Sibylle Berg: Sex II

Sibylle Berg: Sex II

Sibylle Berg hat einen Splatter-Roman geschrieben. Das steht nicht draußen drauf. Da steht „Sex II“ drauf. Das ist irreführend. Deshalb warne ich euch hier.

Wenn ihr also (im Buchladen oder in der Bibliothek) ein Buch mit dem Titels „Sex II“ seht, dann macht nicht den Fehler zu denken: „Oh, Sex ist doch eine der schönsten Sachen der Welt, das nehme ich mir mal mit.“  Wenn ihr dagegen auf Splatter-Filme steht, wo Blut und Gedärme spritzen, dann könnte dieses Buch etwas für euch sein. Doch nur vielleicht, denn neben der drastischen Schilderung von Verstümmelungen, Brutalität, grausamen Tötungen und anderen körperlichen Grausamkeiten enthält das Buch massiv depressives Gedankenmaterial. Wer auch nur 10% von dem glaubt, was er so liest, wird  mit diesem Buch zum Ergebnis kommen, dass die Menschheit (zumindest die der westlichen Zivilisation) zutiefst verkommen und des Überlebens unwert ist. Und dass die effektivste Art dazu beizutragen, der Selbstmord ist.

Und das meine ich nicht witzig. Ich habe mich durch dieses Buch gequält, um herauszufinden, was Frau Berg damit bezwecken will und ob es wenigstens am Ende eine Wendung, eine Aussage, einen irgendwie hervorhebenswerten Gedanken gibt. Gibt es nicht. Das Buch endet genauso depressiv, hoffnungslos und dunkel, wie es ab Seite 15 wurde (Spoiler bewusst gesetzt, damit niemand aus gleicher Neugierde drauf rein fällt) und dazwischen gibt es nur pervers-brutale Abgründe.

Es ist nicht so, dass Sibylle Berg nicht schreiben könnte. Im Gegenteil. Und an den zwei Stellen, an denen sie ihre Protagonistin mal aus der Lethargie heraus kurz zur Wut verirrt, kommen brillante Sätze zu Tage, bei denen das Wort zur Waffe wird. Jörg Fauser wäre stolz. Kurz.

Das Drama beginnt noch recht Unterhaltsam mit einer frustrierten Großstadt-Autorin, die vor allem an der Oberflächlichkeit und Scheinheiligkeit des eignen Lebens und dem ihrer „Freunde“ verzweifelt. Als wenn das nicht schon genug her gäbe, lässt Frau Berg  ihr Alter-Ego eines Morgens mit der Fähigkeit erwachen, durch alle Mauern und in alle Köpfe in ihrer Umgebung zu schauen. Wobei „alle“ nicht richtig ist. Natürlich sieht sie fortan nur noch die kaputtesten, fertigsten und perversesten Menschen. Dafür kennt sie sofort deren gesamte Geschichte, ihr Gedanken und sieht ihnen (bevorzugt) beim Sterben oder Töten zu.

Natürlich gab es all diese Dinge, die Sibylle Berg hier beschriebt. Irgendwo, irgendwann. Und wenn man lange und ausdauernd in den übelsten Boulevard-Blättern aus dem Hause Springer liest, dann wird man all die Scheiße, die Frau Berg hier zusammen trägt, auch finden. Aber man muss schon sehr suchen.

Wenn aber alle Menschen so wären wie beschrieben, würde sich die Bevölkerung der betroffenen Städte alle 24h ungefähr halbieren, so penetrant metzelt Sibylle Berg ihr Figuren nieder. Vermehrung dagegen fände kaum noch statt, da sich der titelgebende Sex weitgehend auf Onanie und unproduktive Sexpraktiken beschränkt. Insofern würde sich die von ihr verfluchte Stadtbevölkerung binnen Kurzem selbst ausrotten. Gute oder auch nur durchschnittliche Menschen sieht / durchschaut die namenlose Protagonistin dagegen (fast) nicht.

Zusammengefasst: Dieses Buch ist so negativ, dass es auch einen kommerziellen Misserfolg als Antwort verdient. Das wäre angemessen. „Amerika“ von Sibylle Berg habe ich ja noch wirklich gemocht, aber nun werde ich einen großen Bogen um ihre Bücher machen. So etwas muss ich mir einfach nicht geben.

 

Sibylle Berg  (1989): Sex II, Reklam: Leibzig.

Meine Lesezeit: 6 Wochen

Bewertung:  0 (von 5)

 

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