Terry Evans hat den Blues

Terry Evans hat den Blues

Ich vermute, es war der Jazz, der mich – bereits in jüngsten Jahren – mit dem Blues infiziert hat. Doch es brauchte immerhin bis in die Pubertät und ZZ Top, um diese Leidenschaft zu erkennen. Und Whitesnake. Erst danach habe ich – nicht unbeeinflusst durch den Film Blues Brothers – nach und nach die Helden des Blues kennen und lieben gelernt: Aretha Franklin, Muddy Waters, B.B. King, J.J.Cale,  .. el. al.

In den letzten Jahren kamen für mich die neuen Impulse für den Blues wieder aus der Richtung, aus der ich ihn damals kennengelernt hatte: dem Blues-Rock. Die „Jon Spencer Blues Explosion“ und zuletzt „The Black Keys“ waren die Entdeckungen, die ich zuletzt viel gehört habe.

Mehr zufällig wurde ich dann neulich auf ein Konzert im Rex in Bensheim mitgeschleppt. Terry Evans und Hans Theessink. Hab mich natürlich auf Youtube kundig gemacht. Was ich da hörte, klang wie gut geeignet für einen netten Abend.

Was mich dann im Rex erwartete, war kein guter Abend, das war absolut fantastisch. Umwerfend.  Abgefahren. Für eines der besten Konzerte die ich je gesehen habe, brauchte es nicht mehr als zwei Männer mit zwei Gitarren. Theessink ist ein Perfektionist an der Gitarre, Evans ein begnadeter Sänger mit einem unglaublich breiten Spektrum – sowohl stimmlich als auch stilistisch.

Sie spielten einen Blues irgendwo zwischen dem weißem Blues von Clapton oder Ten Years After und klassischen Mississippi Delta Blues, jonglieren mit den Stilen und Stimmungen und mixen immer mal wieder reichlich R’n’B oder eine erfrischende Priese Gospel hinein. Und alles so authentisch, als seien wir nicht in Bensem, sondern in einer Kaschemme irgendwo im Delta.Das die steifen Hessen sich etwas schwer taten, aus sich heraus- und mitzugehen, tat dem Genuss keinen Abbruch.

Die vielen Wechsel in Tempo, Stimmung, Stimme, Stil, Lautstärke, u.s.w. ist das, was dieses Duo vielleicht am deutlichsten von vielen anderen Blues Bands unterscheidet. Sie wechseln – ohne Brüche – von traurigen Songs wie “It hurts me too”, die klassische Blues Motive wie Liebseskummer und Beziehungskrisen verarbeiten,  zu Ohrwürmern wie “Puring water on a drowning man”. Sie spielen den Klassiker “The Birds And The Bees”, mit dem Terry Evans nicht nur sein erstes Geld als Musiker verdiente, sondern als Mitglied der “Turnarounds” auch gleich einen Welthit landete – vor mehr als 50 Jahren. Auf diesen fröhlichen Ausflug in die Unbeschwertheit der Charts kann dann aber ohne Probleme eine ausgedehnte  und extrem anrührende Interpretation des sozialkritischen J.B. Lenoir-Titels “Down In Mississippi” folgen. Nur um dann kurz später den selben Staat in Theessinks “Mississippi” als Wiege des Blues zu feiern. Um dann völlig respektlos und genial den Rock’n Roll Klassiker “Marbellene” zu ver-Blues-en. Ein Fest! Und dann laufen einem bei “Shelter from the storm” Schauer den Rücken herunter  – so leise, so anrührend, so zärtlich zupfen sie dieses Liebeslied.

Thesink & EvansEinen ordentlichen Anteil an der Faszination haben auch die tollen – aber sehr unterschiedlichen – Stimmen der beiden, die sich beim gemeinsamen Gesang zu sehr dynamischen Harmonien ergänzen. Daran hat nicht nur das Publikum seinen Spaß – auch Evans und Theessink stecken sich offensichtlich selbst damit an.

Das ganze Gemisch macht sehr viel Spass – emotional, aber durchaus auch intellektuell.  Und das Auge kommt dabei nicht zu kurz. Denn obwohl hier nur zwei Männer auf der Bühne sitzen, wird dem Auge viel geboten. Wer nah genug an Terry Evans stand (was bei kleinen Sälen wie dem Rex kein Problem ist) konnte sein intensives und eindrückliches Mienenspiel beobachten. Theessink dagegen hat ein echtes Pokerface, dafür aber ein um so beeindruckenderes Fingerspiel an der Gitarre zu bieten.

Aber sind Evans und Theessink wirklich so fantastische Musiker? Oder hat mich hier ein Live-Auftritt einfach nur mitgerissen (wäre nicht das erste Mal)? Um das überprüfen zu können (und weil so die Musiker am meisten profitieren, nicht Labels, Speditionen und Vertriebs-Konzerne) habe ich mir schon in der Pause zwei Silberscheiben zugelegt (sie hatten auch echte Platten dabei):

Gespannt habe ich am nächsten Tag die Delta Times eingelegt und war vom ersten Moment an wieder genauso begeistert wie beim Konzert.Und seither ist dieses Album mein meist-gehörtes.

Evens & Theessink: Delta Time

Evens & Theessink: Delta Time

Von Call me war ich zunächst enttäuscht. Das lag auch daran, das die dort aufgenommene Version von Mabellene nichts mit der genialen Version des Konzertes (wegen der ich diese CD auswählte) gemeinsam hat. Allerdings ist Call me von 1992 und damit immerhin schon 20 Jahre alt. Da kann sich so ein Song ja schon mal weiter entwickeln. Außerdem meinte ich für meinen Geschmack doch etwas zu viele Country-Einflüsse heraus zu hören. Bei zweiten Hören habe ich jedoch auch auf diesem Album einige wirklich spannende Songs entdeckt – noch einmal anders. Ich muss Hans Theessing  ein hohes Maß an Genialität bescheinigen.

Ich habe mir deshalb fest vorgenommen, mir auch das zweite Evans / Theessink Album “Visions” (2008) auf jeden Fall noch zuzulegen (ups, gerade ist es “passiert” ). Genauso wie ich auf jeden Fall das nächste Konzert von ihnen beiden besuchen werde, das für mich erreichbar ist.

Weitere Infos zu Terry Evans und Hans Theessink:

Terry Evans
Terry Evans bei MySpace

Hans Theessink
Hans Theessink bei MySpace
Hans Theessink bei Facebook
Hans Theessing auf Wikipedia

“Delta Time” Besprechung bei Rocktimes.de

 

Hier ein kleiner Eindruck ihrer Performance:

 

 

Weitere Artikel über Blues:

Blues ist Blues ist Blues – egal was ihr so schwafelt

 

Siehe auch weitere Musik-Artikel auf Neun mal Sechs:

Somebody that I used to know

Tsugaru-jamisen

Louie,Louie

Locomotive Breath

Heavy Meytal – Heavy Violins