Artikel getaggt mit BVG

(K)ein Recht auf Gesundheit?

Umgang mit Eseln in Krisenzeiten

Immer wieder haben Stimmen aus meinem (weiteren) Umfeld und in den Medien letzten Tagen und Wochen argumentiert, dass die Beschränkung den Rechten zwecks Eindämmung des Corona-Virus die Freiheits- und Bürgerrechte, die uns das Grundgesetz garantiert, unzulässig einschränken – ja sogar zur vollständigen Abschaffung dieser Rechte führen könnten. Darunter auch Menschen, die ich schon lange aus ihrem Engagement für die Piratenpartei und / oder die Bürger- und Freiheitsrechte kenne und schätze. Aber auch von Menschen, denen diese Rechte bisher völlig egal und ein entsprechendes Engagement dafür nicht mal einen “Gefällt mir”-Klick beim Gesichtsbuch wert waren.

Und während ich bestimmten Politiker:innen (nicht allen!) durchaus zutraue, diese Rechte abschaffen – oder wenigstens stark einschränken – zu wollen, so kann ich das bisher nicht erkennen. Was mich jedoch (als Teilzeit-Verfassungs-Patriot) bewegt hat und tut, ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit von bestimmten Maßnahmen.

Nun bin ich kein ausgebildeter Staatsrechtler, doch seit meinen Vorlesungen zum Thema damals an der Uni Konstanz habe ich viele Debatten und Verfassungsgerichtsentscheidungen mit Interesse verfolgt und bin mit dem Thema zumindest so vertraut, dass ich mir eine Meinung zutraue, die mir fundierter erscheint, als vieles, was ich derzeit auf Social Media Plattformen und in den Medien lese. Und zu ähnlichen Fragestellungen habe ich hier ja auch schon geschrieben (Hessentrojaner / Staatstrojaner, Platzverweise für Eintracht-Fans in Darmstadt).

Grundsätzlich ist die Freiheit der Person in Deutschland ein Grundrecht gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und in Art. 104 Grundgesetz noch einmal explizit spezifiziert.

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Selbstanzeige wegen Schwarzfahren in Berlin

Berlin

Ich bin schwarz gefahren. In Berlin. Ich habe die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) um 2,40 € betrogen. Dieses ist meine Selbstanzeige.

Es war nicht meine Absicht. Ich war als Tourist in Berlin unterwegs. Ich wollte zu einer Verabredung. Ich wollte den ÖPNV der Stadt nutzen, statt die Luft der Stadt mit Autoabgasen zu verpesten. Zumal in Berlin eh irre Automassen und Baustellen ein sinnvolles Vorankommen verhindern.

Wir waren zu zweit. Wir waren rechtzeitig unterwegs. Wir trafen lange vor der Abfahrt der S-Bahn an der Station ein. Wir waren reichlich mit diversen Zahlungsmitteln ausgestattet. Dachten wir.

Bis wir zwei Fahrscheine á 2,40 €  lösen wollten. Und scheiterten.

Es begann damit, dass der Fahrschein-Automat unsere beiden neuen 5-Euro Scheine nicht als gültige Zahlungsmittel akzeptieren wollte. Naja, kann ja mal passieren. Die gibt es ja erst seit dem 2. Mai. Wir hatten ja noch mehr Bargeld dabei. 100 Euro insgesamt.

Das half aber nicht. Denn wir hatten sie in Form von zwei handelsüblichen 50-Euro-Scheinen, frisch ausgespuckt aus dem Geldautomaten zweier mit unseren Steuergeldern geretteten Banken. Diese Scheine sind für die BVG ungefähr so wertvoll wie Falschgeld: 50-Euro-Scheine akzeptieren die Fahrscheinautomaten der BVG nämlich grundsätzlich nicht, während Bankautomaten sie bevorzugt ausspucken.

