Im Juni hatte ich festgestellt: Bitcoin ist – obwohl nun schon jahrelang von vielen Journalisten, Politikern und „Experten“ totgeredet – immer noch da und funktioniert.
Nur ein paar Monate später ist der Kurs von Bitcoin sogar drastisch gestiegen. Im Augenblick zahlt man für einen Bitcoin so um die 13.000 Euro (nach rund 8.500 Euro, als ich den Artikel im Juni schrieb). Nicht ganz so viel wie beim großen Bitcoin-Hype im Herbst 2017 (ca. 16.500 Euro) – aber doch drastisch mehr als über die meiste Zeit seiner Existenz:
Was steckt dahinter? Haben wir es wieder nur mit einer Blase zu tun? Hat Bitcoin den Durchbruch in die Breite geschafft? Oder profitiert Bitcoin von der aktuellen Krise?
Dazu welche unterschiedlichen Typen von Blasen es gibt, hatte ich mich ja schon ausführlich in meiner Kleinen Blasologie geäußert. Was wir wohl dieses Mal auschließen können, ist da eine irrationale Blase1 handelt – weder in der allgemeinen Presse noch in der Fachpresse wird Bitcoin derzeit gehypt oder auch nur überproportional häufig erwähnt (anders als 2017). Wer derzeit Bitcoin kauft, kennt die Kryptowährung vermutlich schon länger.
Auch eine Zyklus-Blase ist eher unwarscheinlich – denn dafür kommt die Kursexplosion eigentlich zu früh: Ein halbes Jahr nach dem Halving2 sollten die Miner noch in der Finanzierung neuer Hardware stecken und tendentiell zu einem Überangebot an Bitcoin beitragen. Was allerdings auffällt, ist, dass der derzeitige Boom (wie 2017) gerade auch wieder im Herbst zu einem Höhepunkt zu kommen scheint.
Dritte Blase die ich in meinem Artikel vorgestellt habe, ist die Technologie-Blase, die Durchsetzung technischer Innovationen vorweg nimmt (und die z.B. bei Apple, Amazon und Google zu beobachten war). Die 2017er hielt ich für so eine Blase. Doch dem jetzigen Kursanstieg fehlen sowohl technische Neuigkeiten – und auch die Durchsetzung von Bitcoin als Breitentechnologie, mit der sich eine Realisierung der Erwartungen von 2017 erklären ließe, fehlt.
Ich vermute daher, dass ein anderer Impuls hinter dem derzeitigen Kursanstieg steckt: Die Furcht vor Inflation. Wie ich in Ist Bitcoin ein reines Spekulationsobjekt? schon ausgeführt habe, hat Bitcoin durch die absolute Begrenzung seiner Geldmenge sehr gute Eigenschaften als Wertaufbewahrungsmittel – ähnlich wie Gold und Immobilien. Anders als diese ist es jedoch einfacher und günstiger zu handeln und es entstehen durch das Halten von Bitcoin fast keine laufenden Kosten und Aufwände.
Und die Furcht vor Inflation ist – durch die Corona-Hilfspakete – nicht nur subjektiv gestiegen, sondern durch die zu beobachtende Ausweitung der Geldmengen durchaus nicht völlig unbegründet. Zumindest in den USA, wo die Geldmengenentwicklung 2020 sehr auffällig ist:
In der EU steigt die Geldmenge in 2020 auch stärker als üblich (siehe Abb. rechts)3, aber sehr verhalten im Vergleich zu den USA.
Historisch ist eine Ausweitung der Geldmenge oft – aber nicht immer – mit einer erhöhten Inflation (Geldentwertung) verbunden gewesen. Angesichts der vor der Corona-Krise historisch sehr niedrigen Inflation im Euro-Raum sehe ich persönlich hier kein gesamtwirtschaftliches Risiko und eher die Chance der Rückkehr zu „gesunden“ Inflationsraten (und Zinssätzen).
Doch nicht alle sehen das so:
Schauen Sie sich die extraordinären Maßnahmen an, die von der Fed ergriffen wurden […]. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass wir in den nächsten fünf oder sechs Jahren eine Inflation bekommen.
Stanley Druckenmiller, ehemalige Chef-Manager des Hedgefonds Quantum Fund, in der CNBC-Sendung „The Exchange“ (Quelle und Übersetzung: btc-echo.de).4
und nicht wenige Investoren sehen in Inflation auch eine Chance, noch mehr Geld zu verdienen – und auch da ist Bitcoin – neben Gold – ein Mittel:
Ich halte viel, viel mehr Gold als Bitcoin. Doch wenn die Gold-Wette aufgeht, geht die Bitcoin-Wette wahrscheinlich noch besser auf, weil es dünner und illiquider ist und über eine bessere Datengrundlage verfügt,
Stanley Druckenmiller, ehemalige Chef-Manager des Hedgefonds Quantum Fund, in der CNBC-Sendung „The Exchange“ (Quelle und Übersetzung: btc-echo.de).
Wenn aber Menschen eine erhöhte Inflation fürchten (b.z.w. darauf hoffen), sollte sich dass auch beim Goldpreis wiederspiegeln. Und das tut es:
Fazit
Es scheint sich beim derzeitigen Bitcoin Hoch also nicht um eine klassische Blase zu handeln, sondern um die Erfüllung einer Funktion, die von den Erfindern von Bitcoin explizit vorgesehen war5: Wertaufbewahrung und Schutz vor Inflation. Ob es aber überhaupt zu einer erhöhten Inflation kommt (und wenn ja: wo überall), ist eine Frage, die Bitcoin nicht beantworten kann.
Heißt das, dass ich jetzt Bitcoin kaufen sollte?
Nur, wenn du davon aus gehst, dass es schon sehr kurzfristig zu einer hohen Inflation kommt. Ansonsten dürfte auf das derzeitige Hoch auch wieder eine Abkühlung folgen und der Kurs nach Süden sinken (evtl. sogar unter 10.000 Euro) – das zumindest zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre. Dann wäre eine gute Gelegenheit, sich mit Bitcoin zu versorgen – egal, ob als Schutz vor einer Inflationsphase oder als langfristige Investition in digitale Währungen.
Der Kursverlauf von Bitcoin kann man übrigens bei CoinGecko schön mitverfolgen.
Update 12.11.2020: Till Bücker, boerse.ARD, analysiert ebenfalls die Situation und nennt eine Vielzahl weiterer Gründe für den aktuellen Bullenmarkt.
Siehe auch:
Ist Bitcoin ein reines Spekulationsobjekt?
Bitcoin as an Investment (auf Medium, Engl.)
Bitcoin als Investition (dt.)
Die miese Masche des Multi Level Marketing (MLM)
Three Laws of Bitcoin (engl.)
Ethereum stolpert, aber … (9.6.2017)
Mein Jahr mit der Blockchain (28.12.2016)
Zcash (5.12.2016)
- beschreibt eine völlig übertriebene Erwartungshaltung in Hinblick auf ein Produkt oder einen Markt. Man könnte auch von einer Mode sprechen.[↩zurück ↩]
- Halbierung der Entlohnung für das Bitcoin Mining, das alte, Energie-intensive Hardware wertlos macht[↩zurück ↩]
- Die Abbildungen sind nur zur groben Veranschaulichung mangels besserer Graphiken – natürlich kann man die Geldmengen M1 und M3 nicht direkt vergleichen. [↩zurück ↩]
- Was natürlich formal eine Schwachsinns-Aussage ist, denn „Inflation“ hat man fast immer – nur mal höher, mal niedriger.[↩zurück ↩]
- Satoshi Nakamoto: “Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System” (PDF).[↩zurück ↩]