Es ist fast genau 3 Jahre her (November 2020), dass ich mich hier zum letzten Mal zu Kryptowährungen geäußert habe. Das war ca. 2,5 Jahre nach dem der Bitcoin Kurs mit dem Überschreiten von 17.000 Euro (2017) einen die komplette Presse und Finanzwelt überraschenden und verblüffenden Rekord erreicht hatte – und den Nerds hinter der Kryptowährung Recht zu geben schien. Doch die Fachwelt war sich größtenteils einig: EIne Blase, die a) durch positive Presse und massive Spekulation hervorgerufen worden sei. Und b) schon bald würde diese Blase platzen und der Wert von Bitcoin würde auf Null oder nahe Null sinken.

Bereits 2017 stimmte ich mit dem Teil a überein. Ja, es war eine Blase aus genau den genannten Gründen. Aber nein, ich hielt damals – wie schon davor und danach – alle Behauptungen Bitcoin und Kryptowährungen seien ein vorübergehendes und wertloses Phänomen (also Teil b) für falsch. Und habe in einem Artikel im Januar 2018 “Kleine Blasologie” ausführlich drei verschiedene Blase-Typen unterschieden (hier kurz zusammengefaßt):

  • Die irrationale Blase – die sich aus haltlosen Gewinn-Versprechen für ein bestimmtes Spekulationsobjekt speist. Die nach Höhenflügen dann kollabliert und dessen Spekulationsobjekt dann wieder vom Markt verschwindet. Hier verlieren meist die Anleger ihr gesamtes investiertes Kapital. So wie bei Wirecard. Und ich muss darauf hinzuweisen, das diese betrügerische Wircard Aktie von vielen “Finanzexperten” und der sog “Fach-Presse” zum Teil euphorisch gefeiert wurde. Die meisten “Finanzexperten” ordnen Bitcoin in diese Kategorie ein.
  • Die kapitalistische Zyklus-Blase, die daraus entsteht, das bestimmte Anlageformen (jeder Art) in regelmäßigen Zyklen ein Übermaß an Kapital akkumulieren, das durch die dem zugrunde liegenden Werte nicht anhähernd gedeckt ist. Wenn dass offensichtlich wird, kollabiert diese Blase und die Auswirkungen gehen oft weit über die Anlage selbst hinaus – bis hin zu realen Wirtschaftskrisen. Die Auswirkung betrifft dann nicht nur die Anleger selbst, sondern kann isch auch ruinös auf andere Anlagen, Wirtschaftszweige und sogar ganze Volkswirtschaften auswirken. Dennoch verschwinden die zugrundeliegende Anlageformen durch das Platzen der Blase dann nicht – sondern können nach einer Abwertung weiter genutzt werden. Alle großen Finanzmarkt-Crashs gehen auf solche Blasen zurück – vom Black Friday 1929 bis hin zur Weltfinanzkrise 2007–2008 (die aus einer Blase am Immobilienmarkt in den USA entstand).
  • Die Technologie-Blase: Anhand der historischen Kursentwicklungen von Konzerne wie Apple und Amazon zeigte ich, dass auch Technolgie-Aktien von innovativen Firmen in frühen Phasen oft massive Blasen aufweisen, die dann in sich zusammenbrechen. Danach steigt der Kurs langsam(er), aber nicht nur auf den Wert während der Blase, sondern sogar auf ein Vielfaches davon. Und während diejenigen die in den Blasen von apple und Amazon investierten und mit dem Zusammenbruch der Blase wieder verkaufen, massiv Geld verlieren, konnten alle, die trotz der Blase der Anlage treu blieben, ihr Investment vervielfachen (Details mit Kurs-Charts).

Die 2013-er Blase

Bereits damals (2018) argumentierte ich, dass die Bitcoin Blase möglicherweise so etwas wie eine Technologie-Blase sein könnte. Insbesondere, da Bitcoin bereits 2013 ein solches Blasen-Absturz Muster durchlief – hier beschrieben aus Sicht 2016, also 1 Jahr vor der 2017er-Blase. Damals fast einen Kurs von 900 Euro erreichend, um dann wieder auf 200 Euro abzustürzen.

Bitcoin-Die 2017er Blase
Die 2017er Blase

Der 2017-er Irrsinn

Ähnliches passierte dann nach der Blase 2017: Von über 17.000 Euro stürzte der Bitcoin krass ab – auf rund 3.000 Euro. Brutal. Wer tatsächlich noch zum Kurs von 17.000 Euro Bitcoin gekauft hatte, hat (sofern er nicht vorher verkaufte) innerhalb eines Jahres rund 5/6 seines Investments verloren. Es schien als hätten die Bitcoin-Kritiker recht.

