Straßen sind dazu da, damit Autos drauf fahren können. Radwege wurden gebaut, damit Autos drauf parken können. So jedenfalls verhalten sich viele Autofahrer. Denn Fahrradfahrer können doch schließlich Fußwege benutzen.
Neben der allgemeinen Fahrradunfreundlichkeit der Verkehrswege in Darmstadt und dem gefährlichen Fahrverhalten vieler Darmstädter und (noch schlimmer) anderer südhessischen Kraftfahrzeuglenker (besonders hervorzuheben: Kennzeichen GG, MTK, MKK) stört mich schon lange der dreiste Missbrauch der Radwege durch rücksichtslose Wild-Parker. Vorletzte Woche kam es dann zu einer Eskalation die ich hier teilen möchte in einer kleinen
Verkehrserziehungs-Tragikkomödie in drei Akten:
1. Akt
[Der Protagonist fährt mit dem Fahrrad auf dem Fahrradweg die Frankfurter Straße entlang. Der Radweg ist durch einen mit Bäumen bepflanzten Grünstreifen vom Fußweg getrennt. Etwa 150 m vor ihm fährt ein Darmstädter Taxi rechts ran und schiebt zwei seiner Räder mitten auf den schmalen Radweg.
Protagonist [ärgert sich und denkt laut]: “Immerhin ist rechts neben dem Taxi noch ein wenig Platz, sodass ich noch vorbeifahren kann.”
[Doch in dem Augenblick, als er das Taxi erreicht, schwingt die rechte Fahrzeugtür auf. Weiter rechts ist nun – angesichts der durch das geschickte Parkverhalten des Taxifahrers beengten Situation – null Platz zum Ausweichen. Der Protagonist sieht sich vor dem geistigen Auge bereits in die geöffnete Tür des Taxis krachen. Doch er hat Glück: Nur Zentimeter von der Tür und dem bereits herausgestreckten Bein des Fahrgastes entfernt bringt er das Rad zum Stehen]
Passagier: “Oh mein Gott”
[Protagonist kriegt einen halben Herzanfall]
Passagier: “Oh mein Gott”
Protagonist keucht: “Habt Ihr sie noch alle?”
[Der Taxifahrer steigt aus und blickt entrüstet]
Taxifahrer: “Tja, da muss man halt mal aufpassen.”
Protagonist [brüllt]: “Wissen Sie, wo Sie hier halten?”
[Der Taxifahrer sieht sich um und zuckt mit den Achseln.]
Protagonist [empört]: “Wäre ich in dem Augenblick, als sich die Tür öffnete, einen halben Meter weiter gewesen, läge ich hier jetzt schwer verletzt oder sogar tot.”
Passagier: “Entschuldigung! Es tut mir ja so leid!”
[Taxifahrer schickt sich an, wieder einzusteigen.]
Protagonist: “Ey, ich rede mit Ihnen.”
Passagier: “Es tut mir ja so leid!”
Taxifahrer [brummt]: “Muss weiter.”
[Der Protagonist schiebt zitternd sein Rad um der Taxi herum und legt es vor diesem auf den Radweg.]
Taxifahrer [lässt das Taxi an] durchs offene Fenster : “Mach dich da weg.”
Protagonist: “Ist Ihnen die Straße nicht breit genug?” [Zeigt auf die breite, zweispurige Straße neben dem Radweg.]
[Taxifahrer legt den Rückwärtsgang ein, fährt zwei Meter rückwärts, legt den Vorwärtsgang ein, fährt am Rad vorbei auf die Frankfurter Straße. Mit quietschenden Reifen. Off.]
Passagier: “Es tut mir leid.”
[Augenrollen vom Protagonisten. Protagonist besteigt das Rad. Off.]
[Passagier off]
2. Akt
[Am nächsten Tag. Groß Gerauer Straße in Darmstadt am Nachmittag/frühen Abend. Berufsverkehr. Ein UPS Fahrzeug benutzt den Fahrradweg als Parkplatz umd blockiert ihn komplett. Er beliefert die dortige Filiale von Mailboxes etc. mit Paketen der UPS Kunden. Der Protagonist nähert sich mit hoher Geschwindigkeit. Er bremst und überlegt, ob er auf die Straße oder auf den Bürgersteig wechseln soll. In Einklang mit der StVO entscheidet er sich für die Straße. Mehrere Autos müssen bremsen. Am UPS-Fahrzeug vorbei hält er an und zückt die Kamera.]