Vielleicht brauchen wir doch mehr Einsatz des Gesetzgebers, um Dinge zu regeln, die die Unternehmen der freien Wirtschaft untereinander nicht kundenfreundlich abgestimmt bekommen.

Doch noch gab keinen Grund zu verzweifeln. Denn die BVG bietet auch den Bargeld-losen Zahlungsverkehr an. Man kann seinen Fahrschein – zumindest theoretisch – auch mit einer gültigen EC-Karte bezahlen.

Und wir sind beide stolze Besitzer einer solchen EC-Karte von etablierten, mit unseren Steuergeldern geretteten inländischen Banken. Dennoch waren – zu unserer Überraschung – diese EC-Karten nicht gut genug für die BVG. Mehrere Versuche, unsere Tickets mit einer dieser Karten zu bezahlen, endeten mit der Anzeige “Karte nicht akzeptiert”.

Irgendwann war unser Zeitpuffer aufgebraucht und die letzte S-Bahn, mit der wir unser Ziel rechtzeitig erreichen konnten, fuhr ein. Ich habe in diesem Augenblick spontan die Entscheidung getroffen, die Dienstleistung der BVG entgegen den Beförderungsbestimmungen ohne Fahrschein (und damit in betrügerischer Absicht) zu nutzen. Meine Begleitung trifft daran keinerlei Schuld, sie war angesichts der entstandenen Stresssituation anfällig für eine solche Anstiftung. Ich nehme die volle Schuld auf mich.

Wir haben uns dabei nicht gut gefühlt und an jeder Station gefürchtet, dass Kontrolleure die Bahn stürmen und uns überführen. Wir sahen sehr lebendig die Situation vor uns, in der die Schilderung unserer verzweifelten Zahlungsbemühungen als billige Ausrede verlacht werden. Die Schilder in der Bahn, die an Schwarzfahrer mit drastischen moralischen und finanziellen Argumenten appellierten, haben unser Wohlbefinden als Touristen nicht gerade gesteigert.

Bin ich jetzt ein Verbrecher? Ich habe von Menschen, die ich in Berlin traf, gehört, das die BVG und die Staatsanwaltschaft solche Verbrechen unnachgiebig verfolgen. Wer dreimal beim Schwarzfahren erwischt wird (Gesamtbetrugswert je nach Strecke ab 4,20 € )  kann – nach meinen Informationen – sogar (bis zu einem Jahr) in den Knast kommen. Wer Steuerbetrug in Millionenhöhe begeht, kommt nach einer Selbstanzeige damit davon, dass er die Steuern nachzahlt. Bin gespannt wie die BVG mit dieser Selbstanzeige umgeht.

Aber abgesehen davon ist das Verhalten der BVG-Automaten für Berlin sehr peinlich. Besonders wenn Touristen aus der Provinz (oder aus dem Ausland) in die Hauptstadt kommen, die solches Versagen ihrer Verkehrsbetriebe nicht gewöhnt sind. Ob es daran liegt, dass in meiner derzeitigen Heimat Darmstadt die Verkehrbetriebe ein städtischer Eigenbetrieb sind (und nicht ein Sub-Unternehmen einer privaten Aktiengesellschaft)? Oder daran, dass in Darmstadt nach langen Jahren Rot-Grün nun Grün-Schwarz regiert? Während in der Hauptstadt auf Rot-Rot Rot-Schwarz folgte?

Jedenfalls sollte die BVG – wenn sie schon Menschen ohne Fahrschein droht und sie verfolgt – dafür sorgen, dass ihre Automaten halbwegs funktionieren und gängige Zahlungsmittel auch akzeptieren. Fahrscheinautomaten sind ja nun nicht gerade Rocket-Science. Öffentlicher Nahverkehr muss planbar und verlässlich sein. Vor allem wenn man Touristen in der Stadt wünscht.

Aber vielleicht ist der fahrscheinlose Nahverkehr sowieso das Modell der Zukunft.

Siehe auch:

Restaurantkritik: green rice in Berlin-Kreuzberg

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