Polizisten und Taucher

Philip Schreiterer ist Volkswirt, Berliner und möchte ein Außenschwimmbecken in Moabit. Weil dieses Thema am 21.März auf der Tagesordnung des Berliner Abgeordnetenhaus stand, ist er dorthin gegangen. Hier sein Bericht:

 

War heute im Berliner Abgeordnetenhaus. Also bei den Menschen, die uns 3,5 Mio Berliner demokratisch vertreten. Es wurde über das Freibad Moabit diskutiert. Wobei die Formulierung sich schon falsch anfühlt. Es wurde krakelt und gefrotzelt, dazwischengerufen, aber das leider ohne Humor oder Berliner Schnauze. Alles eher abschreckend. Respekt und Toleranz, also die Werte, auf denen diese Stadt ihre Position in der Welt historisch und heute errungen hat, war nicht zu spüren.

Noch furchtbarer war die Qualität der Reden – eigentlich keine einzige, die auch nur halbwegs an Reuter, Weizäcker, Tucholsky oder andere erinnert, die diese Stadt geprägt haben.

Frau Hiller, Die Linke, schrie Skandal und Rücktritt, aber ging es ihr um das Freibad oder doch nur um gestotterte Attacken gegen Sportsenator Henkel? Der revanchierte sich mit SMS-Schreiben und Ignorieren der Rednerin. Vielleicht sogar angesichts der Rede verständlich, aber um die Sache ging es ihm auch nicht.

Fast schon angenehm dann der Ton von Dennis Buchner, SPD, aber wie man gleichzeitig für und doch gegen etwas sein kann, dass kann halt nur die SPD und deshalb leiden wir ja alle mit ihr, entweder aus Mitleid oder nur noch aus historischer Sympathie. Jedenfalls wurde nicht klar, warum die SPD zwar für das Schwimmbad ist, aber trotzdem dagegen stimmt.

Bezeichnend unser lokal gewählter SPD Direktkandidat, Herr Isenberg, der später bei der Abstimmung die Hand nicht für, dagegen oder bei den Enthaltungen hob. Schön immerhin, dass der Versammlungsleiter seine Stimme dann einfach als Gegenstimme zählte, also dieses absurde Verhalten entsprechend des Fraktionszwangs wertete (offiziell gab es null Enthaltungen, also zählte Isenbergs “Stimme” als Entscheidung gegen das Schwimmbad).

Martin Beck von B90/Die Grünen dann sachlich und mit vielen Fragen, aber da war Herr Henkel schon gegangen und die Luft raus. Wobei dies Peter Trapp von der CDU nicht davon abhielt, sich durch vollständige Unkenntnis zu blamieren. Das Freibad sei unrentabel, weil die Verhandlungen mit dem danebenliegenden Wellnessbad gescheitert wären. Lieber Herr Trapp, setzen, sechs. Oder bitte einfach in Zukunft stummer Hinterbänkler bleiben.

Andreas Baum von den Piraten sagte tolle Sachen, wie honoriert das Engagement der Bürger bzw. redet doch mal mit den Initiativen, aber man merkte ihm doch sehr an, dass er lieber twittert als redet.

Fazit (nach 3 Bier und 2 stärkeren Drinks): Wir sollten unsere Stadt nicht diesen Fuzzies, diesen fehlprogrammierten Typen überlassen… Entschuldigung, diese Partei ist ja zum Glück gar nicht mehr im Berliner Parlament vertreten.
Aber macht das einen Unterschied? Ich jedenfalls habe gerade Demokratie-Frust!

Nachtrag:

Nach ein paar Stunden Schlaf bin ich immer noch ernsthaft entsetzt. Und das hat nichts mit dem Ergebnis der Abstimmung zu tun, das stand im Vorfeld fest. Was mich immer noch fertigmacht war die Atmosphäre im Parlament, das Niveau der Zwischenrufe, das feiste Gebahren, also der Gesamteindruck. In mir steigen Bilder von Georg Grosz auf… Und dieses gruselige polemische Überziehen fast aller Redner/-innen. Es ging doch nur um ein Außenbecken, also keine existentielle Gefahr für Heimatstadt & Vaterland, den EURO oder Weltfrieden.

 

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Hintergrund

Beschlussprotokoll der AH Sitzung vom 21.März 2013 (das Plenarprotokoll mit den Reden liegt noch nicht vor)

 

 

 

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