UPS-Fahrer [kommt aus der Mailboxes etc.-Filiale]: “Was machst du da?”
Protagonist: “Sie parken hier auf dem Fahrradweg.”
UPS-Fahrer: “Na und?”
Protagonist: “Der ist für Fahrräder da.”
UPS-Fahrer: “Ich muss hier 100 Pakete abliefern, da kann ich nicht so weit laufen.”
Protagonist: “Dann parken Sie doch auf der Straße.”
UPS-Fahrer: “Darf ich nicht. Hier ist doch genug Platz, um um mich herum zu fahren.”
Protagonist: “Auf den Bürgersteig darf ich nicht und das ist gefährlich für die Fußgänger. Und auf die Straße auszuweichen ist gefährlich für mich.”
[Der Mailboxes etc. -Manager kommt aus der Filiale heraus]
UPS-Fahrer: “Wenn du auf dem Bürgersteig fährst, stört das doch niemand.”
Protagonist: “Und die Polizei verpasst mir dann einen Strafzettel? Sie nehmen doch die Gefährdung von Menschen in Kauf, um ihren Job schneller machen zu können.”
Mailboxes etc. -Manager: “Den schickst du mir dann.” [off]
[Protagonist schüttelt den Kopf und geht zum Fahrrad zurück.]
[UPS-Fahrer klettert in den Wagen, um weitere Pakete zu holen. Von hinten nähert sich eine Fahrradfahrerin, die auf den Fußgängerweg ausweicht. Als sie den UPS-Wagen passiert, springt der Fahrer mit Paketen heraus – ihr direkt in den Weg. Sie macht eine Vollbremsung und verhindert so einen Unfall. Der UPS-Fahrer eilt ohne ein Zeichen der Entschuldigung davon.]
[Protagonist off]
3. Akt
Am nächsten Tag ist der Protagonist wieder auf der Frankfurter Straße unterwegs. Wieder steht ein Auto auf dem Radweg, blockiert ihn vollständig. Er fährt – auf der Straße – daran vorbei und zückt – angefressen – sein Handy, um auch diese Tat zu dokumentieren. Da kommt der Fahrer zurück. Versteht ihn nicht. Sprachlich. Ausländer osteuropäischer Herkunft. Als er ihm seinen Ärger noch einmal auf Englisch erkläre, zeigt er sich sofort ehrlich zerknirscht und entschuldigt sich wortreich. Im Gegensatz zu den deutschen Landsleuten des Protagonisten ist er freundlich, kritikfähig und verständnisvoll.
Nachtrag:
Auch der Fahrer der VTA Logistic findet am 27.9.2012 nichts dabei, mit seinem Fahrzeug den Fahrradweg in der Eschollbrücker Straße in Darmstadt zu blockieren. Auch nach dem Hinweis, dass das nicht OK sei, blieb er seelenruhig noch mindestens 20 min dort stehen:
Den “Respekt” mit dem die Firma VTA Logistik auf ihrer Web-Seite wirbt, kann der Protagonist nicht bestätigen. Eher Ignoranz und Rücksichtslosigkeit.
Zumindest in Düsseldorf hat man übrigens den Zusammenhang zwischen Unfällen und rücksichtslosem Verhalten von AutofahrerInnen erkannt, wie die WAZ berichtet – und dort werden dieses Jahr gezielt Strafzettel deswegen verteilt.
Auch in Potsdam wird nun stärker kontrolliert, nachdem dort die 33 Jahre alte Mutter einer kleinen Tochter durch einen Vorfall sehr ähnlich wie in Akt 1 geschildert getötet wurde.
Vielleicht helfen Artikel wie dieser, dass es in Darmstadt gar nicht erst notwendig wird, das zu fordern. Wenn ihr also solche Fälle schildern oder durch Fotos belegen könnt – her damit! Auch eure Blog-Artikel zum Thema verlinke ich gern. Dank Handys mit Kamera lassen sich solche Sachen ja prima dokumentieren.
