. Nine-millimetre here, he’s the shepherd protecting my righteous ass in the valley of darkness. Or it could be you’re the righteous man and I’m the shepherd and it’s the world that’s evil and selfish. I’d like that. But that shit ain’t the truth. The truth is you’re weak. And I’m the tyranny of evil men. But I’m tryin’. I’m tryin’ real hard to be a shepherd.