Hans Magnus Enzensberger

Hans Magnus Enzensberger (klick auf das Bild, um zum FAZ-Artikel zu gelangen)

Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger (83) versteht sich seit seinem Reisebericht „Ach Europa“ (1987) als leidenschaftlicher Europäer. Gerade deshalb aber geißelt er das Europa der Brüsseler Bürokraten, Zentralisten und Euromantiker, die dabei sind, aus der bunten Vielfalt des Kontinents ein „Sanftes Monster“ (so der Titel von Enzensbergers 2011 bei Suhrkamp erschienerer Polemik) zu machen. Nun hat er 40 Fragen zu Europa gestellt, die die FAZ über Weihnachten veröffentlicht hat.

 

Ich hatte Enzensberger schon abgeschrieben, nach seinen Entgleisungen zu Saddam Hussein, aber diese Fragen sind geeignet, zum Nachdenken anzuregen. Leider blamiert sich die FAZ, da sie diese Fragen einerseits als „Quiz“ bezeichnet (als gäbe es darauf richtige oder falsche Antworten). Andererseits nennt sie die Fragen „hinterhältig“ – was völliger Unsinn ist. Außer man bezeichnet das Hinterfragen von sicher geglaubten Gewissheiten bereits als „hinterhältig“ – oder die Weigerung Enzensbergers, sich eindeutig auf eine der Seiten in dieser Diskussion zu schlagen. Ein Presseorgan mit intellektuellem Anspruch – und so stellt sich die FAZ ja gern dar – sollte sorgsamer mit Worten umgehen. Selbst zu Weihnachten.

Weil ich aber die Fragen gut und hilfreich finde, mache ich mich hier daran, sie hier einmal öffentlich zu beantworten. Und sei es nur, um damit eine differenziertere Diskussion anzuregen.

Ein Problem bleibt: Um die Fragen zu beantworten, muss ich sie auch wiedergeben können. Darf ich dass? Immerhin haben die FAZ oder Enzensberger ja das Urheberrecht auf diese Fragen. Ich habe mich entschlossen, die Aufforderung der FAZ: „Ihre Antworten müssen Sie selbst geben.“ als eine entsprechende Erlaubnis aufzufassen.

 

„Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa“ – was ist das?

Worum handelt es sich, wenn eine intelligente Frau in hoher Position behauptet: „Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa“?

1. Um eine Drohung?

2. Um eine Schutzbehauptung?

3. Oder nur um eine Dummheit?

 

Nun letzteres kann ich für mich ausschließen. Auch wenn es derzeit populär und populistisch ist, Frau Merkel als dumm zu bezeichnen, ist sie dieses sicher nicht. Sie mag nicht zur intellektuellen Klasse eines Enzensbergers gehören, aber sie sagt so etwas nicht ohne Absicht. Natürlich ist die Aussage falsch. Denn Europa ist erst einmal ein Kontinent. Und ein Kontinent kann nicht scheitern. Was Frau Merkel hier allerdings meint, ist eine Idee von Europa. Die Idee von einem geeinten Europa als Macht- und Wirtschaftsraum orientiert an den Vereinigten Staaten von Amerika. Auch wenn diese Idee keineswegs von allen Deutschen geteilt wird: Für diejenigen, die sie teilen (insbesondere die Konservativen in der CDU und interessierte Wirtschaftskreise), ist das eine klare Drohung.

Es ist aber auch eine Schutzbehauptung gegenüber den WählerInnen, die nicht so tief mit der Materie befasst sind: Frau Merkel sagt damit, dass es hier nicht um den Euro als solchen geht, sondern um ein größeres Ideal, das für die Mehrheit der Menschen noch sehr positiv besetzt ist. Insofern handelt es sich auch um eine Täuschung der WählerInnen.

 

4. Haben Sie den Eindruck, dass unser Kontinent nach wie vor existiert, obwohl im Lauf der letzten zweitausend Jahre das Talent, der Denar, der Gulden, die Lira, das Lepton und die Reichsmark untergegangen sind?

 

Siehe oben.

 

5. Wissen Sie, wer das Stummelwort Euro erfunden hat, das vor dem Ende des zwanzigsten Jahrhunderts niemand in den Mund genommen hat?