Übrigens finde ich die Idee einer Freundin, das eigene Fahrrad per Fahrrad-Schloss am Fahrzeug der Wildparker zu befestigen, sehr originell. Gibt bestimmt tolle Fotos und einen spannenden Bericht. Probiere ich bei günstiger Gelegenheit demnächst mal aus. Und berichte natürlich hier. Update (9.10.2012): Nach Auskunft eines Juristen handelt es sich dabei um Nötigung (Straftat). Noch interessant wäre, herauszufinden ob Parken auf dem Fahrradweg nicht auch Nötigung ist – wenn ich gezwungen bin, auf die Straße auszuweichen.
Ansonsten kann man die Wild-Parker natürlich auch abschleppen lassen: Urteil: Wer auch nur teilweise einen Radweg zuparkt, darf abgeschleppt werden.
Update (9.10.2012): Links zum Thema, die ich als Feedback erhalten habe:
Die Zukunft der Mobilität: Fahrräder
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#1 by Bolzman on 2. Oktober 2012 - 11:18
In den letzten Wochen bin ich desöfteren wieder mit dem Fahrrad unterwegs. In der Darmstädter Innenstadt. Die Zustände wie oben beschrieben kann ich nur bestätigen, aber als Autofahrer weiß ich auch, wie schwer es ist, beim Kurzparken sich NICHT auf den freien Randstreifen, der für Radfahrer reserviert ist, zu stellen. Ich mache es ja manchmal selbst, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, ohne nachzudenken, dass einem Radfahrer damit die freie Passage genommen wird.
Aber die Absichten der Stadt, jetzt dreispurige Hauptverkehrsstraßen zu zwei Fahrspuren für Autos plus einer Fahrspur für Fahrräder umzumünzen, halte ich für kompletten Unfug. Der Verkehr staut sich im Stadtbereich sowieso schon genug. Den Autofahrern dann noch eine Spur wegzunehmen, und den “Abfluß” noch mehr zu verstopfen, zeugt nicht gerade von Verstand – äh Verständnis. Auch die geplante Radstraße (Pankratiusstraße) als Verbindung Innenstadt und Bürgerpark halte ich persönlich nicht durchdacht – es sei denn, das Kopfsteinpflaster verschwindet und das Befahren wird dann auch mit einem Fahrrad möglich 🙂
Das Geld für diese Planung sollte lieber verwendet werden, die Straßenzustände und Radwege auszubessern. Schlaglöcher und Holpersteine sind für alle Beteiligten gefährlich!
#2 by D on 9. Oktober 2012 - 0:13
Was passiert denn eigentlich, wenn ich aus Versehen an so ein auf dem Radweg geparketes Fahrzeug einen Kratzer mache, weil ich nicht vernünftig mit dem Rad vorbeikomme? Wer hat dann Schuld?
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#3 by Kampfhahn on 22. Dezember 2012 - 11:42
Ich pflege es, jeden Falschparker, der den Radweg oder -streifen versperrt, zu fotografieren und anzuzeigen. Seit einiger Zeit geht das auch per E-Mail. Eine kleine Digicam habe ich immer dabei. Mit der Zeit habe ich ein System entwickelt mit Vorlagen und Standardtexten. Das ganze sende ich dann als PDF an die Bußgeldstelle. Funktioniert gut! 🙂
Zur Aussage von “Bolzman”: “Den Autofahrern dann noch eine Spur wegzunehmen, und den “Abfluß” noch mehr zu verstopfen, zeugt nicht gerade von Verstand – äh Verständnis”:
Den Autofahrern wurde keine Spur weggenommen. Dieser Teil der Fahrbahn wurde nur bisher irrtümlich den Autofahrern zur Verfügung gestellt. Dieser Fehler wurde nun korrigiert.
Wer meint, er müsse sich mit einem riesigen Blechpanzer in die Stadt begeben zu müssen und dann auch noch erwartet, einen kostenlosen Platz zum Parken desselbigen vorzufinden, sollte das Verkehrsmittel wechseln. Niemand zwingt ihn, ein Auto zu benutzen.
