Nola - Portrait of a Lady“Portrait  of a Lady” ist eine dieser CDs, die gefählich leicht nach einmaligem Hören in den Tiefen der Plattensammlung verschwinden können. Ich hätte diesen Fehler fast gemacht. Denn ich habe sie beim ersten Mal viel zu leise und zudem zu unaufmerksam gehört. Mein erster Eindruck damals: Sehr schöne Musik, aber nichts Neues und traurig, ja fast ein wenig depressiv. Zum Glück habe ich noch einmal genauer hingehört!

Denn:

Nichts Neues ist es in der Tat, sondern etwas Wohlbekanntes. Nola – das sind die Sängerin Marijke Jährling, Steffen Müller-Kaiser an Tenorsaxofon und Bassklarinette, Lukas Moriz am Piano und Ina Burger an Kontrabass – haben dieses Album der großen alten Lady des Jazz und Blues, Billie Holiday, gewidmet (sprich: Ihre Lieder aufgenommen). Und Billie Holidays Musik ist nun mal bekannt und vertraut – und Nolas Version so nahe dran und authentisch, dass sie auf den ersten Blick nicht auffällt.

Und das ist vielleicht schon das wichtigste Kompliment, dass man Nola machen kann: Das sie es geschafft haben, die Musik dieser fantastischen Sängerin und ihrer Zeit so treffend wiederzugeben. Ohne auf Eigenständigkeit und Interpretation zu verzichten. Versuchungen und Risiken lauerten dabei an allen Ecken. Eine zu exakte Kopie hätte keinen eigenständigen Reiz (und stände im Wiederspruch zu Billie Holidays eigenem Selbstverständnis), eine zu moderne Interpretation schnell zur Karikatur werden.

 Ina BurgerSteffen Müller-KaiserSo wie Billie Holiday (vor allem bevor sie zum Star wurde)  in Clubs sang, die nicht selten vor allem anderen Zwecken als dem Musikgenuss gewidmet waren, so könnte man diese CD problemlos als Hintergrundmusik verwenden – und sie würde kaum auffallen (ein Schicksal, das sie mit anderen Stars teilten würde).  Und das ist nicht einmal verkehrt.

Nola hat dem Druck unseres modernen Aufmerksamkeitswettbewerbs widerstanden und statt dessen vor allem Mut zum Aushalten, zum Innehalten, zur Pause, zum Leisen bewiesen. Und in dieses vorsichtige Herantasten haben sie genial modernere Motive und Elemente gemischt, die nur auffallen, wenn man auch wirklich hinhört. Manches ist so überzeugend, dass man kaum glauben will, dass es in den Originalen gar nicht vorkommt.

Mein persönlicher Höhepunkt von “Portrait  of a Lady” ist ausgerechnet jener Song, dessen Text 1939 der jüdisch-russische Lehrer Abel Meeropol schrieb und komponierte, um die Lynchmorde in den Südstaaten der USA anzuprangern – während hier in Deutschland die Nazis seine Glaubensbrüder systematisch ermordeten: “Stange Fruit“. Ich muss gestehen, dass ich die Nola-Interpretation – und insbesondere Marijke Jährling Gesang – tatsächlich stärker und eindrucksvoller finde als jene Billie Holiday-Aufnahmen, die ich bisher kenne.

Um das gesamte Spektrum anzudeuten: Dagegen finde ich Nolas Version von “Gloomy Sunday” als zu verpopt und  nicht annähernd an das Original heran reichend. Und trotzdem schön! Die anderen Songs von “Portrait  of a Lady” bewegen sich dazwischen. Ruhig-traurig-schöner Jazz zum Zuhören, Erinnern und Genießen.

Hin und wieder hatte ich allerdings das Gefühl, dass die Musiker zu viel Respekt vor Marijke Jährlins Stimme haben, sie nur begleiten, statt mit ihr zu kommunizieren. Manchmal scheinen Müller-Kaiser, Moriz und Burge fast gehemmt von der Präsenz ihrer Front-Frau (oder aus Ehrfurcht vor Billie Holiday?). Ein bisschen mehr Mut und Frechheit wäre das, was ich der Platte als Produzent noch hinzugefügt hätte. Das Potential ist auf jeden Fall da.

 Lukas MorizDoch CDs sind eine Sache. Wer aber eine echte Homage an Billie erbringen will und damit auftritt, muss sich auch an ihrer Fähigkeit zur Improvisation messen lassen. Deshalb bin ich wirklich gespannt auf die kommenden Nola-Konzerte:

  • 23. Februar 2014: JazzLounge, Groß- Umstadt
  • 25. September 2014: Romanfabrik, Frankfurt am Main
  • 4. März 2015: Forum-Kultur, Heppenheim

Nola ist übrigens aus Darmstadt / Umgebung.

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