 

Nein, wußte ich nicht und weiss es auch nicht. In der einzigen Quelle, die ich gefunden habe, wird zwar ein Deutscher genannt, der es vorgeschlagen hat. Aber ob er auch der „Erfinder“ war, möchte ich bezweifeln. Ich verstehe Aber nicht, wie diese Frage zur Klärung wichtiger Themen beitragen soll. Ist ehr was fürs Kreuzworträtsel.

Update 11.10.2013: Bin heute informiert worden, das der Begriff „Euro“ zum ersten Mal von Hörspielautor Michael Koser  in seiner dystopischen Krimireihe „Der  letzte Detektiv“ verwendet worden ist. Lustig.

 

6. Sind Sie in der Lage, Akronyme wie EZB, EFSF, ESM, EBA und IMF zu entziffern?

Teilweise. Und mit Hilfe des Internets kriege ich alle raus. Ich verstehe auch nicht, wie diese Frage zur Klärung wichtiger Themen beitragen soll. Ist ehr was fürs Kreuzworträtsel.

 

7. Vermuten Sie, dass die meisten europäischen Länder seit geraumer Zeit nicht mehr von demokratisch legitimierten Instanzen, sondern von diesen Abkürzungen regiert werden?

8. Haben Sie diese Einrichtungen gewählt?

9. Werden sie im Grundgesetz oder in einer anderen europäischen Verfassung erwähnt?

 

In der modernen repräsentativen Demokratie ist der Gestaltungsspielraum der „demokratisch legitimierten Instanzen“ von je her gering, da sie auf Experten, Bürokratien und gute Wirtschaftsdaten angewiesen sind.  Allerdings haben wir die Menschen gewählt, die diese Institutionen gegründet haben und mit ihnen zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit lässt sich durch andere Wahlentscheidungen ändern und die Institutionen können aufgelöst werden.

 

10. Ist Ihnen in den letzten Jahren mitgeteilt worden, dass die Entscheidungen dieser Institutionen „alternativlos“ sind?

 

Ja, und das ist definitiv eine Täuschung und ein sich Herausreden der PolitikerInnen von CDU und FDP aus der Verantwortung. Leider ignorieren viele WählerInnen, dass die CDU (und die FDP) immer noch, dass diese Parteien ursächlich für die schwierige Lage der EU (und der Banken) verantwortlich sind und versuchen, dieses durch solche Täuschungen zu verschleiern. Offensichtlich wollen sie keine Konsequenzen ziehen, ander sind Umfragewerte für die CDU bei 36% gar nicht zu erklären. Das schadet leider der Demokratie.

 

Wer darf Finanzbedarf „anmelden“?

11. Sind Obdachlose, Fixer, Lohnempfänger oder Rentner nicht berechtigt, Finanzbedarf „anzumelden“, wohl aber Mitglieder der Eurogruppe, Bankvorstände und Fernsehintendanten?

12. Wird diesem Verlangen regelmäßig entsprochen?

 

Naja, anmelden darf Finanzbedarf noch jeder. Allerdings stellt die CDU-FDP-Regierung schon sehr deutlich dar, wessen Ansprüche überhaupt ernsthaft geprüft (und entsprochen) werden.

 

13. Ist Ihnen in der letzten Zeit der Fachausdruck „finanzielle Repression“ begegnet?

 

Nur im Zusammenhang mit Arbeitslosen. Aber vielleicht lese ich die falschen Zeitungen.

Damit entfallen die Fragen 14-19:

Falls ja, sind damit gemeint:

14. Rentenkürzungen?

15. Steuererhöhungen?

16. Schuldenschnitte?

17. Zwangsabgaben?

18. Inflation?

19. Währungsreformen?

 

Trotzdem noch eine Nachbemerkung von mir: Repression halte ich grundsätzlich nicht für sinnvoll. Weder gegen Arbeitslose noch gegen Staaten. Fast immer führen sie zu destruktivem Verhalten und Aggression.

 

Was ist die Adresse der „Märkte“?

