Ein Theaterstück über eine Beziehungskrise. Gähn. Wer kennt das nicht? Und gehts nicht in gefühlten 80% aller Theaterstücke um eine Beziehungskrise, der eine oder andern Art?
Paartherapie. Hm. Das kann noch nicht jeder von sich behaupten, zu kennen. Einige haben ihre Beziehungen auch ohne Paartherapie verbockt, andere ohne Paartherapie repariert. Und manche basteln ihr Leben lang als blutige do-it-yourself-Amateure dran rum. Und sie alle wundern sich, wie so was (also die Therapie) beim Profi eigentlich abläuft. Ist ja schon intim, sich so vor einen Paartherapeuten auszuziehen. Emotional. Da wird der Voyeur in uns neugierig. So ganz unbeteiligt zuschauen, wie andere sich da ausziehen, das wäre doch schon mal interessant.
Und die, die schon mal eine Paartherapie mitgemacht haben, wundern sich natürlich auch: “Ist das bei Anderen auch so wie bei uns war? Wie fühlen sich Andere dabei? Können Paartherapeuten denen helfen? Den ganz aussichtslosen Fällen, die wir ja alle kennen?”
Bestseller-Autor Daniel Glattauer hat ein (gefeiertes) Stück, ein Kammerspiel für drei Personen, drüber geschrieben. Und Theater Curioso hat es in Darmstadt auf die Bühne gebracht. Ulrich Sommer führt Regie und erlaubt uns so, zuzuschauen, wie sich Frau Dorek (Nicole Klein) und Herr Dorek (Mario Krichbaum) auch unter den Augen von Therapeut Hans Kreisle die Hölle zur Ehe machen.
Im ersten Akt kommen wir Voyeure ordentlich auf unsere Kosten: Wir erkennen reichlich Freunde, Verwandte, Bekannte – und ihre Beziehungen wieder. Vielleicht sogar unseren eigenen Partner oder uns selbst. Wir erkennen die Beziehungs-Muster und die Versuche des Therapeuten, sie zu brechen und den entschiedenen Widerstand, den seine Clienten aufwenden, um ihn damit scheitern zu lassen.
Hier lässt das Stück keine Chance aus, uns unser lang einstudiertes Rollen-Verhalten drastisch vor Augen zu führen und Bild- und Sprach-gewaltig mit den Klischees zu spielen. Etwas mehr gegen diese zu spielen, manches etwas subtiler zu inszenieren, hätte der Aufführung noch einen Kick mehr gegeben, aber der großartigen Unterhaltung tut das an keiner Stelle einen Abbruch.
Dann im zweiten Akt jedoch geschieht das Unerwartete und bringt alle diese sorgfältig einstudierten Rollen und Muster völlig durcheinander. Mehr sei hier nicht verraten – wer mehr wissen will, muss halt ins Theater gehen.
Wer “Der Gott des Gemetzels”, “Der Rosenkrieg” oder Woody Allen mag, wird definitiv auch an diesem intimen Einblick in die ganz alltäglichen Untiefen der Paartherapie seine helle Freude haben. Wer intellektuellere Einblicke in die Psychologie der Beziehung erwartet, könnte leicht enttäuscht werden. Was nicht an der Aufführung liegt – Theater Curioso kann kaum in der Stück hinein spielen, was in der ans Breiten-Publikum gerichteten Vorlage von Glattauer an Erklärungen für das Warum unseres Verhaltens nicht enthalten ist. Zum Nachdenken darüber regt es dennoch an – wenn man willig ist.
Wer also neugierig auf Paartherapie und ihre Subjekte ist und vielleicht auch auf ein wenig Selbsterkenntnis, der findet in der Wunderübung einen kostengünstigen und unterhaltsamen Einstieg ins Thema. Natürlich bringt ein Besuch beim echten Paartherapeuten mehr Erkenntnis. Kann man auch mal ohne echte Beziehungskrise tun. Auch ohne echte Beziehung. Braucht nur zwei Personen (beliebigen Geschlechts), deutlich mehr Eintrittgeld und ein bisschen eigenes Theaterspiel.
Aber was für fiese Gedanken flüstern mir die Stimmen in meinen Kopf da schon wieder ein? Besser ich höre jetzt auf. Fangt erst mal mit der Wunderübung an. Von allem Anderen erwarte ich dann später eure Berichte. 😉
Alle Bilder: Theater Curioso
Die nächsten Aufführungen:
Mo. 27. März 2017 20 Uhr, Stalburgtheater
So. 16. April 2017 20 Uhr, Stalburgtheater
So. 23. April 2017 18 Uhr, Theater Mobile Zwingenberg
Fr. 28. April 2017 20 Uhr, Theater Moller Haus im Exil
Sa. 29. April 2017 20 Uhr, Theater Moller Haus im Exil
Fr. 12. Mai 2017 20 Uhr, Theater Moller Haus im Exil
Sa. 13. Mai 2017 20 Uhr, Theater Moller Haus im Exil
Di. 16. Mai.2017 20 Uhr, Stalburgtheater
So. 4. Juni 2017 20 Uhr, Stalburgtheater
Theater Moller Haus im Exil
Hügelstraße 75, 64283 Darmstadt
Stalburg Theater
Glauburgstraße 80, 60318 Frankfurt
Theater Mobile Zwingenberg
Obertor 1, 64673 Zwingenberg
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#1 by Andreas on 29. März 2017 - 13:07
Klingt interessant. Schaue ich mir an.
#2 by Carsten on 29. März 2017 - 13:14
Kann ich empfehlen.