#4 by Carsten on 22. Dezember 2012 - 18:39
@ D Ich vermute das ist eine Einzelfall-Entscheidung. Denn auch Radfahrer müssen sich rücksichtsvoll verhalten (und ggf. das Tempo reduzieren). Im Zweifel (Teilschuld) muss aber vermutlich jeder den Schaden am eigenen Fahrzeug zahlen.
Interessanter wird es, wenn du stürzt (weil du ausweichst) und dich verletzt oder dein Fahrrad beschädigt wird.
@ Kampfhahn: Stimme dir zu.
#5 by Pedalritter on 8. Januar 2013 - 19:13
Die Straßenverkehrsbehörde in Rostock empfahl mir sogar die Autofahrer anzuzeigen, die so parken. So eine Webcam ist eine gute Erfindung, es reicht sogar eine billige Version für diesen Zweck. Außerdem hat Radfahrer so noch einen Zeugen. Rechtlich gesehen auch in Ordnung. Die Behörden bieten auch Formulare an.
An alle Autofahrer: es gibt nicht zu wenig Straßen, sondern zu viele Autos
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#6 by Schlaraffenfant on 3. März 2013 - 13:27
@Bolzman
Es ist kein Randstreifen, sondern eine reguläre, nur für bestimmte Fahrzeugarten freigegebene Fahrspur. Der Randstreifen befindet sich, wenn es ihn gibt, rechts daneben. Die Verkleinerung der Menge an Fahrspuren für Autos hat einen Sinn – wenn nämlich Kfz-Fahrer nicht erkennen, das Radfahrer ihnen gleichwertige Verkehrsteilnehmer sind, sehen sich Stadtplaner gezwungen, etwas zu tun. Und eigentlich weiß auch jeder Kfz-Fahrer, dass das Fahrrad in unterschiedlichen Belangen das bessere Fahrzeug ist.
@D
Du bekommst mindestens eine Teilschuld, da du § 1 StVO nicht befolgt hast. Kostet dich 35 €. Ich hab’s durch. (ebenfalls witzigerweise Rostock)
#7 by Arcon on 3. März 2013 - 13:46
Ich bin zwar nicht aus Darmstadt, aber das Problem mit Autofahrern und Kurieren erlebe ich auch immer wieder. Und der Fall mit der Polizei ist m.E. grenzwertig. Hast Du die Beamten unhöflich auf den abgestellten Streifenwagen angesprochen? Nur dann ergibt die Aufnahme der Personalien m.E. Sinn. Andernfalls wäre es wohl schon Beamtenwillkür…
Was den LKW-Fahrer betrifft muß ich aber auf etwas wichtiges hinweisen, was immer wieder vergessen wird – sofern es überhaupt bekannt ist. Ich bin übrigens selber LKW-Fahrer und weiß daher, wovon ich hier schreibe:
In den meisten LKW ist inzwischen der digitale Tachograph (Fahrtenschreiber) eingebaut. Und dieser überwacht die Lenk- und Ruhezeiten extrem genau. Wenn die Lenkzeit voll ist und man Pause machen muß meldet der sich zwar frühzeitig, aber nicht immer findet man irgendwo eine Parkmöglichkeit für die Pause. Ein LKW ist halt kein Smart.
In solchen Fällen hat man dann die Wahl zwischen Pest und Cholera: Parkt man 45min lang irgendwo und blockiert ausnahmslos alles oder parkt man 45min lang irgendwo und blockiert weniger.
Wenn man in der vorgeschriebenen Pause ist darf man nicht einmal 1m weiter fahren, um etwas Platz zu machen. Das registriert der digitale Tachograph nämlich und dann löscht er die komplette gemachte Pause, so daß man diese wieder von vorne beginnen muß. Darum wird auch empfohlen, 1min länger Pause zu machen – nur um auf Nummer sicher zu gehen.
Polizei und BAG interessieren sich letztlich nämlich nicht dafür, warum keine Pause gespeichert ist. Die sehen nur: Da ist keine Pause, also darf der Fahrer kräftig Bußgeld bezahlen.
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