20. Kennen Sie die Namen und die genaue Adresse der „Märkte“, die den Euro-Rettern vorschreiben, was sie zu tun haben?

 

Ja, die Märkte kenne ich. Die Börsenparketts der Welt und die IP-Adressen der elektronischen Maktplätze lassen sich herausfinden. Allerdings sind dort nicht die Verantwortlichen zu finden, sondern nur ihre Angestellten. Deshalb nützen Adressen gar nichts. Letztlich ist es die Gier der Wohlhabenden und die Unterstützung dieser Gier durch die herrschenden Parteien, die zu dieser Krise geführt haben. Und nun wollen die Gierigen ohne eigene Verluste wieder aus der Krise hinaus. Deshalb soll die Allgemeinheit zahlen.

 

21. Muss die Küstenwacht prüfen, ob Passagiere in Seenot „systemrelevant“ sind, bevor sie gerettet werden dürfen?

 

Auch die Küstenwache wird prüfen, ob sie die Passagiere in Seenot retten will, wenn ihr eigenes Leben in Gefahr gerät. CDU und FDP sind engstens mit den Banken und anderen systemrelevanten Unternehmen verknüpft und müssten bei deren selbstverschuldeten Untergang um ihr eigenes Überleben fürchten.

Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Denn zahlreiche Unternehmen in ganz Europa haben sie von diesen Banken völlig abhängig gemacht und ein Zusammenbruch der Banken wird viele Arbeitsplätze kosten und eine allgemeine Wirtschaftskrise auslösen. Auch dass bedeutet „systemrelevant“. Wer also leichtfertig gegen die Rettung der Banken (und nur dafür sind die EMS-Milliarden bestimmt, nicht für Griechenland und Co.,) stimmt, muss auch diese Konsequenz nennen und Verantwortung dafür übernehmen. Allerdings kann man zu dem Schluss kommen, dass ein solcher Schnitt besser ist, als weiter so zu machen wie bisher. Ob das stimmt: Wissen wir nicht.

Und darüber muss bei der nächsten Wahl abgestimmt werden.

 

Stimmen Sie den folgenden Ansichten zu?

22. „Macht ist das Privileg, nicht lernen zu müssen.“ (Karl Deutsch, 1912-1993.)

 

Nein. Grundsätzlich nicht. Und auch praktisch nicht: Und es ist ja nicht so, das die Mächtigen heute nicht lernen. Es ist eher so, dass die Machtlosen nichts lernen. Denn sie hätten alles in der Hand, um etwas an ihrer Machtlosigkeit zu ändern. Teil des nicht-Lernens ist das Schimpfen auf die „dummen“ Politiker, die alles falsch machen. Machen sie gar nicht. Sie wollen nur etwas anderes.

 

23. „Ein Leben ohne Verfassungsgericht ist möglich, aber sinnlos.“ (Loriots Mops)

 

Nein. Sinn hängt nicht von einem Verfassungsgericht ab. Sinn ist moralisch, philosophisch. Nicht juristisch.

 

24. „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ (Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Eurogruppe, 1999.)

 

Es stellt eine Realität dar. Und die Verantwortung der Journalisten, begreifbar zu machen, was da passiert. Nur leider verstehen die es auch nicht (was Grund und Symptom für den Niedergang des Journalismus ist) und fragen naiv die, die es beschließen. Und da die natürlich nicht die Wahrheit sagen, erfährt niemand, was da beschlossen wurde.

 

25. „Politiker sind wie schlechte Reiter, die so stark damit beschäftigt sind, sich im Sattel zu halten, dass sie sich nicht mehr darum kümmern können, in welche Richtung sie reiten.“ (Joseph A. Schumpeter, 1944.)

 

Jain. Viele (aber nicht alle) Politiker wissen genau, in welche Richtung sie reiten. Ihre Ziele sind einfach andere.

 

26. Wusste die Europäische Kommission, was das Fremdwort Subsidiarität bedeutet? Und wenn ja, hat sie es vergessen?

 

Was die Europäische Kommission, weiß oder wusste ist für die Diskussion nebensächlich. Wichtig ist, dass die Europäische Kommission kein Interesse an abstrakten Prinzipien hat, sondern handfeste Interessen verfolgt. Dort sitzen keine Philosophen, sondern die Interessensvertreter einzelner Länder. Das Problem ist, das das wichtigste Entscheidungsgremium der EU nicht ausreichend demokratisch legitimiert ist.

 

Was bedeutet der Ausdruck „Quantitative Lockerung“?

Was bedeutet der Ausdruck Quantitative Lockerung?

