Foto des Artikels zur Lichwisenbahn im P-Magazin

Der Artikel im P-Magazin

Es war mein erster Artikel für das P-Magazin – und auch gleich mein vorletzter: Meine 2016-er Recherche zur Lichtwiesenbahn in Darmstadt – und ihren Gegnern: “Es geht um mehr als nur um Schienen.” Danach habe ich dann noch einen Kommentar zum Ergebnis der Kommunalwahl (Kommunalwahl 2016: Wahl gewonnen – Mehrheit verloren) verfaßt, dann war erst mal Schluß. Nicht wegen Differenzen, sondern weil mir die Zeit davon lief. Job, Blockchain, Tango, Buch, internationale Beziehung, u.s.w.

Der Artikel zur Lichtwiesenbahn jedoch war sinnvoll investierte Zeit. Ich konnte den Artikel zwischenzeitlich mehrfach nutzen, um über das Thema aufzuklären. Und heute, fast 3 Jahre später ist es wieder brand-aktuell. Denn diese Woche sollen ein paar Bäume fallen und die Bürgerinitiative mobilisiert dagegen.

Ich hatte mich damals relativ unvorbelastet an das Thema herangewagt. Hatte keine klare Meinung, als ich mit der Recherche begann. Habe versucht, mit allen zu sprechen, die sich damals mit sachlichen Argumenten hervorgetan hatten. Und dann die unterschiedlichen Positionen möglichst gut und unter Zurückhaltung meiner Meinung darzustellen versucht. Schien mir gelungen zu sein. Denn (so wurde mir zugetragen – offen gemeldet hat sich nie jemand bei mir) beide Seiten haben mir danach unterstellt, dass ich der jeweils “anderen” Seite zugeneigt sei. Fühlte mich damals dadurch bestätigt. Wer das prüfen will, möge – bevor er / sie weiterliest – den Artikel lesen und analysieren, welcher Meinung ich damals war (über entsprechende Kommentare freue ich mich).

An den Kernargumenten beider Seiten hat sich seit 2016 eigentlich wenig geändert. Warum also jetzt noch mal darüber schreiben? Weil ich damals für ein Print-Magazin schrieb, hatte ich nur begrenzten Platz und konnte längst nicht alles unterbringen, was ich herausgefunden hatte und was an Argumenten so kursierte. Meine Aufgabe war es, den Artikel auf die wesentlichen Punkte für eine Entscheidung für oder gegen die Lichtwiesenbahn zu konzentrieren. Vieles habe ich leider weglassen müssen, was ich gern gesagt hätte – inklusiv einer Begründung meiner eigenen Meinung. Hier habe ich den Platz und nun auch den Anlass, das Thema noch mal aufzugreifen.

Und da ich hier nicht für ein journalistisches Medium schreibe, werde ich hier meine Meinung dominieren lassen – bis hin zu einer polemischen Zuspitzung am Ende.

Die Strecke, an der die Lichtwiesenbahn entlang verlaufen wird

Die Strecke, an der die Lichtwiesenbahn zur TU hin entlang verlaufen wird (1)

Aber fangen wir mit den Quellen an. Zwei Wesentliche davon haben im Rahmen meiner Recherche gar nicht mit mir sprechen wollen: Meine Fragen an die Heag blieben erst Wochen lang unbeantwortet, dann wurde ich (nach Erscheinen des Artikels) auf die Web-Seiten der Heag verwiesen, die ich natürlich (mit all ihren Schwächen) längst ausgewertet hatte. Wer damals (2016) die Öffentlichkeitsarbeit der Heag verantwortet hat, war den Herausforderungen des Jobs definitiv nicht gewachsen.

Auch die Grünen haben auf meine Anfragen Null reagiert. Weder offiziell, noch meine persönlichen Kontakte. Das fand ich für eine Partei, die auf Bürgerbeteiligung setzt, sehr unprofessionell.

Gesprochen haben mit mir vor allem Georg Hang von Uffbasse und Mitglieder der Bürgerinitiative gegen die Lichtwiesenbahn. Außerdem Busfahrer der K-Linie zur TU-Lichtwiese. Insbesondere Georg Hang von Uffbasse habe ich als einen sehr sachlichen, gut und fundiert informierten und kritischen Gespächspartner erlebt, der mich mit wesentlichen Detail-Informationen versorgt hat. Das ist mir wichtig hervorzuheben, obwohl ich letztlich zu einer anderen Meinung gekommen bin, als er. Leute wie Georg Hang sind eine unglaublich wichtige Bereicherung für unser Kommunalparlament! Den werde ich auf jeden Fall wählen. Zur Bürgerinitiative unten mehr.

