Bible Belt Der Bibel Gürtel der USA.

Der “Bibel Gürtel” der USA. Quelle: Wikipedia

Artikel vom 6.11.2016

Donald Trump ist nicht religiös. Er würde nie einen Gott neben sich anerkennen. Geschweige denn, sich von einem vorschreiben zu lassen, was er zu tun hat. Donald Trump tut, was er will. Weil er es kann.

Dennoch tritt er für eine Partei an, in der (evangelikale) gut organisierte, weiße Christen eine dominante Rolle spielen. Genannt: “Die religiöse Rechte”.  Besonders stark ist sie in den Regionen, die man den Bible Belt nennt (siehe rechts). Wenn sie auch vielleicht die republikanische Partei nicht dominieren, so ist doch fast keine Politik und kein Kandidat gegen sie durchsetzbar. Alle US-Politiker kuschen vor der religiösen Rechten, alle werben um diese Stimmen, keiner legt sich mit ihr an. Selbst ein Donald Trump machte ihr (widerwillig) Zugeständnisse. Seine Position zur Abtreibung hat er um 180° revidiert und ihr versprochen, als Präsident nur Kandidaten für das Verfassungsgericht vorzuschlagen, die ihr genehm sind. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist Donald Trump gerade dabei, die die religiöse Rechte nachhaltig zu zerstören.

Update 21.8.2017: Es passiert und hat jetzt auch seinen inneren Kreis erreicht: Megachurch pastor resigns from Trump’s evangelical council

Was dabei wichtig zu verstehen ist: In Europa ist es die katholische Kirche, die traditionell die konservativen Parteien unterstützt, während die evangelischen Kirchen keine eindeutige, geschlossene politische Position beziehen, jedoch überwiegend moderner und liberaler sind. Die katholische Kirche in den USA ist von der politischen Positionierung mit der katholischen Kirche bei uns in etwa vergleichbar – was schon mit der stark hierarchischen Struktur, mit der höchsten Autorität (in allen Fragen) im Vatikan, zusammen hängt.

In den USA dagegen haben sich die weißen, protestantischen Kirchen oft religiös radikalisiert und beziehen zum Teil aberwitzige Positionen. Die Evolutionstheorie zum Beispiel wurde auf ihr Betreiben in einigen Staaten aus dem Lernplan verbannt, weil sie im Widerspruch zur biblischen Schöpfungsgeschichte stehe. Die Selbsttäuschung geht so weit, dass es Menschen gibt, die glauben Jesus habe Englisch gesprochen (sei ja schließlich “die Sprache der Bibel”) und sei US-Amerikaner gewesen. Und: Wo die religiöse Rechte regiert, sterben die Menschen im Schnitt um Jahre früher.

Auch wenn das an Donald Trumps Faktentreue  erinnert, war er in den Vorwahlen nicht ihr Liebling.Die Anhänger der religiösen Rechten haben sich an die Kandidaten gehalten, die mit ihr groß geworden sind: Ted Cruz, Mike Huckabee und Rick Santorum (mehr dazu: mein Vorwahl-Tagebuch).

 

Nachdem sich Donald Trump gegen diese Kandidaten durchgesetzt hatte, hatte die religiöse Rechte sich mit ihm abgefunden und ihn als Alternative zur “bösen” Hillary Clinton unterstützt (einige gingen soweit, sie des direkten Kontaktes mit “Satan” zu bezichtigen). Obwohl Trumps frühere Meinung, dass der Staat nicht über Abtreibungen zu entscheiden habe, nicht recht war (er hatte diese Meinung erst geändert, als er Kandidat der Republikaner wurde). Und obwohl er Teile der religiösen Rechten mit seinen beleidigenden Aussagen in den Vorwahlen auch tief getroffen hat (Latinos, Frauen).

Dass Trump es mit vielen anderen christlichen Geboten (Nächstenliebe, Du sollst nicht töten,… ) nicht so eng sieht, ist für die religiöse Rechte der USA traditionell kein Problem. Auch Ehebruch ist dort (zumindest bei Politikern) weithin akzeptiert (siehe Rechts). Wie in Deutschlands C-Parteien auch.

Doch ein Thema ist absolut Tabu: Sex. Das einzige Thema, mit dem sie Bill Clinton in 8 Jahren Präsidentschaft in Bedrängnis brachten, war, dass er sein Amt für einen sexuellen Akt missbrauchte. Sex darf (in den USA) nicht (sichtbar) sein. Das (in den USA alltägliche) Wort „Fuck“ wird im Fernsehen immer ausgebeept. Filme mit (selbst: seichten) Sex-Szenen werden (auf betreiben der religiösen Rechten) ganz schnell als “ab 18” geratet. Gewalt, Folter und Mord dagegen sich in den USA im Film auch ab 16 oder gar ab 12 Jahren akzeptabel. Das muss man sich immer vor Augen halten, wenn man die religiöse Rechte der USA verstehen will.

Nicholas Kristof (NYT)

Nicholas Kristof (NYT Journalist) auf Twitter

Und dann kam das Video, in dem Donald Trump sexuelle Gewalt als seine Methode, sich Frauen zu nähern, beschreibt. Und Worte verwendet, die die religiösen Rechten vielleicht heimlich denken, aber nicht hören wollen. Und es kamen zahlreiche Berichte von Frauen, die von Trump genau so angegangen worden sind.

