Kein Bitcoin WalletBitcoins sind IN. Jedenfalls in Techniker-Kreisen und zunehmend auch in der Finanzwirtschaft. Einige (mich eingeschlossen) sehen in Bitcoins (und den dahinter stehenden Technologien) eine Entwicklung, die ähnlich wie das Internet und das Handy eine massive Veränderung unserer Gesellschaft und Wirtschaftsbeziehungen mit sich bringen wird. Es gibt sogar Menschen, die behaupten, mit Bitcoin würden (fast) alle Übel der Welt beseitigt und dann wird alles gut (“Bitcoin Enthusiasten”).

Hier sei nun aus reiner Nutzersicht (ohne die ganze komplexe Technik dahinter durchzukauen) erklärt, wie Bitcoins praktisch funktionieren, was man beachten sollte und was man damit machen kann.

 

Das Geheimnis der Blockchain

Die digitale Währung Bitcoin ist im Prinzip eine einzige Datenbank(1) (aka die “Bitcoin Blockchain”). Und zwar von allen Bitcoin Transaktionen seit Anbeginn der Zeit (aka 3.1.2009). Damit die Einträge in dieser Datenbank nicht gefälscht werden können, wird diese Datenbank über alle echten Bitcoin Clients auf der Welt verteilt gespeichert. Und zwar nicht stückchenweise, sondern als Ganzes (2).

Aus diesen Transaktionen kann jederzeit abgeleitet werden, wie viel Bitcoins wohin gehören. Denn die Blockchain funktioniert ähnlich wie die berühmten Schweizer Nummernkonten: Zugriff auf die Bitcoins hat nur derjenige, der die richtige Kombination von zwei Schlüsseln kennt. Einer dieser Schlüssel ist dazu da, um Zahlungen entgegen zu nehmen. Er ist öffentlich und somit so etwas wie eine sehr komplexe IBAN (Kontonummer + Bankleitzahl).
Der andere Schlüssel ist geheim und muss geheim bleiben. Denn ihm die Bitcoins zugeordnet und nur mit ihm kann über die Bitcoins verfügt werden. Wer seinen geheimen Schlüssel verliert, kommt nie wieder an die diesem Schlüssel zugeordneten Bitcoins(3). Denn es gibt keine Instanz, die ihm helfen kann, diesen Schlüssel je wieder zu bekommen.

Andererseits hat jeder Mensch, der an den geheimen Schlüssel eines Anderen kommt, vollen Zugriff auf die damit verbundenen Bitcoins. Er/sie kann sie in wenigen Minuten ausgeben oder an sich oder jemand anderen übertragen – sie sind für immer verloren. Also: Der geheime Schlüssel muss unbedingt geheim gehalten werden. Was genau dabei zu beachten ist, ist ein Thema für einen anderen Artikel – aber wer sich Bitcoins zulegen will, sollte sich vorher auf jeden Fall damit beschäftigen.

 

Wozu ein Wallet?

“Wallet” ist das englische Wort für Geldbeutel. Und die Bitcoin Nutzer haben alle einen solche Geldbeutel in Form einer Software. Wozu aber brauche ich noch einen Geldbeutel, wenn das Geld doch in einer Datenbank liegt? Nun, das Wallet macht ein paar Sachen deutlich leichter:

  • Ein Wallet erzeugt bei der Installation einen privaten Schlüssel und den dazugehörigen (daraus berechneten) öffentlichen Schlüssel. Automatisch.
  • Es speichert meinen privaten Schlüssel Passwort-geschützt auf meinem Rechner (aber: Wenn die Festplatt kaputt geht oder das Wallet gelöscht wird, nützt das Passwort nichts mehr! Deshalb unbedingt eine Sicherheitskopie machen und sicher aufbewahren!)
  • Es ermöglicht mir den Zugriff (Ausgeben) auf meine Bitcoins per Passwort, ohne dass ich jedes Mal den komplizierten privaten Schlüssel eingeben muss
  • Es generiert mir aus meinem öffentlichen Schlüssel beliebig viele Adressen, die ich weitergeben kann, um über sie Bitcoins entgegen zu nehmen (es reicht, an dieses Adressen zu “überweisen”, damit die Bitcoins bei mir ankommen.
    • dadurch wird die Transaktion noch sicherer
    • wenn ich unterschiedliche Adressen angebe, können verschiedene Einzahlungen noch schwieriger auf mich zurückgeführt werden
  • Es ermöglicht mir, nachzuvollziehen, wofür ich Bitcoins ausgegeben und woher eingenommen habe.

 

Wie gebe ich mein Datenbank-Geld aus? 