Ich habe mir auch den K-Bus zu Stoßzeiten angesehen und die Kreuzung an der Nieder-Ramstädter Straße. Fangen wir mit den dabei beobachteten Fakten an. Die Situation beim K-Bus ist unwürdig. Auch wenn es populistisch (wie in manchen Social Media Foren argumentiert) vielleicht akzeptabel erscheint, dass Studenten sich wie Ölsardinen quetschen müssen, um an die Uni zu kommen und nicht selten gar nicht mitgenommen werden (weil der Bus einfach zu voll ist) – eine Werbung für den öffentlichen Nahverkehr ist das nicht. Folge: Mehr Auto-Verkehr in Darmstadt.

Aber die populistischen Argumente ignorieren einige Gruppen, die genauso von der Verkehrssituation betroffen sind: Zum einen die Angestellen der Uni. Auch sie (von der Putzkraft über die MitarbeiterInnen, die den Laden am Laufen halten bis zu den ProfessorInnen) müssen sich (bis zum Rentenalter) in diese Busse quetschen, wenn sie nicht (ganz unvernünftig) täglich mit dem PKW anfahren wollen. Zum anderen aber auch die internationalen (Gast-) Dozentinnen und Tagungsteilnehmerinnen, die ziemlich unvorteilhaftes Bild einer Stadt mit in die Welt hinaus nehmen, die seine die Nachfrage nach Transport nicht befriedigen kann. Das ist nicht nur eine Frage des Image, das ist inzwischen auch ein Wettbewerbsfaktor. Von Menschen mit Behinderungen mal ganz abgesehen.

Gleiches betrifft die Argumentation, die “500 Meter” von der Straßenbahnhaltestelle “Hochschulstation” sei doch für StudentInnen locker zu schaffen. Es sind – zu den meisten Orten der TU Lichtwiese- keine 500 Meter (wie von den Gegnern gern behauptet) sondern rund 1 km. Und dieser Kilometer wird sehr lang (ich jogge da, ich weiß das), wenn ich etwas zu schleppen habe (Bücher, Materialien, …). Oder eine Gehbehinderung habe.

Die Strecke, an der die Lichtwiesenbahn entlang verlaufen wird

Die Strecke, an der die Lichtwiesenbahn entlang verlaufen wird (2)

Ich würde die Anbindung der TU – immerhin der größte Arbeitgeber der Stadt – an die öffentlichen Verkehrsmittel also keineswegs als modern, sondern ehr als mittelalterlich einsstufen. Für eine Technische Universität keinesfalls ein Aushängeschild.

Angesehen habe ich mir auch die Situation an der Ecke Nieder-Ramstädter -Straße und Lichtwiesenweg zur Hauptverkehrszeit. Hier war im Vorfeld gegen die Bahn argumentiert worden, dass eine hier abbiegende Bahn den  Autoverkehr auf der Nieder-Ramstädter-Straße zusätzlich ins Stocken bringen würde. Nach Ortsbegehung kann ich sagen: Die Frequenz der Fußgänger Ampel dort ist in den Morgenstunden deutlich höher als die einer Lichtwiesenbahn. Im Gegenteil: Die Massen an FußgängerInnen, die sich dort Morgens auf engstem Raum zwischen Straße und Bahnschienen drängeln (ein Wunder, das es hier noch keine tödlichen Unfälle gegeben hat) ruft gerade danach, hier Entlastung und Verbesserungen herbei zu führen. Von einer Bahn würden hier auch die SchülerInnen der Georg-Büchner-Schule und Menschen mit Behinderungen erheblich profitieren.

Zu den Zielgruppen der Lichtwiesenbahn

Gern wird die Zielgruppe der Bahn von den GegnerIn auf gesunde Studierende ohne Gepäck zugespitzt, denen man alle Mühen zumuten kann, soll und muss – Spaziergänge  und auch Radfahren bei jedem Wetter und die sowieso nur im Semester an die Uni wollen.

wies darauf hin:

Die Kritiker versteigen sich überdies auch noch in so weltfremde Argumente wie, dass die Bahn einen Großteil des Jahres, nämlich den Semesterferien, ja gar nicht gebraucht werde. Nun muss man ja nicht Student sein, um zu wissen, dass Semesterferien schon seit vielen Jahren nur noch auf dem Papier existieren.

Quelle: P-Magazin

Dazu kommen die (ganzjährig arbeitenden) angestellen MitarbeiterInnen der TU in Verwaltung und Services, die (ganzjährig arbeitenden) Forschenden und die in der Lehre tätigen Menschen (aus aller Welt). BesucherInnen von Instituten, Kongressen, Tagungen und anderen Veranstaltungen an der TU.