Während seine frühen Kritiker davon wenig überrascht sind, spaltete sich die religiöse Rechte jetzt in die Religiösen und die Rechten.  Für viele religiöse Menschen hat er damit aber eine Grenze überschritten, die unverzeihlich ist. Die rechten Anführer dagegen halten verzweifelt an Trump fest, da sie vor allem um die Besetzung des Supreme Court (Verfassungsgericht) fürchten. Doch abgesehen davon, dass es keinen Grund gibt, warum Trump sich an dieses Versprechen halten sollte: Sie haben Probleme, den Religiösen zu erklären, dass die Besetzung des Supreme Court in der Bibel als wichtiges Ziel genannt wurde.

Nicholas Kristof (NYT)Und das ist nicht nur eine Meinungsverschiedenheit – sondern ein sehr grundsätzlicher und laut ausgetragener Konflikt darum, ob moralisches Verhalten wichtiger ist als politische Macht. Und auf einmal wird (auch den Religiösen) klar, dass Trump und seine Unterstützer genau das opportunistische Establishment sind, das sie anzugreifen vorgeben. Und sie stehen dabei unter kritischer Beobachtung der (kleinen) christlichen Linken, die der Rechten seit langen vorwerfen, nur die Teile der Bibel zu lesen, die ihnen ins Zeug passen.

Donald Trump ist eine Katastrophe. Für die USA, für die Republikaner, aber vor allem katastrophal für die religiöse Rechte („religious right“) der USA. Denn diese steht nun vor der Frage: Ist sie religiös, oder ist sie vor allem Rechts?

Praktisch bedeutet dass, das Trump eine Einbruch in einer WählerInnengruppe erlebt, die für Republikaner nicht nur sicher, sondern 100% verlässlich war. Selbst wenn die wenigsten nun plötzlich für die „Feindin“ Hillary stimmen werden – auch eine Stimme für einen unabhängigen Kandidaten oder ein Wegbleiben am Wahltag könnte für Trump schon fatal sein.

Darüber hinaus hat Trump eine Gruppe aktiviert, die zwar traditionell demokratisch wählen, aber nicht weniger christlich sind: Sie schwarzen Christen der USA. Denn wenn irgendwo Rassentrennung noch konsequenter praktiziert wird, als in den Chefetagen der US-Konzerne, dann in den christlichen Kirchen. Schwarze und Weiße haben in den USA ihre eigenen Kirchen. Was zum Einen auch an unterschiedlichen Traditionen liegt, aber vor allem daran, dass die religiöse Rechte der USA immer noch zutiefst rassistische Einstellungen pflegt und offen lebt.

Die schwarzen Kirchen der USA sind dabei oft kaum weniger moralisch und “bibeltreu” als die weißen Kirchen. Sie sind aber oft viel weniger politisch, da sie traditionell einen spirituelleren Zugang zum Glauben haben – Gott manifestiert sich für sie weniger in Gesetzen und dem Verfassungsgericht als in einer persönlichen Gotteserfahrung und im eigenen Leben. Dass viele Schwarze trotzdem politisch näher bei den Demokraten stehen, hängt viel mehr damit zusammen, dass sie oft der Rassismus der Republikaner abschreckt, während die demokratische Partei sich erfolgreich geöffnet hat und neben vielen schwarzen Kongressabgeordneten und Senatoren ja auch dem ersten schwarzen Präsidenten ins Amt verholfen hat.

Auch die Republikaner haben das probiert (Condoleezza Rice und Colin Powell sind Beispiele dafür – die jedoch von Bush ernannt, nicht von der Partei gewählt wurden), doch Trump hat dem mit seinem kaum verborgenen Rassismus einen schweren Rückschlag versetzt. Und seine sexuellen Übergriffe und seine herabwürdigende Haltung gegenüber Frauen kommen bei den schwarzen Christen keinesfalls besser an, als bei den weißen Christen. Die Wahlbeteiligung der religiösen Schwarzen wird dieses Jahr besonders hoch sein. Wegen Trump.

Trump & the bible

Trump & the bible

Soweit zur Wahl am Dienstag.

Wie wird es weiter gehen mit der religiösen Rechten? Zwei Szenarien:

  • Trump gewinnt die Präsidentschaft. Dann wage ich folgende Prognose: Er wird seine Versprechen vergessen, machen was er will und die religiöse Rechte ignorieren. Ihre Anführer werden erkennen, dass sie von ihm nur benutzt wurden. Die religiöse Rechte sind sich (gegen ihn) wieder vereinen und ihn bekämpfen. Eine Wiederwahl in vier Jahren halte ich für ausgeschlossen. Aber dann ist der Schaden angerichtet und die republikanische Partei wird darüber zerbrechen und damit wird auch der Einfluss der religiösen Rechten schwinden.
  • Hillary Clinton gewinnt die Präsidentschaft. Dann wird sich die religiöse Rechte zerlegen. Die Rechten werden den Religiösen vorwerfen, Trump nicht genug unterstützt zu haben. Die Religiösen werden der Rechten vorwerfen, den falschen Kandidaten unterstützt zu haben. Und die religiösen Frauen werden den Männern vorwerfen, dieses “sexuelle Raubtier” überhaupt unterstützt zu haben. Die Religiösen werden sich aus der republikanischen Partei zurück ziehen und immer öfter eigene Kandidaten (wie derzeit in Utah) nominieren. Die Rechten verlieren aufgrund der verminderten Basis ihren Einfluss in der republikanischen Partei.

In beiden Fällen jedoch wird die religiöse Rechte der USA nicht mehr die Selbe sein wie vor 2016. Sie wird schwächer werden und sie wird zerrissener werden.

Vielleicht ist das aber eine Chance, die politische und rassistische Spaltung der US-Christen zu überwinden. Denn Gott ist weder rechts noch links, weder schwarz noch weiß.

Quellen und weitere spannende Infos, die den Riss durch die religiöse Rechte sorgfältig belegen:

 

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