Über die Wallet Software, die sich auf meinem PC, meinem Laptop oder meinem Handy befinden kann, kann ich Bitcoins (oder Bruchteile davon) verschicken. Es ist im Prinzip wie Überweisen: Ich gebe eine Zieladresse an und einen Betrag und der Betrag wird an diese Zieladresse transferiert. Diese Übertragung kann – einmal auf den Weg geschickt – nicht wieder rückgängig gemacht werden. Und da mir im Zweifel der Empfänger unbekannt ist (und anders als bei einer Bank-Überweisung nicht ermittelt werden kann), kann ich in der Regel auch auf juristischem Weg nicht wieder an das Geld kommen.

Deshalb ist es extrem wichtig, bei jeder Übertragung a) die Adresse genau zu prüfen b) die Gebühren genau zu prüfen. Ein klitzekleiner Tippfehler bei der Adresse reicht, um die Bitcoins ans andere Ende der Welt zu schicken. Und das die Gebühren angeht: Die Mindestgebühr für Bitcoin-Übertragungen beträgt 0.0001 BTC (derzeit ca. 6 Cent)(4) und dauert dann so lange, bis sieben Nodes die Übertragung bestätigt haben (derzeit: bis zu 1h). Durch höhere Gebühren kann die Übertragung beschleunigt werden. Wenn man sich jedoch bei der Gebühr vertippt (oder gar die Felder für Betrag und Gebühr verwechselt – soll es schon gegeben haben), dann kann es eine sehr teure Übertragung werden. Deshalb: Immer Sorgfalt walten lassen und nie in Eile “mal schnell” eine Übertragung vornehmen. Vermutlich gibt es (bereits oder schon bald) Clients/Wallets die solche Fehler minimieren, aber grundsätzlich besteht dieses Risiko.

Es gibt noch eine weitere Art, Bitcoins an eine andere Person weiterzugeben: Indem man eine neue Adresse erzeugt und dem Empfänger den privaten Schlüssel zu dieser Adresse übergibt. Das kann im Netz (Webseite, E-Mail, Chat) erfolgen, aber auch per USB Stick oder gar auf Papier.

Vorteile dieser Methode:

  • Keine Übertragungskosten (oder: Übertragungskosten muss der Empfänger tragen)
  • Gleichzeitigkeit der Übergabe von Ware und Geld (keine Vorkasse / Nachkasse) möglich
  • Der Empfänger kann zugreifen, wenn es für ihn opportun ist (z.B. Schenkungen, Erbschaften)

Nachteil dieser Methode:

  • Der Übertragende hat weiterhin Zugriff auf die Bitcoins solange der Empfänger die Bitcoins nicht an eine andere Adresse transferiert

 

Wie komme ich an Bitcoins? 

Bitcoins kann man einnehmen, kaufen oder selbst herstellen (sic!).

  • Jeder der ein Geschäft besitzt oder einen Online Shop kann Bitcoins einnehmen. Dazu braucht er/sie eine Bitcoin Adresse (siehe oben), eine Einbindung in sein Bezahlverfahren (am einfachsten: als Vorkasse) und eine Vorstellung, was die angebotenen Güter und Dienstleistungen in Bitcoin kosten.
  • Bitcoins haben inzwischen einen Wechselkurs zu allen gängigen Währungen der Welt. Daher kann man ihn einfach gegen Euro tauschen bei:
    • fortschrittlichen Banken (z.B. Fidor Bank)
    • online Wechselstuben (mit zwischen den Anbietern stark variierenden Gebühren / Wechselkursen)
    • online Währungsbörsen (Trading: günstiger, aber initial komplizierter)
    • über Freunde oder Bekannte, die selbst Bitcoins haben
  • Grundsätzlich ist es möglich, sich auch an der Herstellung neuer Bitcoins zu beteiligen. Mehr dazu in meinem Coin Mining Tagebuch.

 

Bitcoin Akzeptanzstellen im Rhein-Main-Gebiet

Bitcoin Akzeptanzstellen im Rhein-Main-Gebiet

Was mache ich dann mit meinen Bitcoins? 

 

Bitcoin gibt es jetzt seit 6 Jahren (2009) und sind damit die Währung etablierter als Windows 8 und dadurch, dass es Open Source ist, konnten alle interessierten Experten den Quellcode und die Protokolle prüfen. Bitcoin darf also vom System her als relativ sicher angesehen werden – jedenfalls sicherer als normale, aktuelle Software (wie z.B. auch Banking-Anwendungen). Man kann also davon ausgehen, das die Bitcoin Technologie sicher ist. Bei Wallets, Online Seiten, Apps, Börsen, etc. kann das weniger sicher angenommen werden, doch auch hier ist das Risiko nicht viel größer als bei anderen Anwendungen und Institutionen, denen wir unser Geld oder unsere EC- oder Kreditkarteninformationen anvertrauen.

Alltagstauglich sind Bitcoins noch nicht, da es noch an genügend Möglichkeiten fehlt, sie praktisch einzusetzen. Wer aber bereits jetzt kennen lernen will, was in ein paar Jahren normal werden wird, kann jetzt ziemlich relativ einfach und sicher Bitcoin-Luft schnuppern.