27. Eine Yoga-Übung?

28. Die Beschleunigung der Notenpresse?

 

Definitiv keine Yoga-Übung. Es ist eine nicht sehr geschickte Umschreibung dafür, dass die Geldmenge erhöht und Inflation zugelassen werden soll. Es wäre Aufgabe der Journalisten, dass klarzustellen.Warum sie das nicht tun? Vielleicht liefere ich hier einen Erklärungsansatz.

 

29. Hat der Verfassungsrechtler Gusy aus Bielefeld recht, wenn er sagt: „Wo ein Trog ist, sammeln sich Schweine“?

 

Natürlich. Das liegt in der Natur der Schweine. Da können die nichts für. Die Frage ist, ob und wieviel Geld in diese Tröge stecken will.

 

30. Können Sie sich mit der blühenden Metaphorik der Euro-Retter anfreunden, oder kommt sie Ihnen martialisch, konfus oder gar lächerlich vor? Sind Sie in der Lage, zwischen Schirmen, Hebeln, Bazookas, Dicken Berthas, Brandmauern und Hilfspaketen punktgenau zu unterscheiden?

 

Mit dem Metaphern habe ich kein Problem. Im Gegenteil: Sie wären gut geeignet, um zu diskutieren, was da wirklich passiert. Natürlich verraten die gewählten Bilder auch etwas über diejenigen, die da sprechen, weil die Bilder aus dem eigenen Denk- und Erfahrungsraum gewählt werden. Deshalb kann ich sagen, das mir viele dieser Menschen unsympathisch sind. Die Menschen, nicht die Methapern.

 

31. Wiegen Sie sich in der Zuversicht, die Karl Valentin in die Worte fasste: „Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es jetzt schon ist“?

 

Wir jammern weiter auf ganz, ganz hohem Niveau.

 

32. Wenn sich herausstellt, dass die Einführung einer neuen Papierwährung statt zur Integration Europas zu seiner Spaltung, und wenn sie statt zur Verständigung zu Hass und gegenseitigem Ressentiment geführt hat, wäre es da angezeigt, diese Position zu räumen, statt nach dem Motto „Augen zu und durch“ zu verfahren?

 

Diese Frage impliziert, dass die gesamtheitliche Integration Europas der Hauptgrund für die Einführung des Euros war. Tatsächlich aber standen und stehen mächtige und wirtschaftliche Interessen hinter der Euro Einführung. Die Vorteile des Euros für diese Interessen verschwinden nicht, weil sich jetzt ein paar Banken (mal wieder) verspekuliert haben. Und selbst wenn die Euro-Krise (die eigentlich eine Banken-Krise ist, s.o.) in bestimmten Kreisen zu nationalen Ressentiment führt, wird eine CDU/FDP Regierung deshalb diese Interessen nicht einfach wegwischen. Denn die Links-nationalen Gegner einer solchen Politik wäre auch mit einem Ausscheiden aus dem Euro nicht zu gewinnen. Und die Rechts-nationalen und konservativen Euro-Gegner können nach der Krise durch entsprechende Themen und mit Hilfe der Boulevard-Presse relativ einfach zurückgewonnen werden.

Die politische Mitte dagegen, die sich eigentlich über die wirtschaftspolitische Inkompetenz einer konservativen Partei erregen sollte, ist scheinbar froh, so glimpflich aus der Krise herauszukommen, dass sie eh keine Grundsatzfragen stellt. Sonst müsste sie ja auch an der Wählbarkeit von CDU und FDP zweifeln, die uns ja erst in diese Krise hereingeführt haben.

 

33. Oder ist das undenkbar, weil es eine narzisstische Kränkung der verantwortlichen Politiker bedeuten würde?

 

Ich bin zwar überzeugt, dass Narziss (gerade) bei (konservativen) PolitikerInnen durchaus eine Rolle spielen mag. Wer solche wichtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen jedoch auf das Ego reduziert. der verschleiert die hinter solchen Entscheidungen stehenden Macht- und Gewinn-Interessen.

 

Gibt es ein Europa diesseits der EU-Institutionen?

34. Gibt es ein Europa diesseits der Institutionen der EU und ihrer 40.000 Beamten, oder sind sie die einzigen Vertreter unseres Erdteils, deren Stimme zählt?

