Piraten hatte ich mich entschieden. Bei der Landtagswahl Hessen 2018. Und hatte das nicht nur für mich systematisch hergeleitet, sondern auch hier öffentlich gemacht. Dafür von Jörg – den ich zwar noch immer nicht persönlich kenne, aber dessen Meinung ich sehr schätze – eine umfangreiche und gut begründete Kritik erhalten. Die mich letztlich nicht umstimmen konnte (aber durchaus ein paar Zweifel gesät hat).

Und jetzt werde ich meiner eigenen Wahlempfehlung wohl doch nicht folgen.

Nicht aus inhaltlichen Gründen. Inhaltlich halte ich weiterhin daran fest, das die Piraten (mit knappem Vorsprung vor den hessischen Linken) meine politischen Ansichten am besten vertreten. Sondern aus taktischen Gründen, die sich im letzten Monat entwickelt und sich mir in der möglichen Konsequenz erst in den letzten Tagen erschlossen haben.

Die sich ganz nüchtern ausdrücken lassen – in Zahlen: 

Meinungsumfragen Hessen

Aktuelle Meinungsumfragen Hessen – Quelle: wahlrercht.de

Interessant werden diese Zahlen durch Addition:

Die bisherige hessische Regierung (CDU & Grüne) kommt in den aktuellen Umfragen auf zwischen (28+17) 45 und (29+18) 47% der Stimmen. Das könnte für eine Mehrheit der Sitze im Landtag reichen, wenn zwischen 3% und 5% der Stimmen wegen der unsäglichen 5%-Klausel ausgeschlossen bleiben. Das ist knapp.

Spannender ist jedoch die Rechnungen 21+20+8 = 49% oder 21+21+8 =50% oder 20 + 22 +8 = 50% oder 23+18+8=49% und selbst 23 +17+8=48%. Es gibt aktuell in Hessen scheinbar eine Chance auf  eine Mehrheit für entweder Rot-Grün-Rot (RGR) oder Grün-Rot-Rot (GRR). Knapp, aber zumindest vorhanden.

Update 27.10.2018: Auf die letzte Umfrage (im Screenshot oben noch nicht enthalten) bestätigt das: Schwarz-Grün: 48% GRr/RGr: 48%.

Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Zum einen ist da der statistische Fehler (der sich methodisch aus dem Verfahren ergibt, das von rund 1.000 repräsentativen Befragten auf die gesamten WählerInnen in Hessen geschlossen wird), der meistens zwischen 1-2% (je Partei in jede Richtung) beträgt. Hinzu kommt, dass sich viele Wählerinnen (bis zu 50%) erst ganz kurz vor der Wahl festlegen und daher in solchen Umfragen nicht vertreten sind. Bei der Bayernwahl vor zwei Wochen machten beide Effekte zusammen (im Maximum) immerhin 4% Unterschied zwischen der letzten Umfrage und dem Wahlergebnis einer Partei aus. Für die Hessenwahl bedeutet das vor allem: Es ist noch nichts entschieden und es könnte sehr, sehr knapp werden.

Warum das für mich relevant ist: Sowohl für meine Top-Themen als auch für meine Nebenthemen bedeutet schon Rot-Grün-Rot – vor allem aber die Grün-Rot-Rot eine deutliche Verbesserung gegenüber Schwarz-Grün. Insbesondere für den von Schwarz-Grün schon beschlossenen Staatstrojaner würde das (zunmindest erst mal) das Aus bedeuten.

Also habe ich ein deutliches und ganz konkretes Interesse daran, dass hier in Hessen ein Regierungswechsel zustande kommt. Daher werde ich aus taktischen Gründen am Sonntag nun wohl doch die Linke wählen.

mit Buffier aufwachen? Danke Grüne

Grüner Wahlkampf vor vier Jahren kommentiert.

Natürlich sind solche taktischen Überlegungen immer riskant. Siehe  Grünes Wahlmotto von 2013 rechts (mit gesprayten Kommentaren nach der Wahl). Deshalb hier eine Risiko-Analyse. Folgende Risiken bestehen:

  • Die Piraten scheitern knapp mit 4,999% der Stimmen am Einzug in den Landtag. Dann würde ich mir in den Arsch beißen. Aber das ist extrem unwahrscheinlich. Derzeit wären schon 2% der Stimmen für die Piraten ein riesiger Erfolg.
  • Die Piraten bekommen <1% der Stimmen und erhalten keine staatliche Wahlkampfkostenerstattung. Das wäre schade, aber vom Schaden für mich keineswegs so groß wie die Fortsetzung von Schwarz-Grün.
  • Es reicht nicht für GRR oder RGR. Dann könnte das zu einer Fortsetzung von Schwarz-Grün, zu Schwarz-Rot oder Jamaika führen.
    • Schwarz-Rot halte ich jedoch angesichts der Schmerzen, die SPD gerade in der Bundesregierung erlebt, für eher unwahrscheinlich (und für eine Garantie, die SPD wie in Bayern auf 10% zu bringen).
    • Jamaika halte ich ebenfalls für unwahrscheinlich, da ich nicht glaube, dass die FDP aus ihrem Fehler gelernt hat und jetzt sogar mit noch viel stärkeren Grünen konfrontiert wäre. Aber das wäre der Worst-Case für mich.
    • Schwarz-Grün: Dann ist der Schaden “nur” eine Fortsetzung von Schwarz-Grün. Mit stärkeren Grünen als bisher.
  • Die hessische SPD weigert sich erneut, eine Koalition mit der Linken einzugehen. Dann ist der Schaden entweder eine Fortsetzung von Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot (s.o.).
  • Die Grünen wollen lieber Schwarz-Grün fortsetzen, als eine sozialere Politik wagen. Ein echtes Risiko (insbesondere wenns nur zu RGR reicht), aber der Schaden wäre gering (s.o.)
  • Die Linken verweigern sich. Halte ich für unwahrscheinlich. Alternativen dann: s.o.

Insgesamt sehe ich die Option auf RGR oder GRR als echte Chance für Hessen und eine sozialere und weniger repressive Politik. Und einen schweren Schlag gegen die Überwachungsfanatiker bei Polizei und Verfassungsschutz.

Natürlich könnte ich auch Grüne wählen, in der Hoffnung, dass ich dadurch das zustande kommen von GRR ermögliche. Das wäre die wohl fortschrittlichste Variante und würde vor allem die AfD unglaublich ärgern. Aber falls es dann dafür nicht reicht – oder die Beteiligten diese Chance nicht nutzen – dann hätte ich aktiv eine Politik unterstützt, die ich nicht will. Dann lieber für eine starke Linke stimmen.

Natürlich debattiere ich das mit mir (und anderen) weiter – im Zweifel bis ich meine Kreuze gemacht habe. Eure Beiträge dazu sind sehr willkommen – nutzt die Kommentarfunktion.

Wir gesagt, das ist eine taktische Entscheidung. Mittelfristig sehe ich weiterhin die Notwendigkeit, die Piratenpartei zu stärken. Daher werde ich ihnen eine Spende zukommen lassen – und überlegen, was ich (mit meinen Mitteln und Möglichkeiten) tun kann, um sie und vor allem ihre Inhalte zu unterstützen.

 

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Siehe auch:

Wähen gehen? Warum? Besonders wo es doch die „richtige“ Partei gar nicht gibt? Das habe ich hier ausfühlich begründet: Politik ist…

AfD Darmstadt aktiv gegen Meinungsfreiheit

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