Aber wer wirklich aufgepaßt hat, hat es schon gemerkt: Auf dem Tiefpunkt von 2018 war der Bitcoin Kurs mehr als 3x so hoch wie auf dem Höhepunkt der Blase von 2013 und mehr als 15x so hoch wie zu seinem letzten Tiefpunkt davor. Nicht typisch für eine irrationale Blase.

Die 2020-er Analyse

Als ich dann das letzte Mal 2020 zum Bitcoin Kurs schrieb – 2,5 Jahre nach der damals letzten (2017er) Blase, hatte der Bitcoin Kurs 13.000 Euro erreicht und ich fragte: “Eine neue Blase?” und kam in meiner Analyse zu dem Schluss:

Ich vermute daher, dass ein anderer Impuls hinter dem derzeitigen Kursanstieg steckt: Die Furcht vor Inflation. Wie ich […] schon ausgeführt habe, hat Bitcoin durch die absolute Begrenzung seiner Geldmenge sehr gute Eigenschaften als Wertaufbewahrungsmittel – ähnlich wie Gold und Immobilien. Anders als diese ist es jedoch einfacher und günstiger zu handeln und es entstehen durch das Halten von Bitcoin fast keine laufenden Kosten und Aufwände.

Und die Furcht vor Inflation ist – durch die Corona-Hilfspakete – nicht nur subjektiv gestiegen, sondern durch die zu beobachtende Ausweitung der Geldmengen durchaus nicht unbegründet. Zumindest in den USA, wo die Geldmengenentwicklung 2020 sehr auffällig ist.

2020er Bitcoin-Kursexplosion: Eine neue Blase?

und folgerte daraus:

Heißt das, dass ich jetzt Bitcoin kaufen sollte? Nur, wenn du davon aus gehst, dass es schon sehr kurzfristig zu einer hohen Inflation kommt. Ansonsten dürfte auf das derzeitige Hoch auch wieder eine Abkühlung folgen und der Kurs nach Süden sinken (evtl. sogar unter 10.000 Euro) – das zumindest zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre.

s.o.

Nun, ich sollte (weil zu vorsichtig) falsch liegen:

Der 2021-er Wahn

Im April 2021 stieg der Bitcoin Kurs auf unglaubliche 52.000 Euro, stürzte dann im Juli auf 26.000 Euro ab, nur um im November eine weitere Spitze nachzuschieben: 65.000 Euro pro Bitcoin.

Ich schrieb damals nichts dazu – es war alles Nötige zu Blasen gesagt und der erneute Absturz würde kommen. Und er kam: 42.000 (Januar 2022), 19.000 (July 2022) und dann 16.000 (Dezember 2022). Wieder hatte der Bitcoin innerhalb eines Jahres massiv verloren – 3/4 seines Wertes. Der Kurs war sogar unter dem der Blase von 2017. Ein wenig.

Hatten die Bitcoin-Kritiker Recht?

Ich glaubte nicht, denn trotzdem lag er weiterhin mehr als das 5-fache über dem vorherigen Tiefstkurs von 2018. Und ich sah ein Muster:

BlaseCrash
2013900200
201717.000
20183.000
202156.000
202216.000

Bereits in der kleinen “Kleinen Blasologie” hatte ich argumentiert, dass für die Bewertung von Technologie-Blasen nicht die Werte der Höhen und Tiefen relevant sind, sondern vielmehr die Entwicklung des Mittelwertes über die Zeit. Und (ohne über die Daten, Methoden und Zeit zu verfügen, um ihn exakt zu berechnen), wage ich hier zu behaupten, dass sich dieser – seit Bitcoin handelbar ist -, kontinuierlich noch oben entwicklet hat.

Warum ich das schreibe: Der Bitcoin wird im Augenblick für rund 33.000 Euro gehandelt.

Doppelt so viel wie im letzten Tief, immer noch halb so viel wie zur letzten Blase. Und dass, obwohl ich bisher in meinem Kulturraum (Europa, USA) keinerlei Bitcoin Hype feststelle – sogar die Bitcoin-Facebook Gruppen sind die seit 2021 sehr ruhig geworden. Es ist fast unnatürlich still in der Krypto-Szene (verglichen mit der Zeit 2017-2020). Die Presse schreibt praktisch nicht über Bitcoin.

Meine Haupt-Erklärung weiterhin: Inflation. Nicht unbedingt bei uns – aber in Ländern wie Venezuela, Argentinien und der Türkei hat der Bitcoin einen ganz praktischen Wert (Indiz: Auch der Goldpreis steigt derzeit weiter). Doch das kann nicht alles sein: Auch anderesKryptowährungen sind wieder im Steigen begriffen (die keinen eingebauten Schutz gegen Inflation bieten).

Update 21. Januar 2024: Der Hauptgrund war wohl die Spekulation darauf, dass Bitcoin ETFs in der USA als Finanz-Produkt zugelassen werden. Was jetzt auch geschehen ist.

