In meine Artikel Zusammenbruch des politischen “BRD-Systems” (vom Juni 2019) habe ich auf einen sich vollziehenden Wertewandel hingewiesen, der (so meine These) eine drastische Entfremdung vor allem (aber nicht nur) der jüngeren Menschen von der CDU und damit ein langfristiges Absacken der Wahlergebnisse der CDU in Richtung 10% nach sich ziehen wird.

Ein “Größen”-ordnung, der inzwischen zumindest in Thüringen (in Umfragen) und in Hamburg (Bürgerschaftswahl 23.2.2020) – schneller als ich gedacht hätte – erreicht wurde. Dazu hat natürlich sicher beigetragen, das die CDU in Thüringen mit einer rechtradikalen Partei paktiert hat – ein taktischer Schachzug, der für jüngere Generationen völlig inakzeptabel ist und von diesen so schnell nicht vergessen werden wird.

Doch 10% ist – so zeigen die Analysen zur Hamburg-Wahl – für die CDU keineswegs die Untergrenze. Denn in Hamburg haben von den 18-29-Jährigen gerade mal noch 7% die CDU gewählt:

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Und von denen unter 25 Jahren (also die ErstwählerInnen) haben sich sogar nur noch 6% für die CDU entschieden:

Quelle: spiegel.de (Klicke auf die Graphik für den ganzen Artikel)

Die CDU steuert also langfristig auf die 5% Hürde zu. Und wir wissen alle, das die Großstädte keineswegs politische Sonderzonen sind, sondern fast immer politische Entwicklungen vorweg nehmen, die auf dem Land ein paar Jahre später folgen. Und es ist keineswegs so, dass 90% der Jugendlichen in Hamburg (zumindest im klassischen Sinne) links wären (die FDP z.B. kann bei den ErstwählerInnen sogar leicht besser punkten als bei den Älteren).

Aber es ist offensichtlich, dass die Politik der CDU die Werte und Ansichten der jüngeren Generation praktisch gar nicht mehr wiederspiegelt. Ein paar Beispiele dafür hatte ich im Juni 2019 bereits genannt. Es sind längst nicht mehr die 68er (denen die CDU immer noch die Schuld für Vieles gibt), die den Niedergang der CDU dominieren, sondern die pragmatischen, unideologischen Jugendlichen von heute (jedenfalls deutlich stärker als meine Generation oder gar die der 68er).

Und die CDU hat das noch immer nicht begriffen. Denn zur Wahl für den Parteivorsitz st ehen bisher ausschließlich Kandidaten, die allesamt die 80er Jahre (des letzten Jahrhunderts) repräsentieren und einen Rückfall in die Zeit vor Kanzlerin Merkel bedeuten. So wie sich das die Mehrheit der über 60 -jährigen CDU Mitglieder wünscht.

Der Vorteil davon: Der Streit um eine Kanzlerkandidatur dürfte sich bei der CDU bald erledigt haben.

Übrigens: Wer glaubt ich unke oben, wenn ich von der 5% Hürde als Gefahr für die CDU spreche, sollte sich das Wahlergebnis im Wahllokal 10901 in Hamburg St.Pauli ansehen:

Nun kann man natürlich sagen, dass dei CDU in St.Pauli noch nie viel zu gewinnen hatte. Aber man kann sich auch die Wahlergebnisse der Vergangenheit dort ansehen und feststellen, dass die CDU dort bis 1982 immerhin noch Ergebnisse erzielt hat, wie sie heute auf Bundesebene bekommt (25-29%). Und bis 2008 immerhin noch Ergebnisse wie sie jetzt in Gesamt-Hamburg (10-18%) erzielen konnte. Insofern könnte man auch schlussfolgern, das St.Pauli politisch Hamburg 12 Jahre voraus ist – und der Bundesrepublik rund 40 Jahre (Quelle: Wikipedia).

Was bedeuten würde, dass die CDU bundesweit dann ca. im Jahr 2060 bei rund 2% der Stimmen ankommen würde.

Update 26.6.2021: Kanzlerin-Kandidatin Baerbock kommt bei den unter 30-jährigen inzwischen auf eine Zustimmung von über 50%: