Ausschnitt aus dem aktuellen Social Media Profilfoto von Herrn Zitzmann, das seine Haltung (wie ich finde) gut transportiert.

Vor 5 Jahren nannte ich ihn „der Geist, der stets verneint“ in meinem Artikel Zitzmann’s Revenge. Damals hatte der Darmstädter Gastronom Stefan Zitzmann seine Kandidatur für den Darmstäder Stadtrat (aka Stadtverordnetenversammlung („StaVo“)) für die CDU bekannt gegeben. Nun ist der Stadtverordnete Stefan Zitzmann (mit einem Paukenschlag) wieder aus der CDU ausgetreten.

Damals kritisierte ich seine Ansichten inhaltlich:

Es ist der Anti-Grüne Reflex eines alten, weißen Konservativen, der Veränderung ablehnt, die ihm (persönlich) unangenehm ist. Und diese grüne Politik – obwohl von einem klaren politischen Mandat getragen – als Arroganz auslegt. Weil sie seine persönlichen Ansichten nicht berücksichtigt. Die von Einem, der fest glaubt, zur Elite zu gehören und jetzt feststellen muß, dass das die Menschen in Darmstadt nicht mal interessiert. […] Meine politische Kritik an Herrn Zitzmann geht jedoch noch weiter: Denn in all den Jahren […] habe ich von ihm keinen einzigen konstruktiven Vorschlag im Gedächtnis, kein Vision, nicht mal eine Idee wie oder wohin sich Darmstadt entwicklen soll. […] Auch die Ankündigung seiner Kandidatur […] enthält […] keinen einzigen Hinweis, wofür sich Herr Zitzmann einsetzen will. Oder wie (und welche) der konkreten Probleme der Darmstädter BürgerInnen er lösen will. Es bedarf wenig Scharfsinn, um zu verstehen, dass seine Kandidatur vor allem von einem negativem, ablehnendem Impuls getrieben wird.

Daran hat sich nicht viel geändert: Seine persönliche Motivation ist weiterhin vom Anti-Grünen Refelx getrieben (die CDU betreibe „permanentes Duckmäusertum gegenüber den Grünen“) und falls es von Herrn Zitzmann in den letzten 5 Jahren konstruktive Beiträge, Verbesserungsvorschläge und Ideen gab, so wären diese komplett an mir vorbei gegangen.

Auch seinen Abschied von der CDU habe ich kommen sehen:

Und wie lange Herr Zitzmann („der Geist, der stets verneint“) der CDU treu bleibt, bleibt abzuwarten. Denn Kommunalpolitik ist ein eher mühsames Feld, dass dauerhaftes Engagement erfordert – ohne dass damit viel Ruhm verbunden ist.

Zitzmanns Austrittserklärung (Social Media Screenshot, Teil 1)

Wobei ich tatsächlich bereits früher damit gerechnet hätte. Doch auch der jetzige Zeitpunkt ist vielsagend: Denn jetzt läuft der Prozess, die Wahllisten für die Kommunalwahl 2026 aufzustellen. Und der Zeitpunkt leget die Vermutung nahe, dass die Darmstädter CDU nicht geneigt war, Herrn Zitzmann wieder zu nominieren. Was darauf hindeutet, dass es ihm in den letzten 5 Jahren in mühsamen Feld der Kommunalpolitik nicht gelungen ist, selbst in der CDU für seine Ansichten und Herangehensweisen eine Mehrheit oder eine (seine Re-Nominierung sichernde) ausreichende Minderheit zu gewinnen. Denn gute Politik macht man nicht mit Maximalforderungen und Ablehnung anderer Ansichten, sondern indem man Unterstützung für seine Positionen gewinnt.

Sein Mandat in der StaVo will Zitzmann behalten, „um seinen Wählerauftrag zu erfüllen“. Wobei dieser schwer zu belegen ist: In der 2021er Kommunalwahl hatte die CDU mit Zitzmann als Kandidat 2,6% verloren (und hinter die SPD zurückgefallen), und damit mehr als der von ihm so heftig kritisierte Koalitionspartner Grüne (-2,3%) und die Grünen waren mit (> 10%) Abstand stärkster Kraft in der Stavo geblieben.

Der Austritt Zitzmanns ist vor allem eine Niederlage von Paul-Georg Wandrey, dem CDU-Kreisvorsitzenden, der damals Zitzmann für die CDU gewonnen hatte, dem es aber offensichtlich nicht gelang Zitzmann in die CDU Fraktion zu integrieren. Die schmutzige Wäsche, die jetzt in der Öffentlichkeit via Social Media und Pressemitteilungen gewaschen wird, spricht nicht für die Kommunikations- und Ausgleichsfähigkeit der Beteiligten: „geprägt von falschen Versprechen, Lügen und einer permanenten Ausgrenzung“ und „Manipulation und Missbrauch“ heißt es auf der einen Seite, „Illoyalität“ und eine „offene Drohung, ein Angebot einer anderen großen Partei“ anzunehmen, auf der anderen Seite. Auch wenn wir als Außenstehende nicht wirklich beurteilen können, was da genau passiert ist: Klingt nach Arroganz auf mindestens einer der beiden Seiten. Und dieses Mal kann selbst Zitzmann den Grünen nicht die Schuld zuschieben.