Zusätzlich erlaubt die Bahn einen weiteren (auch das Steinbergviertel) entlastenden Zugang zum Böllenfalltorstadion. Und zu weiteren Institutionen in dem Gebiet: Dem Hochschulsportgelände, der Kletterhalle, dem Kletterwald, der Elly-Heuss-Knapp-Schule und auch zum Vivarium – das dadurch deutlich besser (ohne Auto) ereicht werden kann.  Profitieren wird auch das ganze Wohngebiet hinter dem alten Friedhof. Und: Die Bahn erschließt auch das gesamte Naherholungsgebiet Lichtwiese (mit angenzendem Wald) viel, viel besser für den Rest von Darmstadt.

Was vielleicht (zumindest zum Teil) hinter den Befürchtungen der Bürgerinnitiative steckt. Denn die sind gar nicht direkte AnwohnerInnen der Bahnstrecke. Das sind nur die verdammten StudentInnen, die da in den Wohnheimen wohnen und die auch P-Redakteur Sebastian Weissgerber hier leider auch unterschlägt:

In Darmstadt allerdings wird mittlerweile grundsätzlich jedes Bauprojekt, mag es noch so sinnvoll und notwendig sein, von einer bürgerlichen Interessengemeinschaft begleitet. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn auch mancher Fundamentalopposition nur mit Kopfschütteln begegnet werden kann. So behaupten einige Gegner der geplanten Lichtwiesenbahn nicht nur irreführend, sie seien Anwohner, wobei an dem wenige hundert Meter langen Streifen einer Hundekot-Wiese, über den die Bahn führen soll, gar niemand wohnt.

Quelle: P-Magazin

Flugbaltt der BI Lichwiese

Flugbaltt der BI Lichwiese

Vielmehr stammen diese GegnerInnen überwiegend aus dem angrenzendem Steinbergviertel, das vom Bau und Betrieb der Bahn direkt kaum betroffen ist und das von einer Verkehrsentlastung sogar profitieren würde. Besonders an Spieltagen der Lilien. Das weiß ich, weil ich selbst im Steinbergviertel wohne. Und daher die Situation hier gut kenne. Hier wohnen unter anderem die wohlhabendsten DarmstädterInnen, auf großen Grundstücken mit viel Platz drum herum. Es gibt eine sehr hohe SUV- und Benz-Quote, Fahrzeuge die im Viertel nicht selten mit überhöhter Geschwindigkeit und ohne Sicherheitsabstand zu RadfahrerInnen (wenn diese die freie Fahrt blockieren) operiert werden. Die meisten Hausbesitzer hier nutzen keine Straßenbahn – den Bus schon gar nicht.

In meinen Gesprächen mit ihnen wurde immer wieder darauf  hingewiesen, wie wichtig ihnen das Naherholuungsgebiet Lichtwiese ist. Und das es eine Schande sei, dass außgerechnet die Grünen dort Bäume fällen wollen. Nach ihren Angaben 63 Bäume (was mir zu viel erscheint, aber ich habe nicht gezählt). Und kommen zu dem dramatischen Ergebnis: “Ein Naherhohlungsgebiet […] für immer zerstört.”

Was völliger Schwachsinn ist. Denn die Bahn streift das Gelände (am Wald) gerade mal, die Lichtwiese selbst wird praktisch gar nicht berührt. Die mesten betroffenen Bäume stehen vereinzelt entlang der Hundewiese am Lichtwiesenweg und gehören nicht zum Waldgebiet und sind deutlich später gepflanzt worden. Der Übersichtsplan der Heag Mobilo zeigt den Streckenverlauf, der exakt entlang dem Lichtwiesenweg (eine Teerstraße mit Parkplätzen) verläuft. Ein Naherholungsgebiet sieht anders aus. Hier mal ein größerer Kartenausschnitt, in den ich den groben Streckenverlauf mal eingemalt habe, und aus dem die Größe des Eingriffes im Verhältnis zum ganzen Naherholungsgebiet ersichtlich wird:

Die Strecke der Lichwiesenbahn

Die Strecke der Lichwiesenbahn tangiert den Wald nur  (Quelle der Karte: Google-Maps).

Reine Polemik, die der Sache nicht gerecht wird. Auf die leider viele Menschen herein fallen.