Kryptowährungen scheinen auch ansonsten weiterhin praktischen Nutzen zu stiften, der eine anhaltende Nachfrage garantiert. Denn die Nachfrage ist (auch ohne Hype) offensichtlich derzeit wieder größer als das Angebot. Wo und wofür – da habe ich mich in letzter Zeit zu wenig mit der Technologie beschäftigt, um das halbwegs verlässlich Abschätzen zu können. Aber die Nachfrage ist offensichtlich da. Und da all jene, die auf ein paar schnelle Millionen spekulieren, zuletzt 2021 die Finger verbrannt haben und derzeit still sind – stammt diese Nachfrage wohl von Menschen, die sich intensiver mit der Technologie beschäftigt haben und/oder langfristiger investieren.

Ich war immer der Meinung, das Kryptowährungen (und die zugrunde liegende Blockchain Technologie) eine revolutionäre Entwicklung sind, die unsere Gesellschaft ähnlich verändern wird, wie das Internet es tat. Bisher haben Gier (aka Spekulation) und pauschale Ablehnung verhindert, dass viele Menschen einen Blick auf die Auswirkungen, Chancen und Risiken dieser Technologie werfen. Wenn einem “Experten” erzählen, dass das Zeug bald wieder verschwindet, erscheint das natürlich als Zeitverschwendung.

Jedoch kann man vielleicht inzwischen sagen, dass Bitcoin / Kryptowährungen seit jenen Tag im Januar 2009, als der erste Bitcoin geschaffen wurde, erfolgreich funktioniert. Ein Computersystem ohne zentrale Kontrolle, das seit 15 Jahren – ohne Ausfälle und ohne gehackt zu werden – läuft. Eine Währung bei der man Anfangs (Oktober 2009) für einen Dollar 1309,03 Bitcoin (ein Bitcoin hätte demnach umgerechnet rund 0,00076 Dollar gekostet) bekam. Eine Erfolgsgeschichte. Vielleicht kommt Bitcoin jetzt bald in eine erwachsene Phase und die drastischen Kursausschläge beruhigen sich.

Aber wenn sich das oben beschriebene Muster wiederholt (wofür es keine Garantie gibt!!!), dann werden wir in ca. 1-2 Jahren wieder so eine Blase erleben – wenn FOMO ( = Fear Of Missing Out) wieder zuschlägt. Denn wir sind in einer ähnlichen Phase wie als ich 2016 und 2020 meine Artikel schrieb. Hier noch mal als Graphik verglichen:

Bitcon Kurserholungen nach den geplatzen Blasen: 2013-2016, 2017-2019, 2012-2023
(Klick für eine größere Version)

Ich fürchte aber (und hoffe 😉 ), dass die menschliche Gier uns die Muster von 2013, 2017 und 2021 wiederholen lassen wird.

Wie gesagt, in 1-2 Jahren. Was wir derzeit sehen, entspricht dem Zwischenhoch, nach dem es üblicherweise erst mal wieder abwärts geht.

Update 4.12.2023: Jetzt ist auch der Spiegel wieder auf den Hype aufgesprungen und berichtet. Leider ohne Qualität. Kurs heute: 38.200 Euro (+ ca. 5.000 seit ich den Artikel schrieb).

Um noch kurz auf

Zwei typische Gegenargumente

einzugehen:

Energie-Verbrauch:

Typisches Investment zur Absicherung gegen Inflation ist Gold. Für die Produktion von Gold muss ein vielfaches des Energieaufwandes eingesetzt werden, der für Bitcoin notwendig ist. Wenn wir auf Gold als Inflationsschutz verzichten würden und statt dessen Bitcooin verwenden, sparen wir Unmengen an Energie und schützen die Umwelt. Details

Kriminelle Nutzung:

Bitcoin wird weiterhin von Kriminellen (vor allem: Hackern) eingesetzt. Aber für sie ist es ein durchlaufender Posten (kein Investment) – sie müssen die Bitcoin verkaufen, um von ihren Taten profitieren zu können. Insofern kann die Tatsache selbst nicht für den Kursanstieg verantwortlich sein – und über einen signifikanten Anstieg entsprechende krimineller Aktivitäten ist mir nichts bekannt. Im Gegenteil sollten diese eigentlich mit besseren Sicherheits-Maßnahmen von Unternehmen und Behörden sinken.


Disclaimer: Was hier auf NeunMalSechs über Bitcoin & Blockchain veröffentlicht wird, bedeutet weder Zustimmung zu oder Ablehnung von diesen Technologien. Ich betrachte sie wie das Rad, den Buchdruck, die Elektrizität und das Internet: Innovationen, mit denen wir umgehen müssen – persönlich, politisch und gesellschaftlich. Und dazu müssen wir sie verstehen.

Disclaimer 2: Der Autor hat in die in diesem Artikeln genannten Kryptowährungen investiert und profitiert daher von einem Kursanstieg.