In meiner Jugend gab es zwei Sprüche, die diametral gegeneinander standen:

Legal, illegal, scheißegal

und

Wer sich nicht an Regeln halten will, soll doch nach “drüben” gehen.

Ersteres kam aus den links-radikalen Kreisen der Universitäten, zweiteres aus den damals einzig relevanten Parteien CDU, SPD und FDP (die Grünen waren damals erst am Entstehen). Mit “drüben” war übrigens (für die jüngeren Leser:innen) die DDR gemeint.

Während mir damals Erstere emotional näher standen als Zweitere, habe ich seither doch einiges dazu gelernt. Dazu gehört (u.a.):

  • Nicht alle Regeln sich automatisch richtig (und/oder notwendig)
  • Regeln sind dennoch wichtig für die Demokratie – denn sonst regiert das “Recht des Stärkeren”
  • Die, die Regeln machen, müssen besonders an sie gebunden sein.

Aber auch Parteien von damals scheinen sich – zumindest in Darmstadt – verändert zu haben. In die andere Richtung.

Was passiert ist und warum das wichtig ist

Vor der Oberbürgermeister:innen-Wahl in Darmstadt, bei der insgesamt 12 10 Kandidat:inn:en antreten, haben die Bewerber von CDU, SPD, FDP, Grünen, Volt und Freie Wähler mit dem Plakatieren begonnen, bevor das erlaubt ist. Und da der Termin klar kommuniziert war (mehr dazu weiter unten) handelt es sich hier um kein Versehen, sondern um ein gezieltes Vorgehen, um den anderen Bewerber:innen die besten Plakatplätze wegzunehmen. Warum ein solcher Regelverstoß keine ignorierbare Kleinigkeit ist:

  1. Angesichts der Bewerber:innenzahl ist mit einem knappen Entscheid darüber zu rechnen, wer in die Stichwahl kommt. Zur Wahrung der Chancengleicheit ist ein einheitlicher Starttermin wichtig. Da zeigen ausgerechnet die Kandidaten, die bereits mit der besten Finanzausstattung in den Wahlkampf gehen, das ihnen sowas egal ist. Hauptsache: MACHT.
  2. Drei der hier illegal Handelnden (Michael Kolmer, Paul Georg Wandrey, Holger Klötzner) sind als hauptamtliche Dezernenten bereits Angestellte der Stadt Darmstadt. D.h. wir Bürger:innen zahlen ihr Gehalt. Und sie sollten damit der Einhaltung der Regeln besonders verpflichtet sein. Scheißegal?
  3. Das Handeln im Wahlkampf ist immer auch ein Spiegel auf die zu erwartende Amtsführung. Wie wird jemand, der bereits im Wahlkampf einfache Regeln missachtet (und damit durchkommt), erst als Oberbürgermeister mit Recht und Gesetz umgehen? Die Ignoranz von Herrn Rafael Reisser (CDU) gegenüber den Regeln des Rechtsstaates hat die Darmstäder:innen mehr als 165.000 Euro gekostet (zzgl. öffentliche Bloßstellung). Und die Herrlichkeit eines Peter Feldmann, der meinte, Regeln gülten für ihn nicht, ist kürzlich in Frankfrurt als teure Peinlichkeit (inkl. Abwahl und Verurteilung) zu Ende gegangen.

Dennoch unterscheidet sich die Schwere der Taten im Einzelfall:

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