Zitzmanns Austrittserklärung (Social Media Screenshot, Teil 2)

Zumal diese den Austritt ihres Mitgliedes Jürgen Barth aus inhaltlichen Gründen im Juni 2024 ohne solche schmutzige Wäsche zu waschen hinbekommen haben (obwohl er ihnen die Mehreit in der StaVo gekostet hat). Aber hier scheint der Umgang miteinander zumindest zivilisierter zu sein:

Jürgen Barth hat mit seinem Lebenswerk viel für die Stadtgesellschaft und die Partei in Darmstadt geleistet. Wir erkennen jedoch an, dass seine politischen Ansichten mittlerweile von den Positionen von Bündnis 90/Die Grünen abweichen.

Parteisprecher Hildegard Förster-Heldmann und Heiko Depner damals

Zitzmanns Revenge ist also erst einmal gescheitert

Damit ist er aber nicht weg, sondern sieht es als Chance:

der Parteiaustritt gibt mir die Möglichkeit wieder, mich hier / meine Meinung schrankenlos zu artikulieren. Das ein oder andere habe ich dazu noch zu sagen: alles zu seiner Zeit / im Vorfeld der anstehenden Kommunalwahlen.

Warum ihn aber eine Parteimitgliedschaft in den letzten 5 Jahren davon abgehalten hat, seine „Meinung schrankenlos zu artikulieren“ – dass sollte er dann doch vielleicht noch mal erklären. Will er damit wirklich sagen, dass in der CDU abweichende Meinungen unterdrückt werden? Ist das einer der Grundwerte, dener er inhaltlich verbunden bleibt?

Das ist jedenfalls bei den Grünen nicht so, auch wenn das oft genug dazu führt, dass Mandatsträger undurchdachten Unsinn daherschwafeln, der dann von Spríngers Hetzblatt gegen die Partei verwendet wird. Das nur angemerkt, weil Zitzmann sich ja immer an den „bösen“ Grünen reibt.

Ob es eine gute Idee der SPD wäre, einen so streibaren Kandidaten auf ihre Wahlliste aufzunehmen (wie von der CDU als Zitzmann-Drohung kolportiert), wage ich zu bezweifeln. Und auch Herr Zitzmann sollte vielleicht überlegen, ob es nicht klüger wäre, seinen Anti-Grünen-Kreuzzug als unabhängiger Kandidat mit einem echten politischen Mandat auszustatten, statt erneut von einer Listenwahl zu profitieren und sich dann der Fraktionsdisziplin der Bürgermeister-Partei SPD unterzuordnen müssen. Bekannt genug für eine unabhängige Kandidatur oder eine eigene Liste (z.B. a la „BSZ“) wäre er ja. Wobei eine LIste warscheinlich an seiner Arroganz gegenüber Andersdenkenden scheitern würde (siehe meinen 2020-Artikel).

Stafan Zitzmann, Darmstadt
Ein vermutlich KI-generiertes Selbstportrait, das Herr Zitzmann auf einer Social Media Seite veröffentlicht hat.

Kommen wir zu den Learnings daraus:

  1. Während sich eine pointierte Anti-Haltung im Wahlkampf auszahlen kann, ist diese nicht genug, um (in einer Demokratie) Dinge auch zum Positiven zu verändern. Dazu muss man Menschen überzeugen, Brücken bauen und Kompromisse schließen (können).
  2. Einen streibaren Menschen in eine Partei zu intergrieren, ist keine einfache Sache – und das Scheitern kann mehr Schaden anrichten, als die paar Prozente Vorteil, die es vielleicht bringen mag.
  3. Verbitterung ist schädlich in der Politik – für die Beteiligten wie für die Bürger:innen.
  4. Darmstadt ist ein gutes Pflaster für Meinungs-Pluralität: In der StaVo sind nicht nur 9 Fraktionen vertreten, sondern mit Zitzmann nun auch 5 Fraktionslose. Das macht das Regieren nicht einfacher, aber die Politik besser.

Und bei aller Kritik an Stefan Zitzmann auch dieses Mal wieder etwas Positives, das ich unbedingt hervorheben möchte: Den Anteil seiner Aufwandsentschädigung für die StaVo-Tätigkeit, den er bisher an die CDU abgeführt hat (25%), will er zuküntig an das Frauenhaus Darmstadt spenden. Chapeau!

Und sein Social Media-Banner „Don’t Buy American“ ist zwar populistisch vereinfachend (siehe USA vs. Amerika ), aber zumindest steht er hier auch auf der richtigen Seite (und nutzt dennoch Facebook).

Siehe auch Jörg Helenes Kommentar zum Thema.