35. Sind es diese Personen, die darüber zu entscheiden haben, wer als „Anti-Europäer“ zu gelten hat?

 

Solange die Presse die Aussagen dieser Personen unkritisch als Fakten weiter transportiert, statt die zu hinterfragen, wird das so bleiben.Wer das ändern will, muss entweder die Presse kritisieren, oder auf andere Medien setzen Z.B. das Internet.

 

36. Verstehen Sie, warum die Europa-Politiker mit den Römischen Verträgen und dem Traktat von Maastricht so umgehen, als hätten sie diese Papiere nie unterschrieben?

 

Natürlich. Denn dann müssten sie ihr Mitschuld an der Krise zugeben, statt alles auch die anderen Länder schieben zu können.

 

37. Glauben Sie, dass ihnen Referenden und Abstimmungen lästig sind, weil jede Meinungsäußerung der Bevölkerung ihre Bemühungen stören könnte, die „Märkte“ zu beruhigen?

 

Wer glaubt, dass die hinter den „Märkten“ stehenden Interessen an Demokratie interessiert wären, der betreibt Verschleierungspolitik. Und natürlich werden diese Kreise unruhig, wenn ihr direkter Zugriff auf die Entscheider und Entscheidungen durch demokratische Prozesse gestört wird. Und dann hören sie erst mal auf zu investieren.

Aber Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit und manche Entscheidungen erfordern halt auch Mut. Und die Investitionen kommen auch wieder zurück, wenn wieder Geld zu verdienen ist.

 

38. War die Demokratie wirklich eine so schlechte Idee, dass auf sie notfalls verzichtet werden kann?

 

In der Politik gibt es immer wieder Menschen, die  Demokratie wirklich vor allem für störend halten. Die Zahl der „Verfassungsfeinde im Amt“, die glauben  am besten zu wissen, was für „das Volk“ gut ist, sollte nicht unterschätzt werden. Unterstützt werden sie dabei von den Vorständen (multi-)nationaler Konzerne, die natürlich nur die Gewinne ihrer Aktionäre (und das eigene Gehalt) zum Ziel haben.

Historisch hat sich aber gezeigt, dass sich der Wohlstand ohne Demokratie fast immer auf eine deutlich kleinere Gruppe verteilt, als in demokratisch organisierten Staaten. Wer – aus Angst um seinen Arbeitsplatz oder andere Vorteile – anti-demokratischen Tendenzen unterstützt oder toleriert, kann sich sicher sein, hinterher (auch wenn Demokratie nur eingeschränkt wird) schlechter dazustehen.

 

39. Zeigt nicht das Beispiel Chinas, dass man es auch ohne sie im Zeichen der Globalisierung zu einer erfolgreichen Weltmacht bringen kann?

 

Wenn nur der Weltmacht-Status wichtig ist, dann mag das stimmen.

 

40. Ist demnach die politische Entmündigung der Bürger unvermeidlich, und ist ihre ökonomische Enteignung die notwendige Folge?

 

Wenn sich die wirtschaftlichen Interessen durchsetzen können, dann wird es so kommen. Dass die CDU trotz ihrem wirtschaftspolitischen Versagen in Umfragen schon wieder bei 36% steht stimmt mich da in der Tat besorgt. Auch die zunehmende Wahlenthaltung der Bürgerinnen trägt dazu bei. Demokratie muss erkämpft werden – gegen die, die das sagen haben. Wer sich zurück lehnt und sagt: „Die da oben entscheiden doch eh, was sie wollen.“ der trägt nur dazu bei, dass er / sie noch weniger gehört wird.

Natürlich sind die Parteien nicht perfekt. Sie bestehen ja auch nur aus Menschen. Und Politik ist kompliziert. Weil es dabei um Menschen geht. Dennoch sollten wir jede Chance nutzen, unsere Meinung einzubringen und sei es nur, indem wir das kleinste Übel wählen und eine Abstimmung fordern, wenn große Themen anstehen.

Enzensbergers zum Teil sehr polemische Fragen sind da leider nur begrenzt hilfreich. Sie wirken in ihrer zynischen Art entmutigend. Schade,, denn früher war Enzensberger eine Kämpfer für Veränderung und hat ermutigt. Heute scheint er vor allem müde geworden zu sein.