Aber was motiviert diese wohlhabenden Menschen, solche für AnwohnerInnen doch offensichtliche Polemik zu verwenden? Gegen eine Maßnahme, die den Verkehr und damit die Schadstoffbelastung auch da, wo sie selbst wohnen, reduzieren könnte. Einen Anhaltspunkt haben mir bereits die Recherchen vor drei Jahren geliefert. Denn die Gegnerinnen sagten mir damals offen, dass viele von ihnen auch gegen einen Ausbau des Stadions am Böllenfalltor vor Gericht klagen würden – notfalls bis zur höchsten Instanz. Und das sie auch gegen jede Erweiterung der TU an der Lichtwiese sind.

Was diese Baumaßnahmen gemeinsam haben: Sie bringen zusätzlich Menschen in ein Gebiet, das die BewohnerInnen des Steinbergviertels als ihr Eigentum ansehen und von dem sie einen zusätzlichen Zustrom von “Fremden” abwehren wollen. Warum sie auch kein Problem damit haben, sich der sinnvollen Stadtentwicklung in den Weg zu stellen:

Der Streit um die Lichtwiesenbahn ist aber auch Symptom eines viel grundlegenderen Konflikts: Während für die Grün-Schwarzen das Gebiet östlich der Nieder-Ramstädter Straße mit TU und Stadionneubau ein Kernstück der Entwicklung der Stadt darstellt, in der Wissenschaft und Fußball wichtige Faktoren sind, wollen einige Bewohner des Gebietes (vor allem im angrenzenden Steinbergviertel) beides nicht. Für sie ist die Lichtwiese vor allem Naherholungsgebiet und Hundewiese – und da sind Studis wie Fußballfans unerwünschte Eindringlinge in die bürgerliche Idylle. So ist es kaum überraschend, dass viele, die sich gegen die Lichtwiesenbahn engagieren, auch den Neubau des „98er“-Stadions an einem anderen Standort fordern.

Quelle: P-Magazin

Dabei mag zusätzlich auch eine Rolle spielen, dass im reichen Steinbergviertel FDP und CDU traditionell stark sind. Und es deren dortigen AnhängerInnen natürlich ein innerer Reichsparteitag sein muß, ausgerechnet den Grünen das Fällen von Bäumen vorwerfen zu können.

OK, das ist jetzt Polemik, kein Argument. Gebe ich zu.

Noch ein kleiner Nachklapp zu den Kosten: Bereits in meiner Recherche vor drei Jahren stellte ich fest, dass die Kosten für die Lichtwiesenbahn sich in dem Rahmen bewegen, wie das bei solchen Streckenlängen üblich ist. Auch wenn Millionenbeträge in der Öffentlichkeit immer schlecht ankommen. Und das das (den Kommunalbehörden vorgeschriebene) Verfahren dazu führt, das die Kostenschätzungen bei sowas immer unter den tatsächlichen Kosten am Ende liegen (müssen) und Ehrlichkeit ggü. den WählerInnen ausdrücklich verbietet, kann man der Lichtwiesenbahn nun wirklich nicht anlasten. Das (Verfahren) zu ändern ist eine bundespolitische Aufgabe, die CDU und SPD dort eigentlich lösen könnten und sollten. Das wäre im Sinne von mehr Transparenz und Demokratie dringend notwendig.

Ich bin für mich zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Wahl zwischen Nichtstun und Bau der Lichtwiesenbahn die Entscheidung für die Lichtwiesenbahn die Richtige ist. Hätte es andere sinnvolle Alternativen gegeben, wie Uffbasse es vertrat? Vielleicht, aber es gab in Darmstadt keine Mehrheiten dafür, diese (durchaus kostenintensiv und die Entscheidung ein bis zwei weitere Jahre verzögernd) zu untersuchen. Genauso wenig, wie für die von mir präferierte Weiterführung der Lichtwiesenbahn bis zur Haltestelle der Odenwaldbahn an der Lichtwiese. Das hätte m.M. verkehrspolitisch langfristig Sinn gemacht – wäre aber sicher auch mindestens doppelt so teuer geworden.

Interessant finde ich übrigens den Ideentwurf der Iintitiative “Essbares Darmstadt”, entlang der Strecke 150 Hochbeete aufzustellen. Wird vermutlich an der Finanzierung der Stellen scheitern, aber vielleicht ist sowas ja auch ohne Subventionen möglich.

Update: Hätte ja nie gedacht, dass ich in der FAZ mal meine Meinung lesen würde, aber tatsächlich stimmt mir der FAZ-Autor Jan Schiefenhövel bei diesem Thema zu: Darmstadt ist ein Standort der technischen Forschung und eine wohlhabende Stadt. Doch zum Campus an der Lichtwiese fahren bislang nur oft überfüllte Busse – eine Notlösung. 

Siehe auch:

AfD Darmstadt aktiv gegen Meinungsfreiheit

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