Zum Vergleich:

TCP/IP (Internet Protokoll) Erfindung und Implementierung 1972 Bitcoin Whitepaper Oktober 2008, erste Bitcoins generiert im Januar 2009
Erste Popularisierung (IT Konzerne und Universitäten) 1985 Bitcoin Trading startet Oktober 2009
 Erste Web-Browser Version (Massentauglichkeit) 1993 Erstes Massenmarkt-fähiges Wallet: November 2011
 1. dot com Blase 1995ff 1. Bitcoin Blase: November 2013
 Mainstream Konzerne beschäftigen sich damit: 1995 Mainstream Konzerne beschäftigen sich damit: 2015
 Internet setzt sich als Informationsmedium durch: 2002 Bitcoin setzt sich als Zahlungsmittel durch: ?
 CDU: “Neuland”: 2015  CDU: [?]
Beim Internet hat es 23 Jahre gedauert, bis sich Mainstream-Konzerne sich ernsthaft damit beschäftigten. Bei Bitcoins hat es nur 6 Jahr gedauert, bis sich Mainstream-Konzerne sich ernsthaft damit beschäftigten.

Mehr: Die kurze Geschicht der BitCoins als SlideShow (Englisch, by t3n)

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Alle Screenshots und Bilder: Carsten Buchholz

 


Fussnoten:

(1) Genau genommen eigentlich sogar nur eine strukturierte Textdatei, die derzeit ca. 80MB groß ist (aktuelle und historische Größe). Mehr Infos zur Block-Chain Technologie.

(2) Also nicht mit der Torrent-Technologie zu vergleichen. Es gibt aber inzwischen auch sogenannte Lite Clients, die nicht die ganze Bitcoin speichern, sondern nur die aktuellesten Blocks, die in der Regel ausreichen, um den Bestand abzuleiten. Diese tragen jedoch nicht dazu bei, die Blockchain zu bewahren, sondern dienen nur der Auswertung. Grundsätzlich kann jeder solche Clients entwickeln – hier ein paar von ihnen mit mehr Infos.

(3) Das Electrum Wallet ermöglicht zusätzlich mit einer geheimen Phrase den Zugriff auf den privaten Schlüssel.

(4) Es gibt Ausnahmen von der Mindestgebühr, diese sind hier beschrieben: https://de.bitcoin.it/wiki/Transaktionsgebühren

(5) Einige BitCoin-Enthusiasten neigen dazu, BitCoin als “das neue Gold” zu bezeichnen – was definitiv falsch ist. Beide haben zwar eine Wertaufbewahrungsfunktion, die im Falle der Krisen von nationalen Währungen oder der Wertpapiermärkte sehr praktisch sein kann. Bitcoin fehlt jedoch völlig die reale Grundwertsicherung, die daraus entspringt, das Gold tatsächlich eine Ware / ein Rohstoff für nicht wenige reale Produkte ist, was dazu führt, das der Wert von Gold vermutlich nie Null sein wird – was bei Bitcoin ein echtes Risiko ist, da sich dahinter kein realer Wert verbirgt (sondern sie ihren Marktwert ausschließlich aus ihrer Zahlungsmittelfunktion/Wertaufbewahrungsfunktion schöpfen).
Dagegen hat Bitcoin eine Zahlungsfunktion, die Gold heutzutage völlig eingebüßt hat. Mit Gold kann man praktisch nirgends sinnvoll bezahlen, sondern man muss es erst ein eine fungible Währung eintauschen.

(6) Siehe auch den wichtigen Artikel von The Motley Fool Warum du nicht in Bitcoin investieren kannst, der erklärt, warum spekulieren nicht investieren ist – ein wichtiger Unterschied, der von BitCoin-Enthusiasten (einer Selbsttäuschung folgend) gern vernachlässigt wird

 

Update: 8.1.2017: Der ARD Weltspiegel berichtet über Bitcoin – sie haben natürlich die extremen Aspekte hervorgehoben und das Protokoll nicht ganz verstanden, aber trotzdem nicht ganz uninteressant.

 

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Dieser Artikel ist Teil meines Projektes “Blockchain Exploration”.

Siehe in diesem Kontext auch:

Bitcoin als Investition

Geldsystem & Energieverbrauch

Das Jammern der Banker

Wie funktioniert Bitcoin?

Betrachtungen zur Bitcoin-Kursentwicklung

Stückchenmünzen-Lesestoff (aka Blockchain Article Collection)

Mein DAO Blockchain Experiment

Mein DAO Blockchain Experiment (Tagebuch abgeschlossen)

Mein Digi Coin Mining Experiment (Tagebuch ongoing, [un-]regelmäßig aktualisiert)

BB KISS

 

Betrachtungen zur Bitcoin-Kursentwicklung

 

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Siehe auch:

Cloud ist… wenn Kaufen nicht mehr Kaufen ist